Unter der Leitung von Ludwig Böhme, Claudia Jennings, Kilian Stein und Mattis Jensen präsentierten alle Ensembles des Windsbacher Campus ein facettenreiches Programm – von Arvo Pärt über Bach und Mendelssohn bis zu zeitgenössischen Kompositionen.

Die Windsbacher Knaben und die St. Lorenzkirche in Nürnberg — das ist eine Verbindung mit Geschichte, Architektur und fest verwurzelter musikalischer Tradition. Seit 1955 ist St. Lorenz offiziell die „Hauskirche“ der Windsbacher: In jenem Jahr lud der Chorgründer Hans Thamm die erste „Lorenzer Motette“ ein — und legte damit den Grundstein für eine seither ununterbrochene Reihe.

Und so war es kein Wunder, dass die 555. Lorenzer Motette an jenem kühlen Voradventsabend die Kirche bis auf den letzten Platz füllte. Menschen drängten sich in den Seitenkapellen, Kinder auf elterlichen Schoß, viele Gäste mit noch frischen Eindrücken vom Christkindlesmarkt, der nur anderthalb Stunden zuvor eröffnet worden war.

Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein griff diesen Kontrast in ihrer Andacht auf. Sie stellte sich vor, wie Jesus inmitten des Gedränges eines Weihnachtsmarkts zur Welt käme – nicht abgeschieden im Stall, sondern mitten im Lichtermeer, zwischen Glühweinduft und Menschenströmen. Ein Gedanke, der näher ist, als man zunächst meint: Gott im Lärm, Gott im Alltag, Gott im Gewühl.

Ein sphärischer Beginn

Von der Orgelempore herab, aus den Schatten über den Köpfen der Besucher, hob der Abend an – mit Arvo Pärts (geb. 1935) „De profundis“. Nichts hätte passender sein können. Die tiefen, archaisch wirkenden Rufe des Psalms „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir“ fielen wie Tropfen in ein dunkles Becken. Lorenzkantor Michael Riedel an der Orgel ließ die Töne nicht begleiten, sondern umflorten. Zwischen diesen klanglichen Nebelschichten traten die Knaben – angeführt von Chorleiter Ludwig Böhme – langsam die Treppe hinab, Schritt für Schritt, bis sie im Chorraum zusammenströmten und ihre Stimmen wie wandernde Lichter durch das Kirchenschiff trugen.

Es war ein Moment, der sich beinahe körperlich im Raum ausbreitete. Die Echo-Effekte der Stimmen, die aus den Gewölben herabfielen, ließen die Kirche zu einem atmenden Resonanzkörper werden. Wer den Gesang der Windsbacher aus der Laser-Ton-Installation „Sinnfonie“ im warmen Thermalwasser der Frankentherme Bad Windsheim kennt, dem wurde es trotz der kalten Temperaturen in St. Lorenz schnell warm.

Nach diesem immersiven Auftakt kehrte der Chor zur liturgischen Linie zurück – mit Johann Sebastian Bachs (1685–1750) festem, strahlendem „Nun komm, der Heiden Heiland“. Der Choral, ein Kernstück lutherischer Adventmusic, öffnete hörbar die Türen zur Erwartungszeit. Felix Mendelssohn Bartholdys (1809–1847) „Lasset uns frohlocken“ schloss sich nahtlos an, leicht, freudig und mit diesem charakteristischen Mendelssohn’schen Schimmer, der sich wie eine freundliche Hand ausstreckt.