Nach etwa 20 Metern ist vorerst Schluss: Der am Samstag durch Berlin ziehende Neonazi-Marsch stoppte kurz nach dem Start am Berliner Dom. Grund ist laut einem Polizeibeamten vor Ort, dass sich Gegendemonstrierende auf der Straße „Unter den Linden“ versammeln. Laut Polizei „haben sich über 1000 Personen des Gegenprotests vor der Schlossbrücke postiert“, wie die Behörde in ihrem WhatsApp-Kanal schreibt.

Ob die Neonazi-Demo weiterlaufen kann, ist derzeit noch nicht sicher, sagt eine Polizeisprecherin. „Es wird gerade ausgehandelt, wie hier weitergemacht wird“, sagt die Sprecherin.

Im Gespräch mit der Polizei empörte sich Heimat-Chef Schreiber darüber, dass die Polizei den Weg für die Neonazi-Demo nicht frei mache. „Wären wir auf uns alleine gestellt, würden wir uns schon Raum schaffen“, sagte Schreiber kurz danach dem Tagesspiegel.

Rund um die Neonazi-Demonstration sind nach Angaben des Polizeisprechers Florian Nath rund 300 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. Die Versammlung startete um 13 Uhr. Kurz davor schätzte Nath die Teilnehmerzahl auf etwa 80 Personen. Für eine Gegenversammlung hätten sich ebenfalls rund 80 Personen versammelt.

Eine Neonazi-Demo, drei Gegendemonstrationen

Rechtsextreme Gruppen haben in sozialen Medien mit einem populistischen Spruch für den Marsch mobilisiert, zu dem die Veranstalter nach Polizeiangaben 100 Teilnehmer erwarten. Drei Gegendemonstrationen waren angekündigt, eine davon von der Initiative Omas gegen Rechts.

Aufgerufen zur Demo hatte die rechtsextreme Partei Die Heimat, ehemals NPD.

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Gegen die Demo demonstrieren auch die „Omas gegen Rechts“.

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Die Gegendemonstranten stehen vor allem vor dem Zeughaus am Ende der Schlossbrücke.

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Der Neonazi-Aufzug setzte sich um 14 Uhr am Berliner Dom in Bewegung, begleitet von lauten Pfiffen des Gegenprotests. Er soll über die Straße Unter den Linden über den Werderschen Markt zur Friedrichstraße führen und am S-Bahnhof dort enden. Auf der Demonstration halten Teilnehmer ein Transparent mit dem Spruch „Grenzen Dicht!“ in den Händen. Darauf ist auch ein weißes Schaf aufgemalt, das ein schwarzes Schaf mit den Hinterbeinen wegkickt.

Rechtsextreme rufen auf zur Jagd auf vermeintliche „Betrüger“.

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Die Neonazi-Partei NPD, inzwischen „Die Heimat“, hatte die Demonstration angemeldet, mobilisiert wurde zusammen mit der rechtsextremen Berliner Jugendgruppe „Deutsche Jugend Voran“ (DJV). Ein führender Kopf der Gruppierung befindet sich seit Anfang September im Gefängnis. Das Landgericht Berlin hatte den damals 24-Jährigen am 9. April unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Interne Streit prägen die Szene

Die Szene der jugendlichen Faschisten ist von internen Streits geprägt, immer wieder spalten sich Kleinstgruppen ab. Doch an diesem Tag scheint man seine Streitigkeiten beiseite zu legen: auch die „Jägertruppe“ und die „Berliner Jugend“ waren erschienen.

Für die Kleinstpartei „Die Heimat“ war der Zusammenschluss mit dem Nachwuchs offenbar von Bedeutung: So erklomm Parteivorsitzender Peter Schreiber auf der Versmmlung höchstselbst das Dach eines Bullis, um dort eine Rede zu halten. Er lobte die „Heimatschutz“-Aktionen seiner Partei. Dabei handelt es sich um eine Form neonazistischer Selbstjustiz: Rechtsextreme patrouillieren in Kiezen und machen eigenmächtig Jagd auf vermeintliche „Betrüger“. Wenn die Heimat an Einfluss gewinne, „heißt es nicht mehr: Tischlein deck dich, sondern dann heißt es: Knüppel aus dem Sack!“, sagte Heimat-Chef Schreiber auf dem Dach des Bullis.

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„Die gemeinsame Mobilisierung kommt nicht überraschend und ist auch das Ergebnis einer immer stärkeren Annäherung”, schreibt die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) in einer Einschätzung. DJV sei über einen längeren Zeitraum gezielt von „Die Heimat” umworben worden – „auch, weil die von politischer Irrelevanz bedrohte Partei dringend Nachwuchs sucht”, heißt es weiter. (mit dpa)