Spätestens bei der nächsten Wahl ist es wieder Thema: Dann fluten wieder tausende Plakate den Leipziger Straßenraum, oft an einzelnen Masten gleich mehrere übereinander. Manche empfinden es als Überflutung, andere als unübersehbare Erinnerung daran, dass demnächst wieder gewählt werden darf. Aber muss es so viel sein? Diesmal war es die BSW-Fraktion im Leipziger Stadtrat, die mit einem Antrag versuchte, die Plakatfluten für kommende Wahlen irgendwie einzudämmen.
„Die hohe Zahl an Wahlplakaten und die übermäßige Belegung einzelner Masten durch Mehrfachhängung von bis zu zwölf Plakaten an einem Mast mitunter durch eine einzige Partei führen zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit, insbesondere für kleinere Parteien“, formulierte die BSW-Fraktion in ihrem Antrag ihr Unbehagen an den Plakatfluten.
„Zudem wird das Stadtbild erheblich beeinträchtigt. Durch die zunehmende Zerstörung von Plakaten entstehen teilweise massive Verschmutzung im öffentlichen Raum. Im Sinne der Chancengleichheit wie auch der Müllreduktion soll einem weiteren Anstieg der Plakatierung in zukünftigen Wahlkämpfen endlich Einhalt geboten werden.“
Tobias Peter (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer
Auch das stimmt: Die letzten Wahlkämpfe waren von zunehmendem Vandalismus geprägt. Ganz offensichtlich zogen da des Nachts Leute herum, die die Plakate ihnen missliebiger Parteien und Kandidaten zu hunderten von den Masten fetzten. Und auf den ersten Blick macht der BSW-Vorschlag Sinn und klang auch die Begründung von BSW-Stadtrat Sascha Jecht eingängig.
Der Kampf um Aufmerksamkeit
Aber während das BSW noch eine junge Partei ist, können andere Parteien im Leipziger Stadtrat inzwischen von dutzenden Wahlkämpfen erzählen, von den eingesetzten Helfern und dem Kampf um Aufmerksamkeit, von überschaubaren Kandidatenzahlen zu Bundestagswahlen und hunderten Kandidierenden zu Stadtratswahlen.
Jede Wahl ist anders. Und jede Partei hat ihre eigene Sicht auf das, was im Leipziger Straßenraum gehängt werden kann oder gar muss, um die nötige Aufmerksamkeit durch die Wähler zu bekommen.
Enrico Stange (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer
Weshalb sich gleich drei Fraktionen zusammentaten, um dem BSW-Antrag einen deutlich offeneren Beschlussvorschlag entgegenzusetzen. Wofür dann neben Dr. Tobias Peter (Grüne) auch Enrico Stange (Linke) und Christina März (SPD) warben. Denn bei dem Anliegen, die Plakatfluten zu Leipziger Wahlkämpfen vielleicht doch zu reduzieren, sind sich die Fraktionen ja irgendwie einig.
Auch dass die Wahlwerbung in den Straßen nicht wirklich unwichtig geworden ist, wie CDU-Stadtrat Julian Schröder ausführte. Denn Nachwahlbefragungen ergaben, dass 90 Prozent der Wähler das Stattfinden einer Wahl vor allem durch die Plakate im Straßenraum wahrnehmen.
Julian Schröder (CDU) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer
Im gemeinsamen Antrag von Grünen, Linken und SPD geht es also eher darum, eine gemeinsame Lösung für die Plakatfluten zu finden. Denn wo die eine Partei mit 23.000 Plakaten so richtig Präsenz im Straßenraum zeigen kann, weil sie auch die nötigen Helfer zum Hängen der Plakate hat, beschränken sich andere eher auf 4.000 wie die Grünen. Kleinparteien oder gar Einzelbewerber aber können in den Dimensionen gar nicht mithalten. Ein stures Verfahren für alle zu definieren, würde dann wohl eher die Kleinen benachteiligen.
Was also tun?
Im gemeinsamen Antrag von Grünen, Linken und SPD plädieren die Fraktionen für einen Dialog, wie man gemeinsam einen Weg zur Begrenzung der Plakatfluten finden kann. Im Antrag heißt es dazu: „Beim dann offiziellen und fraktionsübergreifenden Arbeitstermin, initiiert durch die Stadtverwaltung auf Bitten der Fraktionen, am 4. September 2025 zur Änderung der Wahlwerbesatzung wurde deutlich, dass die Mehrheit der Fraktionen einer Begrenzung der Wahlwerbung grundsätzlich offen gegenübersteht, sofern rechtliche Vorgaben eingehalten und die Gleichbehandlung der Parteien gewahrt bleibt.
Eine differenzierte Plakatbegrenzung, abgestimmt auf die jeweilige Wahl und unter Berücksichtigung der Stadtgebiete, kann zur Müllvermeidung, Wiederverwendung von Materialien und Verbesserung des Stadtbildes beitragen.
Die Einführung umweltfreundlicherer und ressourcenschonenderer Wahlwerbeformen entspricht den Zielen nachhaltiger Stadtentwicklung und dem Anspruch vieler Fraktionen, das öffentliche Interesse an einer verantwortungsvollen Wahlkampfgestaltung umzusetzen. Hieran soll künftig konkret gearbeitet werden.
Der Beschluss soll den begonnenen Dialog verstetigen, die Zielsetzung einer konstruktiven und verbindlichen Lösung aller Fraktionen stärken und die Verwaltung in ihrer Moderationsrolle unterstützen.“
Zeit für einen Dialog
Dass das vielleicht der bessere Weg wäre, sah dann auch Sascha Jecht ein und übernahm den Antrag der drei Fraktionen für die BSW-Fraktion. Was nun kommen könnte, wird trotzdem ein sehr tagungsintensiver Prozess.
Denn mit 35:27 Stimmen beschloss die Ratsversammlung am 26. November: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, aufbauend auf dem ersten gemeinsamen Arbeitstermin mit den Fraktionen vom 4. September 2025, zeitnah weitere Verhandlungen zu führen. Ziel ist eine Überarbeitung der Wahlwerbesatzung, die
die Ordnung der Wahlwerbung im öffentlichen Raum zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Straßenbildes vorsieht;
eine Begrenzung der Wahlwerbung im öffentlichen Raum an den vorgesehenen Orten regelt; dabei die Erfordernisse der unterschiedlichen Wahlen differenziert berücksichtigt; eine umweltfreundlichere und ressourcenschonendere Wahlwerbung ermöglicht.
Die Stadtverwaltung nimmt mit den Fraktionen des Stadtrates umgehend weiterführende Gespräche auf, um bis spätestens Ende des ersten Quartals 2026 eine Änderungssatzung zur Wahlwerbesatzung vorzulegen.“
Christina März (SPD) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer
Was ganz bestimmt nicht einfach wird, denn schon das Abstimmungsergebnis zeigt, dass einige Fraktionen so gar kein Interesse an einer neuen Regelung haben. Für die CDU machte Florian Schröder seine Skepsis deutlich. Wobei Christina März auch einen Aspekt hervorhob, der gern vergessen wird: Die meisten Wahlen finden nicht nur zeitgleich in Leipzig statt.
Da entscheiden ganz andere Parteiebenen, was wo plakatiert wird. Und außerhalb Leipzigs wird von einigen Parteien noch viel rücksichtsloser flächendeckend plakatiert, was oft auch die Leipziger Ortsteile am Stadtrand flutet. Und gleichzeitig scheint der Vandalismus sogar Teil der Wahlkampfstrategie einiger Parteien zu sein, die die Rücksichtslosigkeit aus den „Social Media“ auch noch in den öffentlichen Raum tragen.
Die Beratungen der Fraktionen mit der Verwaltung über eine mögliche neue Wahlwerbeordnung könnten interessant werden. Erst recht, wenn man die Realität der heutigen Wahlkämpfe tatsächlich wahrnimmt und dafür Regeln findet, die die Wahlplakatierung in Leipzig in etwas übersichtlichere Bahnen lenkt.