Mal eben die Welt retten?Axel Milberg über Killer, Konvois und Konzerne30.11.2025, 18:59 Uhr
Sabine Oelmann
Glaubt an die Verführung und versucht, so „grün“ wie möglich zu sein: Axel Milberg. (Foto: Jim Rakete)TeilenFolgen auf:
Axel Milberg spricht mit ntv.de über einen Film von Investigativjournalist Daniel Harrich, in dem es um Grünen Stahl aus Brasilien und kriminelle Machenschaften geht, deren Spuren bis nach Deutschland reichen.
ntv.de: Sie sind ein „normal-grüner“ Schauspieler, reisen mit der Bahn, fliegen nur in Ausnahmefällen, vor allem nicht dann, wenn in Deutschland gedreht wird. Stimmt’s?
Axel Milberg: Wenn wir über „Grün“ grundsätzlich sprechen, werden alle Schauspieler, denke ich, ähnlich behutsam antworten, wie sie ihr Leben gestalten …
… natürlich vorbildlich, …
… im Rahmen des Möglichen, ja. Glaubhaft. Man sollte auf jeden Fall vorsichtig sein, vom Flughafen noch ein lustiges Abschieds-Selfie zu posten. Dazu kommt ja, dass sich stündlich etwas ändert. Was man darf, was man sollte, was man auf keinen Fall sollte, das ist mühsam. Aber zum Glück sind diese Themen, die Ergebnisse der Wissenschaft, längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es wird heftig gerungen: Ist Bio aus dem Bioladen gleichauf mit Bio vom Supermarkt, ist das Ei für 68 Cent Demeter-Standard? Kann es das sein in der Masse? Immer ist alles verfügbar, wie geht das? Dazu: wem glaube ich? Schlagzeilen und Instagram-Weisheiten eher nicht. E-Automobilität wird wohl am Ende auch nicht die Zukunft sein.
Nach Ansicht vieler wahrscheinlich schon, nach Ansicht anderer nicht.
Aber brauchen wir dafür nicht ohne Ende Lithium, ebenso in den Iphones und Solaranlagen? Ich bin dennoch kein Fachmann, wie gesagt, es ist für niemanden einfach.
Was haben die Grünen falsch gemacht?
Die unglaublich schwierige Aufgabe ist, die notwendigen Veränderungen für die ökologischen Ziele gegenüber Einzelnen, Konzernen und Staaten so zu kommunizieren, dass Sie Einverständnis erzielen und die Lust wecken, ein Teil dieser weltweiten Bewegung zu sein. Man hat alles versucht: Die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Messungen inklusive dramatischer Entwicklungen zu teilen, zu schmeicheln, zu verpacken, abzuholen, schließlich zu drohen. Ich bin ratlos. Was bleibt, ist dennoch eine große Anzahl von Menschen, die sich engagieren. Auch Konzerne. Man ist dabei, die grüne Bewegung neu auszurüsten mit einer anderen angemessenen Sprache, mit Verführung, mit Einladungen, diese Dinge neu zu bewerten und Lust darauf zu haben, die Welt und unser Leben zu verbessern.
Apropos Welt verbessern – wir sprechen über „Verschollen“, einen Film, in dem es um Grünen Stahl geht.
Ja, sehr gern. Mit Regisseur Daniel Harrich und ich haben bereits in vier oder fünf Filmen zusammengearbeitet, es ging ihm um Themen wie Seltene Erden, illegale Waffenexporte, Wasser, das Oktoberfestattentat, in dem Fall die berechtigten Zweifel an der Alleintätertheorie. Er macht alle diese Filme, um konkrete politische Veränderungen anzustoßen. Es kommt zu Anklagen, Gesetzesänderungen, Imageschäden für Großkonzerne. Daniel ist ein investigativer Journalist, kommt vom Dokumentarfilm. Es geht in unserem gemeinsamen Film um Grünen Stahl – in Brasilien hergestellt, in alle Welt exportiert – und er stieß bei seinen Recherchen auf diese Geschichte aus Brasilien. Er dachte sofort, das ist eine unerzählte Geschichte, eine Filmhandlung. Die Bedrohung der indigenen Bevölkerung im Cerrado-Urwald, der neben dem berühmten Amazonas- Regenwald noch unerforscht ist, fruchtbar, grandiose Artenvielfalt, Wasserreserven, Lebensraum der indigenen Bevölkerung. Nun plötzlich das brutale Abholzen, Anpflanzung von geklonten Monokulturen von Eukalyptusbäumen, die nach schnellem Wachstum verbrannt werden.
Um? Das klingt unnatürlich.
Um die daraus gewonnene Holzkohle dafür zu benutzen, Eisenerz zu Stahl zu schmelzen und dann als Grünen Stahl – als Stahl-Pallets – nach Nordamerika, Europa und so weiter zu verkaufen. Ein Milliardengeschäft. Auch der Zertifizierungshandel als angeblicher Klima-Ausgleich – da bleiben gewaltige Schäden zurück.
Sie sind nach Brasilien zum Drehen gereist, eine nicht ganz ungefährliche Angelegenheit, wie man hört …
Genau. Ich spiele einen Ingenieur aus dem Schwarzwald, Klemens Stadler, suche meinen verschollenen Sohn, der dort ein Projekt finanziert von der Weltbank durchführt, in dem es darum geht, was mehr Co2 in der Erde bindet: Der Cerrado-Urwald, oder der Eukalyptus. Es geht auch um die Versteppung und Verödung der Erde, und um die Ermordung und Vertreibung der Indigenen, die dort leben und denen zum Teil Landräuber mit gefälschten Urkunden die großen Waldflächen streitig machen.
Die mit Ihnen auch gedreht haben?
Ja, die indigenen Familien. Ich kann sie nicht Statisten nennen, denn gewissermaßen waren wir das in ihrer Welt, die ihre Geschichte erzählen. Immerhin konnten sie dort an den gemeinsamen Drehtagen das feiern, was ihnen in der Wirklichkeit nicht möglich ist – nämlich den Feind zu besiegen.
Ihr Team wurde auch als Feind betrachtet …
Wir fuhren immer im Konvoi, davon hatten immerhin einige Wagen das Aussehen eins Polizeifahrzeuges, wir hatten Dolmetscher dabei, und es gab einen Motorradfahrer, der um uns herumschwirrte und letztendlich als Killer identifiziert wurde; er trug ein T-Shirt mit einem Bild von John Lennon. Ich habe mit ihm gesprochen, er weinte, er wollte wohl eigentlich Schauspieler werden, hatte aber eine Pistole am Gürtel und hat am Telefon darüber gesprochen, wie man unsere Leichen am besten – in Brennöfen – entsorgen könnte. Wir brachen dann am nächsten Morgen um 4.30 auf und fuhren weiter zum nächsten Drehort, fünf Fahrstunden entfernt.
Wie unsicher fühlt man sich da?
Wir haben diesen gewissen Schutz, als Europäer, als Weiße, als Gruppe, als Menschen, die in ihre andere Welt zurückkehren werden, durch Politik und Öffentlichkeit geschützt. Immerhin – man wollte tatsächlich vorher mit uns „reden“ hieß es, und sie benutzten ihren „Chefe“, einen weißen 1,98 Meter Hünen, der sowohl vom Polizeichef, vom Hotelbesitzer als auch vom Bürgermeister als Scheffe tituliert wurde, als Botschafter. Ein Mann, der unmissverständlich klar machte, was Sache ist. Der Menschen, in dem Fall Indigene, mit gefälschten Papieren von ihrem Land vertreibt, der sie zunächst warnt, aber dann Gewalt anwendet.
Zurück zum Grünen Stahl, von dem man als Zertifikatbesitzer ja denkt, dass alles seine Ordnung hat.
Das Schlimme ist, dieser Grüne Stahl soll auch unbedingt verbaut werden, ob in Hamburg, Stuttgart oder Berlin. Der Zertifizierungshandel – der passiert im Namen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit, ein Unding. Das zeigen wir in unserem Film, die Spuren führen auch nach Deutschland. Die Weltbank investiert Millionen, und die weiß natürlich nicht im Einzelnen, was mit ihren Projekten auf der Welt genau geschieht.
Wieviel Hoffnung haben Sie für unsere Welt, für unsere Kinder?
Es ist die Energie und der Mut Einzelner, was Anlass für Hoffnung gibt. Sehen Sie, Daniel Harrich zeigt ja, wieviel man mit einem kleinen Team erreichen kann. Er sucht außerhalb seines Senders und der Mediathek aktiv den Kontakt zu Podcastern, Influencern und Schulklassen. Ich wäre glücklich, wenn ich wüsste, dass massive Anstrengungen in den Schulen unternommen würden, den Unterschied zwischen Fakten und Lügen zu erklären. Dass Schüler das erkennen können! Dass Plattformen KI kenntlich machen, dass Double-Checks Standard sind. Dass nur gesicherte Wahrheiten rausgehen. Dass Meinungen etwas anderes sind als Tatsachen.
Medien und Privatmenschen tragen eine große Verantwortung.
Für uns selbst, ja! Aber das kann auch Spaß machen!
Mit Axel Milberg sprach Sabine Oelmann im Rahmen der Green Actors Lounge, einer Veranstaltung, die für nachhaltigen Wandel in der Film- und Medienwelt steht.