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Wladimir Putin pocht auf Maximalforderungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs. Dies sei nur eine psychologische Operation, warnt ein Experte. Eine Analyse.

Kiew/Moskau – Eigentlich bis Thanksgiving: So lange hatte Wolodymyr Selenskyj ursprünglich Zeit, um den US-Entwurf eines Friedensplans anzunehmen. Doch kurze Zeit später rückte US-Präsident Donald Trump von seinem harten Ultimatum ab und entschärfte sein Konzept schließlich zu einer Diskussionsgrundlage. Vertreter aus Kiew reisen nach Washington, um weiter über die Bedingungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs zu sprechen.

Wladimir Putin verfolgt im Ukraine-Krieg laut eines ISW-Experten eine bestimmte Strategie. (Archivbild)Wladimir Putin verfolgt im Ukraine-Krieg laut eines ISW-Experten eine bestimmte Strategie. (Archivbild) © Vyacheslav Prokofyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Für die Führung im Kreml war die jüngste Dynamik im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg hingegen Anlass, um die eigenen Verhandlungspositionen zu verschärfen. Das Umfeld von Wladimir Putin stellte die Forderung, dass Kiew seine Truppen aus dem Donbass abziehen solle, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Auch der Präsident selbst ließ während einer Pressekonferenz Härte erkennen. Die Botschaft war klar: Selenskyjs Rolle als Präsident sei „illegitim“ und würde die Ausgangslage für Verhandlungen schwächen. Die Intention Putins, sich in möglichst gute Verhandlungspositionen zu bringen, fußt allerdings laut eines Experten auf einem Bluff – mit einem anderen Ziel.

Ringen um Ende des Ukraine-Kriegs: Putin verfolgt Plan – mit Ultimatum

Im Interview mit der Kyiv Post erklärte George Barros, Analyst beim Institute for the Study of War (ISW), dass das Signal aus dem Kreml nicht als diplomatisches Manöver missverstanden werden sollte. „Das ist kein ernstzunehmender Vorschlag.“ Was Putin angeboten hat, war laut Barros kein Weg zu Verhandlungen, sondern eine psychologische Operation, die darauf abzielte, das Informationsumfeld zu gestalten und die Erwartungen zugunsten Moskaus zu lenken.

Der ISW-Experte sieht in dem russischen Ultimatum im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eher eine „kognitive Kriegsführung“ des Kremls. Im Mittelpunkt steht dabei, falsche oder verzerrte Annahmen zu verbreiten, um so russische Interessen voranzutreiben. Nach einer ISW-Einschätzung handelt es sich bei dem Vorgehen um einen strategischen Angriff auf Wahrnehmung, Logik und Willensfreiheit. Das Konzept fußt dabei in sowjetischen Doktrinen, die Denkprozesse des Gegners manipulieren wollen.

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Ziel sei, die Ukraine davon zu überzeugen, dass ein Gebietsverzicht jetzt ukrainisches Leben in der Zukunft retten würde. Mit Blick auf die aktuelle Lage im Ukraine-Krieg sei dies allerdings ein Trugschluss, so Barros. Mit den jüngsten Maximalforderungen würde Putin allerdings ein Alibi für künftige Militäroperationen schaffen. Dieses diene auch als Ablenkungsmanöver, „um die Amerikaner von der Tatsache abzulenken, dass Russland den Friedensplan, den das Weiße Haus Russland vorlegen wird, höchstwahrscheinlich ablehnen wird“.

Verhandlungen über Ukraine-Krieg: Düster Aussichten für Kiew – wegen Putin

Der Think Tank Chatham House analysierte, dass Putin im Zusammenhang mit den aktuellen Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs auf Zeit spiele. Die Einflussnahme auf US-Kreise, die seit einigen Tagen debattiert wird, sei dabei ein weiteres Beispiel für eine russische Operation, die die „negative militärpolitische Lage Putins durch den Anschein von Friedensverhandlungen verändern“ soll. Der Kreml versuche demnach gezielt, die Durchsetzung von Sanktionen gegen Öl-Konzerne zu verhindern.

Die Aussichten auf ein Ende des Ukraine-Kriegs bleiben derweil düster. Carnegie Politika kommt zu dem Schluss, dass Putin keine verschiedenen Friedensversionen bieten wolle. Für die Ukraine würde es nur zwei Optionen geben: einerseits militärische Gewalt und andererseits militärische Gewalt, flankiert von Gesprächen. Für Selenskyj stelle dies ein Dilemma dar, bei dem er zwischen weiteren Todesopfern oder russischen Maximalforderungen wählen könne.

Nach Einschätzung von Barros geht es beim aktuellen Manöver von Putin darum, auch die Entschlossenheit des Westens zu testen. Seiner Ansicht nach sind der naheliegende Ausgangspunkt für jegliche Verhandlungen „die faktischen Frontlinien und nicht die präventive Aufgabe einiger der militärisch wichtigsten Gebiete der Ukraine“.

Ende des Ukraine-Kriegs: Russland verfolgt drastisches Vorhaben

Wie drastisch der russische Plan angesichts der möglichen Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs ist, zeigt das Atlantic Council auf. Zwar gab es durch die Impulse von Trump deutliche Fortschritte, die zur Beendigung des Konflikts führen könnten, dennoch sehen Skeptiker bislang nicht, dass sich Russland aufrichtig für Frieden interessiert.

Inmitten der Gesprächsversuche und geplanten Reisen nach Washington oder Moskau steht ein Präsidialdekret, das eine Eskalation und die Ausmerzung aller Spuren ukrainischer Identität in den besetzten Gebieten fordert. Das Strategiepapier soll im Januar 2026 in Kraft treten und lobt die russische Invasion, da sie „die Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Einheit der historischen Gebiete des russischen Staates geschaffen“ habe. Das Atlantic Council schreibt, dass bereits jetzt systematisch die Symbole ukrainischer Staatlichkeit, Sprache, Tradition und Kultur angegriffen würden. Unter anderem zeige sich dies in der massenhaften Entführung ukrainischer Kinder.

Düstere Prognose für Selenskyj: Ukraine vor Verhandlungen unter Druck

All dies verweist auf eine strategische Konstanz im Kreml: Moskau spricht über Frieden, um den Krieg politisch zu verlängern. Während Washington und Kiew vorsichtig auf neue Gesprächsformate zusteuern, schafft Putin zugleich Fakten, die jede künftige Verhandlung asymmetrisch verzerren sollen – territorial, militärisch, propagandistisch. Für die Ukraine bleibt damit vorerst nur ein schmaler diplomatischer Korridor: zwischen internationalem Druck, russischen Maximalforderungen und der existenziellen Abhängigkeit vom Westen. (Quellen: Kyiv Post, Chatham House, Atlantic Council, Carnegie Politika, Institute for the Study of War) (fbu)