Die Schockwellen der Geschäftsschließungen in der Mainzer Innenstadt haben nun auch das Mainzer Stadthaus erreicht, am Donnerstag luden Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) und Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) spontan zu einer Pressekonferenz in Sachen Innenstadt. Bei der Frage aber, welche Maßnahmen die Stadt Mainz zur Verbesserung der Lage ergreifen will, wurden vor allem zwei Bausteine genannt: Der Null-Euro-Samstag wird 2026 fortgesetzt, und die Stadt will bei der Sauberkeit nachschärfen. Damit bleibt das Hauptproblem ungelöst: der Verkehr.
Geschäftsaufgaben von Listmann und dem Kinderladen Wirth erschüttern derzeit die Mainzer. – Foto: gik
In den vergangenen Wochen war bekannt geworden, dass gleich mehrere traditionsreiche Einzelhandelsgeschäfte zum Jahresende 2025 ihre Türen schließen – das Aus für Traditionsgeschäfte wie der Kinderladen Wirth, der Fachhändler Listmann oder das Modegeschäft C.O Reuter auf der Ludwigsstraße sandte veritable Schockwellen durch Mainz. Beim Juweliergeschäft Willenberg heißt es gar, man sehe für den Schillerplatz als Shopping-Meile keine Zukunft mehr und suche ebenfalls nach Alternativen.
Als Gründe geben die Einzelhändler Kostensteigerungen und Abwanderung in den Online-Handel an, aber auch einen Rückgang bei der Kundefrequenz in der Innenstadt, Probleme mit der Geschäftsnachfolge – sowie eine katastrophale Baustellensituation, gerade rund um den Münsterplatz und den Schillerplatz in Mainz. Größere Einzelhandelsgeschäfte könnten einfach nicht allein vom Mainzer Publikum überlegen, sagt etwa Friedrich Demmler, Inhaber des Kinderladens Wirth. Viele Händler klagen, das rheinhessische Hinterland aber werde immer mehr von der Fahrt nach Mainz abgeschreckt – durch Baustellen, schlechte Verkehrsführung und Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen.
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Haase: „Wir haben weiterhin eine positive Tendenz“
Die Stadt Mainz wollte das so nicht stehen lassen, und veröffentlichte überaus positive Zahlen bei der Gewerbeentwicklung in Mainz – und musste sich korrigieren: Die Zahlen waren falsch, der Anstieg bei der Gewerbesteuer im Handel beträgt statt 40 Prozent nur 6,3 Prozent, und dabei sind Großhändler auf der grünen Wiese mit eingerechnet. Konkrete Zahlen für die Innenstadt allein legte die Stadtverwaltung nicht vor, Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) betonte dennoch nun: „Auch wenn wir die Daten korrigieren mussten, zeigt es: wir haben weiter eine positive Tendenz.“
Sieht Mainz trotz Geschäftsaufgaben in der Innenstadt auf einem guten Weg: Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos). – Foto: gik
Mainz sei eine wirtschaftsstarke Stadt, die Gewerbesteuereinnahmen hätten sich deutlich verbessert, „unsere Grundvoraussetzungen sind gut“, betonte Haase. Zugleich räumte er aber auch ein: „Daten sind nicht alles“, die Innenstadt sei im Umbruch, und das sei eine Herausforderung. „Aber wir haben richtig Lust, diese positiv zu gestalten“, sagte Haase: „Die Innenstadt hat für mich, für Frau Matz und den restlichen Stadtvorstand eine riesengroße Priorität.“ Deshalb wolle man jetzt und in den kommenden Wochen weitere Maßnahmen vorstellen, mit deren Hilfe die Mainzer Innenstadt attraktiver werden soll.
Ganz oben auf der Liste steht dabei der Null-Euro-Samstag: Der kostenlose ÖPNV an jedem ersten Samstag im Monat sei ein so großes Erfolgsmodell, dass sich die Stadt entschlossen habe, das auch 2026 fortzusetzen, kündigte Haase an. Der Null-Euro-Samstag war im Juli 2024 gestartet, im Oktober 2024 zog die Stadt bereits eine überaus positive Bilanz: Der kostenlose Nahverkehr lockt deutlich mehr Menschen in die City, die Mainzer Mobilität habe im ganzen Netz einen Zuwachs von 15 Prozent an Fahrgästen, in der City sogar von 20 Prozent, sagte nun MVG-Geschäftsführer Florian Wiesemann.
Null-Euro-Samstag geht 2026 weiter: „Ein echtes Brett“
„Es ist uns gelungen, tatsächlich Menschen für den ÖPNV zu begeistern, die ihn vorher nicht genutzt haben, das ist ein echtes Brett“, schwärmte Wiesemann, er könne sich, „an keine Maßnahme in 20 Jahren ÖPNV erinnern, die einen vergleichbaren Effekt hatte.“ So erfolgreich sei die Aktion, dass sich andere Städte bundesweit für das Modell interessierten, die Stadt Mainz selbst kostet ein solcher Tag rund 20.000 Euro. Dazu habe sich der Null-Euro-Samstag tatsächlich auch „als wirkungsvolles Instrument gefunden, um die lokale Wirtschaft anzukurbeln“, sagte Wiesemann: „Es wäre fatal gewesen, wenn wir das nciht fortgesetzt hätten.“
Der Null-Euro-Samstag an jedem ersten Samstag im Monat wird auch 2026 fortgesetzt. – Foto: Stadt Mainz
So soll es nun auch kommen: Den kostenlosen ÖPNV-Tag an jedem ersten Samstag im Monat soll es auch 2026 geben. „Wir bekommen immer wieder gespiegelt dass hier tatsächlich spürbar mehr Menschen in die Gastronomie und den Einzelhandel kommen, und dass der Umsatz steigt“, sagte auch Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU). Nach Angaben der Stadt bringt jeder Null-Euro-Samstag ein Umsatzplus von deutlich über vier Prozent, Haase sprach von einem Plus von rund 400.000 Euro pro Samstag.
„Wir haben eine lebendige Innenstadt – aber es verändert sich“, betonte Matz, vor allem die Ansprüche an die Einkaufsstadt änderten sich. Die Stadt messe die Kundenfrequenz an drei Standorten in der Innenstadt, und zwar am Brand, in der Schusterstraße und in der Stadthausstraße. „Da haben wir inzwischen wieder das normale Niveau erreicht, das man vor Corona kannte“, sagte Matz. Mainz sei besonders auch für große Ketten nach wie vor sehr attraktive, beim Leerstand liege man auf einem stabilen Niveau von 6,5 Prozent – das sei deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, der bei rund 10 Prozent liegt.
Parken aufs Haus, mehr Sauberkeit – „Insel der Glückseligen“?
„Wir haben dreistellige Bewerberzahlen für leere Ladenlokale“, betonte die Dezernentin weiter, „und es eröffnen tolle neue Geschäfte mit regionalen Produkten.“ Zugleich räumten Haase und Matz aber auch ein, dass die Baustellensituation gerade rund um die Binger Straße eine Herausforderung sei: „Das ist eine Durststrecke, die wir überstehen müssen und die wir gemeinsam überstehen wollen“, sagte Matz. Das Wirtschaftsdezernat habe nun gerade eine neue Kommunikationskampagne erarbeitet, „um klar zu machen: Mainz ist nicht abgeschottet, Mainz ist offen, Ihr könnt Mainz gut erreichen“, sagte Matz.
Neue Papierkörbe im XL-Format gibt es bereits in Mainz, nun will OB Nino Haase (parteilos, links) auch bei der Sauberkeit nachschärfen. – Foto: Stadt Mainz
Dabei will die Stadt nun endlich auch konsequenter Aktionen wie „Parken aufs Haus“ umsetzen, bei dem die Einzelhändler ihre Kunden zu kostenlosem Parken in den Parkhäusern der Stadt verhelfen können. Man habe jetzt 10.000 Parktickets erworben, die an die betroffenen Geschäfte im Umfeld der Baustellen abgeben werden sollen, kündigte Matz an. Zudem will die Stadt noch einmal beim Thema Sauberkeit nachschärfen: Eine fünfte Putzkolonne starte zum 1. Januar, der Ordnungsdienst solle künftig 24/7 für die Sorgen und Nöte der Bürger erreichbar sein.
„Es ist super, super schön zu hören, wie auf unsere Forderungen eingegangen wird“, das sei ja schon „wie Weihnachten“, schwärmte die Mainzer Citymanagerin Sandra Klima da geradezu. Handel sei Wandel, man heiße in Mainz „mindestens 20 Geschäfte pro Jahr willkommen, es gibt eine tolle Gründungskultur mit vielen inhabergeführten Geschäften“, sagte Klima weiter, das sei nicht selbstverständlich für eine Stadt. „Dass wir hier auf einer Insel der Glückseligen leben, das ist nach wie vor so“, sagte Klima.
Sebastian: „Bin tief enttäuscht von Verkehrsdezernentin“
Doch das sahen bei weitem nicht alle so: „Ich sage für den Schillerplatz: das Kind ist längst in den Brunnen gefallen, jetzt mit Marketing anzufangen, ist viel zu spät“, sagte Jan Sebastian, Inhaber des Juweliergeschäfts Willenberg und Vorsitzender des Handelsverbandes Rheinland-Pfalz. Der Schillerplatz sei attraktiv für Cafés und Gastronomie, aber nicht mehr für den Einzelhandel, „wir sind dort einfach abgehängt“, sagte Sebastian: „Wir haben die Stadt schon vor Jahren gewarnt, dass die Handelsstrukturen im Bereich Schillerplatz und Münsterplatz zerstört wird – und das ist eingetreten.“
War bei der Pressekonferenz zur Stärkung der Innenstadt nicht dabei: Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne, rechts). – Foto: gik
Den Hauptgrund sieht Sebastian bei den seit fast zehn Jahren andauernden Dauer-Baustellen in der Schillerstraße, dem Münsterplatz und zuletzt in der Binger Straße. Man habe in der Vergangenheit mehrfach versucht, den Stadtvorstand für die Probleme und die Notwendigkeit eines guten Baustellenmanagements zu sensibilisieren, betonte Sebastian. Inzwischen sei er „vom Verkehrsdezernat bitter enttäuscht: die Sensibilität ist bis heute nie dagewesen, die Verkehrsdezernentin habe ich bei Veranstaltungen nie gesehen.“
Tatsächlich glänzte auf der Pressekonferenz eine durch Abwesenheit: Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) ließ sich bei dem Termin nicht blicken. Der grünen Dezernentin wird zunehmend vorgeworfen, einen radikalen Krieg gegen Autos zu führen, sei es mit gezielter Blockade von Einfahrtstraßen oder dem massiven Vorgehen gegen parkende Autos an Seitenrädern, gerade auch an Stellen, wo dies Jahrzehnte lang niemanden gestört hatte.
Verkehrsdezernat: „keine Willkommenskultur für Individualverkehr“
„Das rheinhessische Hinterland fährt eben nicht mehr gern mit dem Auto in die Stadt“, unterstrich Sebastian, und warf Steinkrüger vor: „Das Verkehrsdezernat tut eben nichts dafür, dass eine Willkommenskultur für den Individualverkehr da ist.“ Tatsächlich waren denn auch Maßnahmen wie ein Null-Euro-Samstag in den Parkhäusern oder eine Aussicht auf besseren Verkehrsfluss kein Thema auf der Pressekonferenz. „Ich bin froh, dass wir für die künftigen Baustellen jetzt ein Konzept erarbeiten werden“, sagte Sebastian, „aber ich werde vor der nächsten Baustelle am Schillerplatz mit meinem Geschäft nicht mehr dort sein.“ Von dem positiven Gewerbesteuerwachstum „Rückschlüsse auf den innerstädtischen Handel ziehen zu können, ist schwierig“, warnte er.
Der Kinderladen Wirth schließt zum Jahresende, die Schillerstraße ist für Händler nicht mehr attraktiv. – Foto: gik
OB Haase dankte „für die offenen Darstellungen“ und betonte, die Stad habe „natürlich einen Blick auf diese Entwicklungen, wir müssen dem als Stadtvorstand gemeinsam begegnen.“ Mainz müsse sich da in der Tat verbessern, Es sei auch „traurig, dass sich an der Stelle Schillerplatz Handelsströme verändert haben, warum auch immer“, sagte der OB weiter, die Schließung des Kinderladens sei „natürlich tragisch.“
Nach einer Baustelle stünden aber ja auch Verbesserungen im Raum, in der Binger Straße werde nach Ostern 2026 die Freigabe für den Verkehrs erteilt werden können. Wiesemann zufolge soll die neue Straßenbahnstrecke in der zweiten Maihälfte in Betrieb gehen.
Dass die Stadt es aber gezielt Menschen schwerer mache, in die City zukommen, bestritt Haase: „Ich muss widersprechen, dass hier bewusst Hindernisse aufgebaut werden“, sagte Haase auf Mainz&-Nachfrage: „Wenn diese Stadt nicht erreichbar wäre, wieso haben wir dann steigende Passantenfrequenzen?“ Es gebe auch Mode- und Schuhgeschäfte, für die sei 2024 ein absolutes Rekordjahr gewesen, betonte Haase. „Es ist nicht alles positiv, das wissen wir auch“, sagte er weiter. Die Stadt habe weiter Probleme in der Großen Bleiche und an manchen Stellen mit der Sauberkeit, „aber das Gesamtbild ist ein gutes, ein positives, ein starkes“, unterstrich der OB.
Matz ergänzte, die Stadt habe nun eine „Arbeitsgruppe Bahnhofsumfeld“ gegründet, die diese Gegend noch einmal auf das Sicherheitsgefühl der Menschen hin durchleuchten solle. „Da sehen wir uns noch großen Herausforderungen gegenüber“, räumte Matz ein. Und die Stadt habe „jetzt vor wenigen Tagen erstmals ein Graffitimobil getestet“, berichtete die Ordnungsdezernentin weiter, damit soll es künftig mehr Sauberkeit für die Wände in der Stadt geben.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Problemen in der Mainzer Innenstadt für den Handel lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&. Was weitere Einzelhändler zu dem Thema sagen, lest Ihr hier.