Früher ließen Teenager Diddl-Mäuse auf die Bühne fliegen. In glänzendem Latex-Outfit füllte Jeanette Biedermann zu Beginn der 2000er Jahre die großen Hallen des Landes, „Rock My Life“ wurde zur Pop-Parole einer Generation. „Viva, MTV, The Dome – wunderbare Jahre“, singt die 45-jährige Biedermann heute rückblickend in einem ihrer Songs. Die Zeit, in der sich Popstars selbstverständlich im Nachmittagsprogramm bewegten, ist vorbei. Musikfernsehen gibt es nicht mehr. Die Musikshow „The Dome“ auch nicht. Zumindest die Diddl-Maus soll ironischerweise aktuell ein Comeback feiern. Und Jeanette Biedermann?

Klassiker aus den Nullerjahren und neue Songs

Das Latex-Outift ist verschwunden. Die Bühne der Gersthofer Stadthalle betritt Biedermann in einem schwarz-glitzernden Hosenanzug. Ein paar der 450 Stühle im Saal bleiben leer; schwer wiegt das nicht. Ihre Fans empfangen die schauspielernde Sängerin mit so viel Zuneigung, dass das nicht auffällt. Biedermann tourt aktuell mit Band durch Städte wie Gersthofen, Staßfurt, Baden-Baden, Kassel. Die Tour soll eine musikalische Reise durch 25 Jahre selbstgemachter Musik sein. Klar, „Rock my Life“ gibt es als Zugabe, auch „Rockin´on Heaven´s Floor“ in einer Akustikversion, vor allem sind inzwischen aber deutschsprachige Songs zu hören.

Die Pop-Prinzessin hat sich mal wieder gewandelt. Die Zeit der choreografierten Charterfolge der Nullerjahre ist vorbei. „Es gibt nichts, was ich bereue“, singt sie in ihrem Song „Unterm Strich.“ Und man glaubt es ihr, wenn sie nach 25 Jahren immer noch auf der Bühne steht. Dabei gehört der Wandel seit jeher zu ihrer Karriere. Als Kind zeigte sie ihre akrobatischen Künste im Kinderzirkus Lilliput. Als Teenager begann sie eine Lehre beim Promi-Friseur Udo Walz. Abgeschlossen hat sie die nicht. Denn als junge Erwachsene wurde sie zur „Bild-Schlagerkönigin“ gekürt- und erhielt prompt einen Plattenvertrag. Ihr erstes Studioalbum „Enjoy!“ stürmte die Charts. Zur gleichen Zeit begann die TV-Karriere („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Anna und die Liebe“). Biedermann gewann praktisch alle deutschen Auszeichnungen, die von Relevanz waren, als Bravo-Starschnitte in Jugendzimmern klebten.

Auch die Fans von Jeanette Biedermann sind erwachsen geworden

Die Fans von damals sind heute erwachsen. Ein paar von ihnen sind geblieben. Beim Auftritt in Gersthofen sitzen sie in den ersten Reihen, singen jeden Song mit und halten Pappherzchen mit der Aufschrift „Toleranz“ in die Luft. Biedermann scheint einige von ihnen beim Namen zu kennen. Immer wieder sucht Biedermann das Gespräch mit ihren Fans. Es soll ein Abend voller Liebe und Wärme werden, sagt sie unserer Redaktion vor dem Auftritt in Gersthofen. „Denn das ist es, was wir gerade alle brauchen … eine große Umarmung.“ Und so fühlt es sich auch an.

„Das ist hier heute unser Safe Space“, sagt die 45-Jährige dann auf der Bühne. Ein geschützter Raum also, ohne Ausgrenzung oder Peinlichkeit. Ihre Fans nehmen das Angebot an. Befreit tanzen zwei Damen am Bühnenrand. „Wir lieben dich“, schreit eine andere durch den Saal. „Fühlt euch frei“, ruft Biedermann zurück. Spätestens als sie gemeinsam mit ihrer Band einen Akustiksong mitten im Publikum performt, ist der Kreis zwischen Künstlerin und Zuhörenden geschlossen. Biedermanns Texte sind frei von Ironie, geradeheraus, ohne zweite Ebene. Wenn sie singt, sie wolle ein „offenes Buch“ sein, nimmt man ihr das ab. Nahbar und gefühlig quatscht sie zwischen den Songs mit ihren Fans.

Mal sehen, wohin sie die stetig wandelnde Karriere noch führt. Ein paar neue Drehbücher lese sie gerade, erzählt Biedermann im Interview mit unserer Redaktion: „Aber ich schreibe darüber hinaus auch selber und habe Einiges vor. Einfach überraschen lassen!“

  • Philipp Kinne

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  • 86368 Gersthofen

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  • Jeanette Biedermann

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