Anfang Dezember 2010. Ein nasskalter Abend, ein Tresen, zwei Biere. Mein Kollege und guter Freund Harald Hohberg und ich saßen zusammen und sezierten die vor wenigen Tagen gescheiterte schwarz-grüne Koalition in Hamburg, sowie das damit auch absehbare Ende der geplanten Straßenbahn.
Der Bau war damals heftig umstritten, die Verantwortlichen sprachlos. Eine kleine, laute Gruppe füllte das Vakuum mit Emotionen, und die großen Medien in der Stadt befeuerten die Entwicklung durch verkürzte Berichterstattung – überwiegend aus der „Windschutzscheiben-Perspektive“. Fakten spielten in der Debatte zuletzt kaum noch eine Rolle.
Wir waren uns einig: Es fehlte eine Plattform, die solche öffentlichen Diskurse mit unabhängig recherchierten Fakten versachlicht. Eine Stimme, die Hintergründe und Zusammenhänge so erklärt, dass man sich mit wenig Aufwand selbst eine fundierte Meinung bilden kann. Ein Ort, der sich Zeit nimmt und in die Tiefe geht, während anderswo verkürzt und an der Oberfläche geblieben wird.
„Eigentlich“, sagte ich zu Harald, „bräuchte diese Stadt für Mobilitätsthemen ein Medium, das Emotionalität rausnimmt und Fakten reinbringt. Damit die Leute souveräner mitdiskutieren können.“
„Dann machen wir es eben selbst“
Wir sahen beide das Potenzial. Und weil wir Journalisten waren, juckte es uns in den Fingern. Noch am selben Abend beschlossen wir: Wir schaffen dieses Medium einfach selbst. NAHVERKEHR HAMBURG war geboren. Innerhalb weniger Tage ging die Website mit einem ersten kurzen Artikel online. Unser Fokus lag zunächst auf HVV-Themen.
Schon damals war uns wichtig, vor allem Themen aufzugreifen, die in den Hamburger Massenmedien nur eine Nebenrolle spielten oder gar nicht vorkamen. Gleichzeitig wollten wir aber auch kein Fachmagazin sein, sondern die oft komplizierten Hintergründe und Zusammenhänge so einfach erklären, dass sie jeder ohne Vorwissen versteht.
Ich führte fortan ein Doppelleben: Frühmorgens ab 4:30 Uhr recherchierte ich Fahrplanänderungen, wälzte Senatsdrucksachen und schrieb Artikel für NAHVERKEHR HAMBURG. Um 9 Uhr fuhr ich dann zu meinem Hauptberuf als Redakteur und Moderator beim NDR. Abends folgten dann meist noch zwei bis drei weitere Stunden für die neue Plattform. Die Wochenenden sahen ähnlich aus. Freizeit? Wenig. Das Gefühl, etwas Relevantes aufzubauen? Unbezahlbar.
Wir hatten offenbar einen Nerv getroffen. Die Zugriffszahlen gingen durch die Decke. Das Bedürfnis nach unabhängigem und verlässlichem Mobilitätsjournalismus war riesig. Neben interessierten Privatleuten lasen auch immer mehr Verantwortliche aus Politik und Verkehrsbranche bei uns mit. Erste Recherchen wurden von großen Medien aufgegriffen.
Wir öffneten uns weiteren Themen: Rad- und Fußverkehr kamen hinzu, später Sharingdienste und Autoverkehr.
In der Corona-Pandemie stand das Portal vor dem Aus
Doch das Arbeitspensum zehrte. Hauptberuflich arbeitete ich inzwischen bei der Tagesschau, und NAHVERKEHR HAMBURG war mittlerweile so groß geworden, dass es als Hobbyprojekt nicht mehr in der gewohnten Qualität zu stemmen war. Mitten in der Corona-Pandemie stand ich daher vor der Frage: aufgeben oder professionalisieren?
Ich entschied mich für Letzteres. Doch eine professionelle Redaktion mit guten Fachautorinnen und -autoren kostet Geld. NAHVERKEHR HAMBURG brachte als bisher kostenloses Onlinemagazin aber nichts ein.
Es folgte ein mutiger Schritt: Alle Artikel wanderten hinter eine Bezahlschranke. Der Deal mit unseren Leserinnen und Lesern: Wer unsere Recherchen lesen will, die es so nirgendwo sonst gibt, ermöglicht durch seinen Beitrag deren Produktion.
Das hat funktioniert und wir konnten ein Team aus fünf Autorinnen und Autoren, einem Grafiker und einem Webmaster in einer professionellen Redaktionsstruktur aufbauen. Kleine Besonderheit am Rande: Wir arbeiten alle dezentral aus dem Homeoffice. Redaktionsräume gibt es nicht. Bis heute hat sich unser Team noch nie vollständig „in Wirklichkeit“ gesehen.
Heute sind wir so schlagkräftig wie noch nie, haben mit jährlich über einer Million Pageviews, 1.000 zahlenden Mitgliedern, 4.000 Newsletter-Abonnenten und rund 20.000 Social-Media-Followern im Hamburger Medienmarkt einen festen Platz.

So stark wie nie – dank unserer Mitglieder
Dass wir das heute so professionell machen können, verdanken wir allein unseren Leserinnen und Lesern.
Dank unserer Mitglieder können wir fast ausschließlich investigativ arbeiten und uns viel Zeit für Tiefgang und Einordnung nehmen. Wir stellen Fragen, die sonst keiner stellt. Wir sind hartnäckig, graben uns stunden- und manchmal tagelang durch riesige Datenbanken, Archive und Planfeststellungsunterlagen, finden Muster, Zusammenhänge und versteckten Sprengstoff. Im Grunde geht unsere Arbeit dort los, wo andere Medien aufhören.
Zu unserer DNA gehört dabei seit 15 Jahren ein kritisch-konstruktiver Ansatz. Wir sind große Fans von Mobilität. Wir wollen, dass sie besser wird. Und genau deswegen kritisieren wir sie. Wir legen den Finger in die Wunde und zeigen Lösungsmöglichkeiten auf, um Verbesserungen anzustoßen. Dazu schauen wir beispielsweise immer wieder in andere Metropolen, um zu zeigen, wie ähnliche Probleme dort gelöst werden. Und wir werfen gern Blicke in die Hamburger Verkehrsgeschichte, denn manchmal lassen sich die Verkehrsprobleme im Hier und Heute fundierter diskutieren, wenn man weiß, wie sie überhaupt zustande gekommen sind.
Brücke zwischen zwei Welten
Besonders macht uns, dass wir nicht nur von Menschen gelesen werden, die Hamburgs Verkehr nutzen, sondern auch managen. Wir verstehen uns daher als Brücke. Als Vermittler zwischen Fahrgästen und Verkehrsbranche.
Viele unserer Recherchen beginnen nicht in der Redaktion, sondern bei unseren Leserinnen und Lesern. Wir bekommen täglich E-Mails, Fotos und Hinweise aus U- und S-Bahnen, Bussen oder von Radwegen. Menschen, die fragen: „Warum ist das so?“ Oder: „Könnt ihr mal nachhaken?“ Wir nehmen jede Nachricht ernst und gehen jedem Hinweis nach. NAHVERKEHR HAMBURG ist nicht nur eine Plattform für unsere Leser – es ist auch eine Plattform von ihnen.
Und wir wirken: Mal sind es Schlaglöcher, die nach unseren Berichten verschwinden. Mal sind es optimierte Fahrgastinfos oder Ampelschaltungen. Und so manche Diskussion in politischen Ausschüssen wird durch unsere Berichte angestoßen.
Unsere Mitglieder finanzieren also nicht nur unseren Journalismus, sondern helfen aktiv dabei, Mobilität in Hamburg zu verbessern.
Was uns in den nächsten 15 Jahren erwartet
Hamburgs Mobilität wird sich in den nächsten Jahrzehnten stark verändern: Neue Bahnstrecken, disruptive Innovationen, autonomes Fahren, neue Player und Künstliche Intelligenz. Aber auch: Zunehmende Bevölkerungsdichte, veränderte Bedürfnisse, verstärkter Druck durch Klimaziele, Engpässe und knappere finanzielle Mittel. Die nächsten 15 Jahre werden noch spannender – und unübersichtlicher.
Genau in dieser Unübersichtlichkeit wird unabhängiger Journalismus, der einordnet, noch wichtiger. In einer Zeit, in der KI massenhaft Inhalte produziert und PR immer lauter wird, braucht es Medien, die recherchieren, nachfragen und Informationen ans Licht holen, die sonst verborgen blieben.
Wir glauben fest daran, dass menschengemachter Investigativjournalismus vor einer großen Zukunft steht. Exklusive Hintergrundinformationen bei den Verantwortlichen erfragen und fundiert einordnen – das kann keine KI.
Wir freuen uns auf die nächsten spannenden 15 Jahre gemeinsam mit Ihnen!
Mein Kollege Harald kann dieses Jubiläum leider nicht mehr mitfeiern. Er starb vor einigen Jahren nach schwerer Krankheit. Sein Geist und journalistischer Anspruch leben aber bis heute in jedem einzelnen NAHVERKEHR HAMBURG-Artikel weiter.
Auf dich, Harald. Auf Sie, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer.
Herzlichst
Ihr Christian Hinkelmann
PS: Danke auch an unsere ehemaligen Redaktionsmitglieder Martina Kalweit, Florian Büh, Richard Lemloh, Lars Hansen, Sabine Sommer und Christian Ohrens.
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