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Wer als Bürgergeld-Empfänger bei der Gasrechnung Schulden anhäuft, kann in Ausnahmefällen auf ein Darlehen vom Jobcenter hoffen. Das zeigen Gerichtsurteile.
Kassel – In den kalten Wintermonaten will niemand Zuhause frieren, so viel ist klar. Allerdings können Menschen in finanzielle Notsituationen geraten, in der Energiekosten – wie etwa anfallende Gasrechnungen – nicht mehr wie gewohnt bezahlt werden können. Und das betriff hierzulande nicht wenige: Rund 4,2 Millionen Haushalte in Deutschland waren 2024 laut Statistischem Bundesamt (Destatis) bei Energieversorgern in Zahlungsverzug. Droht einem Empfänger von Sozialleistungen wegen nicht beglichener Forderungen eine Gassperre, muss er jedoch nicht zwangsläufig ein unterkühltes Zuhause in Kauf nehmen.
Fotomontage aus Logo der Agentur für Arbeit und einer Gasrechnung © picture alliance/dpa | Sven Hoppe und picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod
Unter Umständen kann das Jobcenter betreffende Sozialleistungsempfänger unterstützen, die offenen Gasrechnungen zu begleichen. Doch welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein und in welcher Form ist eine Unterstützung durch das Jobcenter möglich?
Jobcenter muss Bürgergeld-Familie nach Sozialgericht-Urteil ein Darlehen zur Tilgung von Gasschulden gewähren
In der Vergangenheit gab es bereits juristische Verfahren, im Zuge derer Sozialgerichte entschieden, das Jobcenter müsse Sozialleistungsempfängern bei der Zahlung entstandener Gasschulden helfen. So etwa in einem Fall, der dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vorlag, wie das Onlineportal gegen-hartz.de jüngst berichtete. Dabei ging es um Gasschulden in Höhe von 12.888,90 Euro, die eine Familie beim Versorger GASAG angehäuft hatte. Bei den Familienangehörigen handelte es sich um Bürgergeld-Empfänger mit minderjährigen Kindern.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschied, das zuständige Jobcenter des Klägers müsse dem Leistungsempfänger bei der Tilgung der entstandenen Gasschulden von knapp 13.000 Euro helfen. Und zwar, indem es dem Leistungsempfänger ein Darlehen in Höhe des Forderungsbetrags gewährt und die bei der GASAG AG entstandenen Schulden unmittelbar begleicht. Als Rechtsgrundlage diente dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Paragraf 22. Abs. 9 Satz 1 des zweiten Sozialgesetzbuchs.
Leistungsentzug, Geldgeschenk, Umzug – was Bürgergeld-Empfängern erlaubt ist und wo Urteile Grenzen setzen
Fotostrecke ansehenMinderjährige Kinder der Bürgergeld-Bezieher waren vor dem Sozialgericht mit ausschlaggebend
Auf dessen Basis waren die Vertreter des Landessozialgerichts dazu angehalten, die negativen Folgen der drohenden Gassperre für die Familie genauer zu prüfen: unter ihnen solche finanzieller, sozialer oder gesundheitlicher Art. Vor jenem Hintergrund kam der Senat des Soziallandesgerichts Berlin-Brandenburg zu dem Schluss, dass eine Gassperre einem Verlust der Wohnung gleichkommt. Eine im Winter ausreichend geheizte Wohnung trage im Fall der betreffenden Bürgergeld-Familie zur Gewährleistung ihrer menschenwürdigen Existenz bei, so wolle es das Verfassungsrecht. Überragende Stellung sei jenem Umstand zugekommen, weil sich minderjährige Kinder im Haushalt befänden.
Zwar sei es dem Portal gegen-hartz.de zufolge juristisch vorstellbar, dass mitunter erwachsende Sozialleistungsberechtigte in Ausnahmefällen auf die übergangsweise Nutzung einer Notunterkunft – wie etwa einer unbeheizten Wohnung – verwiesen werden können, nicht aber minderjährige Kinder bei Fehlverhalten der Eltern. Anders könne es hingegen aussehen, sollten Miet- oder Energierückstände willentlich herbeigeführt werden – etwa, wenn trotz entsprechender Unterstützung Forderungen der Energieversorger offen blieben und kein Selbsthilfewille des Leistungsempfängers zu erkennen ist.
Einen vergleichbaren juristischen Fall hatte es mitunter im Mai 2013 in Nordrhein-Westfalen gegeben: Damals entschied das dortige Landessozialgericht (LSG NRW), das Jobcenter Münster müsse einem Bezieher von Sozialleistungen ein Darlehen zur Tilgung seiner Strom- und Gasschulden gewähren: sie umfassten knapp 3000 Euro (Beschluss vom 13.05.2013, Az.: L 2 AS 313/13 B ER).
Wer als Bürgergeld-Empfänger mit Energierechnungen im Rückstand ist, kann einen Antrag auf Energieschulden-Begleichung stellen
Wer als Empfänger von Sozialleistungen mit Energierechnungen in Zahlungsrückstand gerät, muss es aber natürlich nicht bis zu einem Verfahren vor dem Sozialgericht kommen lassen. In gewissen Fällen ist eine Energieschulden-Begleichung in Form eines Darlehens durch das Jobcenter möglich, und zwar per vorangegangenem Antrag. Dafür werden jedoch einige Unterlagen nötig: Neben einer schriftlichen Begründung der Umstände sind das laut dem Hanse-Jobcenter Rostock mitunter folgende:
- eine schriftliche Entscheidung Ihres Versorgers über die Ratenzahlung
- ein Kontoauszug, auf dem die Schuldenhöhe ersichtlich wird
- Kontoauszüge von Rechnungen und Jahresendabrechnungen
- Nachweise, wann die Schulden entstanden sind (vor oder während des Leistungsbezuges nach dem SGB II)
Die für den Antrag nötigen Unterlagen umfassen jedoch noch eine Reihe weiterer Dokumente. Einsehen lassen sie sich auf der Website der Bundesagentur für Arbeit. (Quellen: Statistisches Bundesamt, gegen-hartz.de, LSG Nordrhein-Westfalen, Bundesagentur für Arbeit) (fh)