Irgendjemand kann hier doch hexen. Denn es werden auf fast magische Weise immer weniger Menschen auf dem roten Teppich, die am Samstagmittag für „Bibi Blocksberg – das große Hexentreffen“ posieren. Es muss eine gute Hexe sein, denn wer möchte schon 31 Personen auf einem Foto haben. Wie von Zauberhand werden es immer weniger, die Fotografen atmen auf, als es zunächst noch 22 sind, dann noch 13. Zu diesem Zeitpunkt haben längst alle den Spruch des Abends alias „Hex Hex!“ mehrfach ausprobiert. Zaubern? Genau darum geht es an diesem Nachmittag im Mathäserkino, an dem Hunderte Eltern mit Kindern zur Weltpremiere des nächsten Kinofilms in der bereits 45 Jahre dauernden Geschichte von Bibi Blocksberg kommen. Um die Faszination dieser Figur und die Sehnsucht, die sie vermittelt. Und auch ein bisschen um die Frage, ob so ein Film auch für die erwachsenen Begleiter geeignet ist.
Friedrich Mücke, im Film der zauberunfähige Papa Bernhard, spricht von der Sehnsucht nach ein wenig Magie im Leben, davon, sich eine eigene Welt erschaffen zu können, „die haben wir doch alle“. Und es gehe bei aller Hexerei auch darum, dass man anders sein dürfe. Seine Rolle ist zunächst die des Beobachters, des Machtlosen. Die von Heike Makatsch wiederum ist in diesem bunten flirrenden Abenteuer so deutlich, dass es manchmal fast überzeichnet wirkt. Sie sei die „machtbesessene erzkonservative Hexe“, sagt Makatsch, „die Diversität nicht ertragen kann“. Als Hexeninternatsleiterin ist bei ihr alles in verschiedenen Grautönen gehalten, sie predigt Disziplin und entmündigt die Jungen. Die alte graue Hexe und die junge überschwängliche Bibi, das ist das Setting, zu dem auch Rosalie Thomass als Bibis Mutter Barbara gehört.
Heike Makatsch, im Film eine erzkonservative Hexe. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)
Die sagt, als man am roten Teppich bei den Einzelfotos angekommen ist: „Hexen, das ist doch auch einfach ein Bild für Kraft.“ Es gehe in diesem Film auch um Gerechtigkeit, „meine größte Sehnsucht bei der aktuellen Weltlage“. Von einer Abenteuergeschichte aufs große Ganze zu schließen, das macht nicht nur die 38-jährige Schauspielerin. Fragt man junge Besucherinnen nach ihren Hexwünschen, gibt es ähnliches zu hören. Die neunjährige Sophia zum Beispiel sagt sofort: „keinen Krieg mehr auf der Welt.“ Sind Neunjährige heute so viel weiter? Oder ist die Weltlage so viel näher auch an Neunjährigen?
Rosalie Thomass im strengen Ledermantel erklärt in einem Rutsch auch noch das Phänomen Bibi Blocksberg: „Sie ist ein Vorbild für Kinder: Streiche spielen, Klappe aufmachen, sich einen Raum nehmen“ in dieser Erwachsenenwelt. Und die Lehre an die Großen: „Zuhören, was die Kinder sagen.“
Lisa Wagner spielt die Rolle einer Chemie-Lehrerin. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)
Bis das die großen Hexen im Film machen, ist es fast zu spät. Bibi entlarvt die intrigante Internatsleiterin, die da allerdings die Oberhexen schon längst lahmgelegt hat. Am Ende müssen es mal wieder die Kinder richten, was in vielen Momenten mit schallendem Gelächter des Premierenpublikums untermalt wird, allein schon bei Bibis von Lisa Wagner gespielter Chemie-Lehrerin, der selbstverständlich gleich mal was explodiert. Der knurrend befehlende Satz „Marita, schalt den Bunsenbrenner ein“, geht als Pointe an die Eltern, die Explosion ist eine für die jungen Zuschauer. Die Eltern im Übrigen, das ergibt eine spontane Umfrage der Moderatorin vor Beginn des Films im Kinosaal, die sind in großer Zahl auch schon im Kinderalter Blocksbergianerinnen gewesen, zumindest gehen nach „Wer hat denn alles schon Bibi auf Kassette gehört“, sehr viele Hände nach oben.
Und am Ende, als Bibi alle vor dem großen Schlamassel gerettet hat, bedankt und entschuldigt sich Mama Barbara stellvertretend bei ihr, nicht auf das Kind gehört zu haben. Die Geschichte, mit routiniert gestreuten Tanz- und Sing-Elementen angereichert und zur Abwechslung angenehm männerarm, lässt dann zum großen Finale auch das Publikum sehr zufrieden applaudieren und teilweise johlen. Es folgt die wiederum sehr männerlastige Vorstellung des Filmteams und bei den Machern die große Frage, wie viele Zuschauer diese Geschichte wohl ins Kino hexen wird.