Die Aidshilfe Halle feiert ihr 35-jähriges Bestehen – und blickt damit auf eine Zeit zurück, die geprägt war von Angst, Unwissen, medizinischen Durchbrüchen und gesellschaftlichen Veränderungen. Zum Welt-AIDS-Tag zeigt sich: Die Arbeit der Beratungsstelle ist heute so wichtig wie 1990, als sie gegründet wurde.
Von der Notinitiative zur umfassenden Beratungsstelle
Als die Aidshilfe 1990 in Halle entstand, war das Wissen über HIV noch gering. Eine Infektion galt in Teilen der Bevölkerung als Todesurteil, Betroffene wurden häufig ausgegrenzt. Heute beschreibt Geschäftsführer Martin Thiele die Anfangsjahre als „intensiv, emotional und oft von existenziellen Sorgen geprägt“. Beratung bedeutete damals vor allem Krisenbewältigung, Begleitung in medizinischen Ausnahmesituationen und Schutzräume zu schaffen.
In 35 Jahren hat sich die Einrichtung zu einer modernen Agentur für sexuelle Gesundheit entwickelt. Die Beratungsstelle am Riebeckplatz bietet anonyme Schnelltests für HIV, Syphilis und Hepatitis C an. Seit diesem Jahr wurde das Angebot erweitert: Auch Tests auf Hepatitis A, Gonorrhoe und Chlamydien sind nun möglich. Die neuen Tests kosten 15 Euro, die bisherigen bleiben kostenfrei. Testergebnisse liegen sofort vor – ein entscheidender Punkt, um Spätdiagnosen zu verhindern.
Zusätzlich hat die Aidshilfe eine sogenannte lebensweltorientierte Sexualberatung eingeführt. Das Erstgespräch kostet 30 Euro, Folgetermine 60 Euro. „Sexuelle Gesundheit ist ein Menschenrecht“, sagt Thiele. „Es geht um Wissen, Selbstbestimmung und darum, sexualisierte Scham abzubauen.“
Steigende Neuinfektionen – auch ein Thema in Sachsen-Anhalt
Trotz vieler Fortschritte in der sexuellen Aufklärung meldet das Robert Koch-Institut (RKI) eine Entwicklung, die Expertinnen und Experten zunehmend Sorgen bereitet: Erstmals seit Jahren steigen die HIV-Neuinfektionen bundesweit wieder an. Deutschlandweit infizierten sich 2024 nach Schätzungen rund 2.300 Menschen neu – etwa 200 mehr als im Vorjahr.
Ebenfalls alarmierend: Rund 8.200 Menschen leben in Deutschland mit HIV, ohne es zu wissen. Jede dritte Diagnose erfolgt erst spät – oft erst, wenn das Immunsystem bereits stark geschädigt ist.
HIV vs. AIDS – der Unterschied
HIV (Humanes Immundefizienz-Virus):
Das Virus greift das Immunsystem an und schwächt die Abwehrkräfte. Eine Infektion kann lange unbemerkt bleiben. Mit moderner Therapie können Menschen mit HIV heute ein weitgehend normales Leben führen.
AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome / Erworbenes Immundefektsyndrom):
AIDS ist das Endstadium einer unbehandelten HIV-Infektion. Das Immunsystem ist stark geschädigt, wodurch schwere Infektionen und Krankheiten auftreten können.
Wichtig: Wer frühzeitig behandelt wird, kann das Fortschreiten von HIV zu AIDS verhindern. Regelmäßige Tests und Zugang zu Therapie sind entscheidend
Auch Sachsen-Anhalt ist betroffen. Laut RKI lebten Ende 2023 etwa 770 Menschen im Land mit einer bekannten HIV-Infektion. Für 2024 werden rund 85 Neuinfektionen geschätzt. Die Aidshilfen im Land berichten seit längerem über einen spürbaren Anstieg der Spätdiagnosen.
„Die Diagnose hat mein Leben verändert“ – Ein Betroffener erzählt
Wie wichtig frühzeitige Beratung ist, zeigt auch der Weg von Denis Leutloff. Er ist stellvertretender Leiter der Aidshilfe Halle – und lebt selbst mit HIV. Seine Diagnose veränderte sein Leben grundlegend. Er gab seinen ursprünglichen Beruf auf und arbeitet heute daran, anderen Betroffenen einen niedrigschwelligen Zugang zu Beratung und Therapie zu ermöglichen.
Mit moderner Therapie kann man ein weitgehend normales Leben führen
Denis Leutloff, stellvertretender Leiter der Aidshilfe Halle
„Die medizinische Versorgung ist heute hervorragend. Mit moderner Therapie kann man ein weitgehend normales Leben führen“, sagt Leutloff. Doch trotz guter Medikamente bleibe Diskriminierung eine tägliche Realität. Viele Menschen trauten sich aus Angst vor Stigmatisierung nicht zum Test – mit oft fatalen Folgen.
Mehr Unterstützung – und mehr Bedarf
Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt die Arbeit der Aidshilfe seit vielen Jahren. Für die Jahre 2025 und 2026 stehen für die Aidshilfe-Vereine im Land insgesamt über eine Million Euro zur Verfügung. Die Mittel helfen, Beratung zu sichern, Testangebote auszubauen und Prävention auch im ländlichen Raum zu gewährleisten, in dem Versorgungslücken besonders schnell sichtbar werden.