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Am Wochenende protestierten am Rande einer AfD-Versammlung in Gießen Zehntausende Teilnehmer. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Das Foto eines am Boden liegenden Polizeipferds ging daraufhin viral.
„Ein Polizeipferd wurde beim Einsatz in #Gießen schwer verletzt. Die Antifa muss verboten und bekämpft werden“, „Die Linksradikalen töten Polizeipferd!“, „Das ist das Ergebnis linksextremistischer Gewalt“: Mit diesen Sätzen verbreiteten mehrere AfD-Politiker am Wochenende das Foto eines am Boden liegenden Polizeipferds im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation in Gießen. Der Tenor: Das Tier wurde von den Demonstranten verletzt oder gar getötet. Doch das ist falsch.
Wie die Bundespolizei Hessen bereits am Samstag mitteilte, ist das Pferd der Reiterstaffel bei dem Einsatz in Gießen „ohne Fremdeinwirkung gestürzt“. Weiter heißt es: „Sowohl Reiterin als auch Dienstpferd sind nicht verletzt. Wir bitten darum, die Verbreitung von Falschinformationen zu unterlassen.“
Das Pferd stürzte demnach eine Böschung hinab, wie die Nachrichtenagentur dpa schreibt. Wie eine Aufnahme auf Google Street View zeigt, war der Maschendrahtzaun, hinter dem das Pferd liegt, schon vor drei Jahren zur Seite gekippt.
Auch Medien verbreiten Falschbehauptung
Doch nicht nur in den sozialen Netzwerken wurde fälschlicherweise behauptet, dass sich das Polizeipferd bei dem Einsatz schwer verletzt habe. Auch Medien wie die Bild-Zeitung verbreiteten die Behauptung. So schrieb die Bild-Zeitung in einem Liveblog über die Demonstration: „Bei den Protesten stürzte gegen 11:15 Uhr ein Pferd der Bundespolizei eine Böschung am Bahnhof Gießen hinab. Das Tier verletzte sich dabei schwer.“ In dem Beitrag ist ebenfalls das Foto von dem am Boden liegenden Pferd zu sehen. Es ist dasselbe, das auch in den sozialen Netzwerken kursiert.
Auch die Nachrichtenagentur dpa hatte berichtet, dass sich ein Dienstpferd verletzt habe, dem Reiter aber nichts passiert sei. In einer inzwischen veröffentlichten Korrektur heißt es: „Richtig ist, dass Pferd und Reiterin unverletzt sind.“
Foto wird für Stimmungsmache genutzt
Das Foto des am Boden liegenden Polizeipferds wurde in den sozialen Netzwerken genutzt, um die Demonstranten zu diskreditieren. So schrieb die ehemalige AfD-Abgeordnete Joana Cotar beispielsweise auf X: „Zu diesen Taten hat auch die LINKE im Bundestag aufgerufen. Vielleicht sollte man hier über ein Verbotsverfahren reden.“
Der österreichische verschwörungsideologische Sender „AUF1“ schrieb in der Überschrift: „Pferde töten gegen Rechts!?“ Im Text heißt es dann: „Neben mehreren verletzten Beamten gab es ein Opfer, das besonders ins Herz trifft: Ein Polizeipferd stürzte einen Hang hinunter und blieb reglos liegen.“
In den sozialen Netzwerken wurde teilweise behauptet, dass das Pferd eingeschläfert werden musste. Das rechtsextreme „Compact“-Magazin schrieb auf X: „Antifa-Anhänger stoßen Pferd die Böschung runter! Vom Hass getrieben, greifen die Linksextremisten in Gießen alles an, was ihnen in den Weg kommt. Selbst ein armes Pferd fiel der Antifa zum Opfer.“ Andere Nutzer bestätigten den Tod des Pferds. Sharepics verbreiteten sich, auf denen dem angeblich verstorbenen Pferd gedacht wird: „Ruhe in Frieden!“, heißt es darin etwa.
Auch KI-generierte Inhalte finden sich unter den Falschbehauptungen. So wird ein Bild geteilt, dass zeigen soll, wie die Demonstrierenden das Pferd essen. In der Beschreibung zum Bild heißt es: „tatsächlich veranstalten die antifas gerade ein richtiges festmahl mit dem zuvor ermordeten pferd…“
Falsche Informationen zum Unfallhergang
Ein Account scheint der Aussage der Polizei, dass das Pferd wohlauf sei, nicht zu glauben und verbreitet ein Video, das zeigen soll, wie das Pferd nach dem Unfall wieder aufsteht. Nachdem das Pferd aufsteht, sagt eine Stimme: „Keine Sorge, mir geht es gut.“ Das Video ist offensichtlich KI-generiert.
In einem vermeintlichen Newsticker werden falsche Details zum Unfallhergang genannt: „Nach einem Steinwurf scheute es, stürzte eine Böschung hinunter und erlitt schwere Frakturen sowie innere Verletzungen. Obwohl das Tier in eine Tierklinik gebracht wurde, wird es voraussichtlich nicht gerettet werden können.“ Versehen ist der Post mit dem Hashtag #AntifaPferdemörder.
Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten
Bei den Protesten gegen die AfD-Veranstaltung war es zu vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Demonstranten gekommen. Laut Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) wurden mehr als 50 Polizisten verletzt. Darunter seien keine schweren Verletzungen gewesen.
Das Bündnis „Widersetzen“ beklagte wiederum eine teils „massive Polizeigewalt“ und verletzte Demonstranten. Es habe Einsätze von Schlagstöcken, Wasserwerfern und Pfefferspray gegeben.

