Schelztor-Gymnasium Esslingen: Comic trifft Klassik – wie aus Erinnerung eine bessere Zukunft erwächst Itay Dvori kombiniert Graphic Novels mit klassischer Musik. Foto: Petra Weber-Obrock

Die Biografien von fünf jüdischen Frauen stehen im Mittelpunkt eines Comic-Konzerts des Pianisten Itay Dvori imEsslinger Schelztor-Gymnasium.

Die Aula des Esslinger Schelztor-Gymnasiums bot jetzt Raum für ein besonderes Konzerterlebnis. Unter dem Titel „Vor allem eins: dir selbst sei treu“ nahm der israelische Pianist und Komponist Itay Dvori das Publikum mit auf die Reise zu den Lebensgeschichten von fünf jüdischen Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dafür nutzte er die von ihm entwickelte Kunstform des Comic-Konzerts, das Graphic Novels mit klassischer Musik verbindet und ein Erlebnis für alle Sinne schafft.

Eingeladen hatte ihn der Oberstufen-Seminarkurs „#Werember: Erinnerungskultur für eine menschenwürdige Zukunft“ mit den Lehrkräften Elke Kirchner und Sebastian Walter, wobei der Kontakt durch Andrea Klöber vom Verein für jüdische Kultur zustande gekommen war. Das Konzert im Schelztor-Gymnasium war eines von zweien in Esslingen und Teil der Vortragsreihe Le Chaim des Unterstützerkreises Jüdische Kultur. Organisiert wurde der Abend durch den Förderverein des Gymnasiums.

Itay Dvori stellt in Esslingen eine besondere Form der Erinnerungskultur vor

Dvoris ganzes Herz scheint in die Musik zu strömen, als er zu Beginn das erste von Felix Mendelssohn-Bartholdys „Sechs Liedern ohne Worte, Opus 67“ anstimmt. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er seine Arbeit als Teil der Erinnerungskultur versteht. „Der Weg in die Zukunft öffnet sich nur, wenn man sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt“, erklärte er in seiner Einführung. Die Geschichten, die er mit klassischer Musik und improvisierten Klängen unterlegte, zeugten vom Durchhaltevermögen ihrer Protagonistinnen. Die Graphic Novels brachten eindrucksvoll zum Ausdruck, wie stark die Lebenswege von Emmy Noether, Channa Maron, Hannah Arendt, Regina Jonas und Mascha Kaléko von Brüchen und Verfolgung gekennzeichnet waren.

Itay Dvori Foto: Jakob Reinhardt

Die berühmte Dichterin Mascha Kaléko verschlug es mit ihrem Mann nach New York, wo sie sich schwertat, eine neue Heimat zu finden. Im Gedicht „Kein Kinderlied“ führt ihr Weg nach „Nirgendland“. Gegen den Widerstand ihres Umfelds erkämpfte sich Regina Jonas das Studium der jüdischen Theologie und wurde das erste „Fräulein Rabbiner“ in Deutschland. Ihr Leben und das ihrer Mutter endeten in Auschwitz. Emmy Noether war eine hochbegabte Mathematikerin. Obwohl sie als Begründerin der abstrakten Algebra gilt, erlangte sie in Göttingen nur eine „außerordentliche Professur“.

Schüler aus Esslingen reisen im kommenden Jahr nach Auschwitz

Dass Berühmtheit nicht vor Verfolgung schützt, zeigt das Schicksal des Kinderstars Hanna Meierzak. Hannele emigrierte in der Nazizeit mit ihren Eltern nach Israel. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde das kecke Mädchen unter dem Namen Channa Maron dort zu einer gefeierten Schauspielerin. Die streitbare Philosophin Hannah Arendt beeinflusste nachhaltig die Politik der Nachkriegszeit in Deutschland.

Die Erinnerung an die Diktatur der Nazis und ihre Auswirkungen wird im Schelztor-Gymnasium durch eine Reihe von Aktionen lebendig gehalten. Alle 33 Schülerinnen und Schüler des Kurses „We remember“, reisen im Februar nächsten Jahres nach Auschwitz und Krakau und geben ihre Eindrücke danach als Multiplikatoren an die jüngeren Klassen weiter. „Sich zu erinnern, dient der Entwicklung einer Haltung von Toleranz und gutem Miteinander in politisch aufgewühlten Zeiten“, so die Lehrerin Elke Kirchner.