Liebe Leserin, lieber Leser,
kennen
Sie dieses flüchtige Gefühl der Erhabenheit, diese stolze Ahnung,
Ihr
Leben doch gut im Griff zu haben, kurz bevor alles ins Chaos kippt?
Ich
hatte dieses Gefühl zuletzt gestern kurz vor Sonnenaufgang. Der
Kinderarzt wollte turnusgemäß prüfen, ob meine Tochter
vorschriftsgemäß wächst (und noch allerhand anderes); ich hatte
dafür extra den frühestmöglichen Termin gebucht, danach kam das
Kind in die Kita und ich ins Büro, wo ich einen komplett
durchgetakteten Tag vor mir haben würde – auf die Verästelung
dieser von mir gebauten Struktur war ich tatsächlich kurz stolz.
Alle
waren plangemäß und pünktlich zur Stelle, ich aber war beim
Einparken in einen Nagel gefahren, beim Aussteigen hörte ich aus
Richtung des rechten Vorderrads ein klar artikuliertes „Pfffffffff!“,
meine Tochter fragte: Papa, wohin geht die Luft jetzt, und mir
schwante, dass der Tag in diesem Moment den so schön komponierten
Takt hinter sich lassen und in Richtung Free Jazz abbiegen würde: in
die totale Improvisation.
So
war’s. Das Kind, dessen vorschriftsgemäßes Wachstum nun
beglaubigt war (und noch allerhand anderes), wurde zu Fuß in die
Kita gebracht, fein, nun lief also alles in Zeitlupe. Ich nutzte die
Zeit und recherchierte von unterwegs die Telefonnummer der
Pannenhilfe.
Wie
lang kann das schon dauern, dachte ich, mich an den Tag erinnernd, an
dem in meiner Straße ab 7 Uhr die Laternen ausgetauscht werden
sollten. Ich steuerte um 7.03 Uhr das Auto aus dem
Baustellenhalteverbot, in dem ich zuvor blind und blöd vor Müdigkeit
geparkt hatte, aber vergebens, der Abschlepper war schon unterwegs,
zack, Riesenrechnung, ja, klar, selber schuld.
© ZON
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Diesmal,
tja, dauerte es mehr als fünf Stunden. Was nur deshalb anstrengend
war, weil das Auto auch diesmal im Halteverbot stand – und ich von
der sehr konkreten Sorge geplagt war, dass es abgeschleppt werden
könnte, also: dass ein von den Ordnungsbehörden gerufener
Abschlepper dem von mir beauftragten zuvorkäme. Dann nämlich hätte
ich das Auto wohl mit einem Abschlepper aus dem Verkehrssünderdepot
abholen und in die Werkstatt schleppen lassen müssen, und das wäre
selbst mir zu viel der Schmach gewesen.
Die
Sorge aber war unbegründet, der Abschleppfahrer war, als er am
frühen Nachmittag kam, äußerst freundlich, machte ein paar Fotos
und sich dann ans Werk.
Mit
den Menschen aber, die ihre Autos inzwischen ebenfalls im Halteverbot
geparkt hatten, vor und hinter mein Auto, und die nun demütig und
verängstigt angestoben kamen, weil sie sich von den gelb blinkenden
Lampen auf dem Abschlepperdach mitgemeint fühlten – mit denen
konnte ich mich in diesem Moment wirklich aus vollem Herzen
identifizieren.
Ich
wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Ihr Florian Zinnecker
WAS HEUTE WICHTIG IST
© Georg Wendt/dpa
Hamburg
steigt in die Produktion von grünem Wasserstoff ein: Bürgermeister
Peter Tschentscher (SPD) hat am Montag den offiziellen Grundstein
für den Bau des 100-Megawatt-Elektrolyseurs am Standort des
ehemaligen Kraftwerks Moorburg gelegt.
Zusammen mit Umweltsenatorin Katharina Fegebank (Grüne),
Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) sowie Vertreterinnen der
beiden Projektpartner Luxcara und der Hamburger Energiewerke setzte
Tschentscher eine Zeitkapsel in den Grundstein ein. In zwei Jahren
soll die Anlage in Betrieb gehen. Jährlich sollen dann in Moorburg
etwa 10.000 Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt werden.
Nachdem
er versucht hatte, in einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt in der
Innenstadt einzubrechen, ist ein Mann
auf der Flucht vor der Polizei am frühen Montagmorgen in den
Bleichenfleet gesprungen. Die Feuerwehr
wurde alarmiert, um ihn mit einem kleinen Rettungsboot zu holen. Nach
Angaben der Polizei kletterte der Verdächtige jedoch selbstständig
wieder aus dem Wasser. Er wurde anschließend mit einem Rettungswagen
wegen einer Unterkühlung ins Krankenhaus gebracht.
In der juristischen
Auseinandersetzung des Hamburger Verfassungsschutzes gegen den
Bürgerschaftsabgeordneten Deniz Celik hat der Linken-Politiker
Rückendeckung durch einen Extremismusexperten erhalten. Die
beanstandete Aussage Celiks sei keineswegs unbegründet, „sondern
stellt eine wissenschaftlich und politisch legitime Schlussfolgerung
dar“, heißt es in einer gutachterlichen Stellungnahme des
Politikwissenschaftlers der Freien Universität Berlin, Hajo Funke,
die Celik erbeten hat. Der Nachrichtendienst hatte zuletzt Klage
gegen Celik eingereicht. Ziel sei es, eine einstweilige Verfügung
vor Gericht zu erwirken, die ihm verbietet zu behaupten, der
Verfassungsschutz sei durch „Vertuschung, V-Leute-Skandale und immer
wieder auch durch den Schutz rechter Netzwerke aufgefallen“. So
hatte es der Linkspolitiker in einer Pressemitteilung im Oktober
formuliert.
In aller Kürze
• Auf dem Gelände einer Spedition in Wilhelmsburg sind am Montag
mehrere Container in Brand geraten; die Feuerwehr war mit rund
70 Kräften im Einsatz •
Ein 37 Jahre alter Mann soll im Hauptbahnhof laut „Sieg Heil“
gerufen und den Hitlergruß gezeigt haben. Als die
Bundespolizisten den Mann festnehmen wollten, reagierte er aggressiv,
wobei ein Beamter leicht verletzt wurde •
Wegen Bauarbeiten werden die A7 und der Elbtunnel am
Wochenende in beide Richtungen voll gesperrt
AUS DER HAMBURG-AUSGABE
© Timo Knorr
Keine Fenster, kaum Ruhe, Schimmel
In
Harburg leben fast 600 Geflüchtete in einer Lagerhalle unter
Neonlicht, teilweise seit Jahren. Die Behörden sagen: Wir haben
keine Alternative. ZEIT-Autor Christoph Twickel hat sich vor Ort
umgesehen; lesen Sie hier einen Auszug aus seinem Artikel.
Ahmed Kamal, 38, will einmal Apps programmieren, die das Leben in
Deutschland leichter machen. „Ich habe ein Jahr in Dubai gelebt,
dort kannst du alle Behördenangelegenheiten mit deinem Smartphone
regeln“, sagt er. Er ist Informatiker und will ein Start-up gründen.
Nasser Abdo, 39, ist Agraringenieur mit einem Abschluss als
Betriebswirt und im Marketing. Er möchte einmal in Deutschland in
einem internationalen Unternehmen arbeiten. „Ich bin ein großer Fan
von Deutschland“, sagt er. Doch derzeit sind die Pläne der beiden
ein ferner Traum. Die beiden aus Syrien stammenden Männer leben seit
über einem Jahr in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in
der Harburger Schlachthofstraße. Und jetzt müssen sie erst einmal
etwas anderes machen: auf die Zustände dort aufmerksam machen.
Die
Bewohner protestieren dagegen. Und Ahmed Kamal und Nasser Abdo sind
zu ihren Sprechern geworden. Die Unterkunft trägt den Namen
„Neuland“ und ist eine in die Jahre gekommene ehemalige
Großmarkthalle in einem Gewerbegebiet, umgeben von Schnellstraßen
und Bahngleisen. Darüber, wie es in der Halle aussieht und zugeht,
beschweren sich Bewohnerinnen und Bewohner seit mehr als einem Jahr.
Im Februar 2025 drohten rund 40 von ihnen mit einem Hungerstreik, im
Oktober und November demonstrierten sie vor dem Gebäude.
Auch
Kamal und Abdo schildern untragbare Zustände. „So etwas habe ich in
Deutschland nicht im Geringsten erwartet“, sagt Abdo. Er und Kamal
heißen in Wahrheit anders, aber sie wollen ihre echten Namen nicht
in der Zeitung sehen. Security-Mitarbeiter hätten ihnen gedroht,
wenn sie sich beschwerten, könne das ihre Asylverfahren negativ
beeinflussen.
In
der fensterlosen Neuland-Halle leben aktuell 553 Menschen, die
meisten von ihnen aus Syrien und Afghanistan. In Hamburg gibt es zehn
solcher Erstaufnahmeeinrichtungen, zurzeit leben dort 2.748 Menschen.
Die Schlachthofstraße ist die größte Unterkunft. Die
Erstaufnahmeunterkünfte sind eigentlich als Übergangslösung
gedacht, laut Bundesministerium für Migration sollen es in der Regel
sechs Monate sein.
Wie
die
Lebensrealität in der Unterkunft aussieht und welcher Dominoeffekt
notwendig ist, damit jemand in eine Folgeunterkunft umziehen kann,
lesen Sie
weiter in der ungekürzten Fassung des Textes auf zeit.de.
DER SATZ
© Mel Poole/unsplash.com
„Es
gibt Weihnachtsgeschenke, die man höflich lächelnd in die Ecke
legt: den x-ten Pyjama, Aromakerzen oder den Schal ›in deiner
Farbe‹. Und dann gibt es Dinge, die man wirklich behalten will und
die eine Geschichte erzählen.“
Falls
Sie noch gute Ideen für Weihnachtsgeschenke suchen: Die Autorinnen
und Autoren des Hamburg-Ressorts geben Empfehlungen
für Präsente aus Hamburg
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Wer
noch nicht dort war, muss sich ranhalten: Die
Ausstellung „Pippis Papa“ im MARKK zeigt noch bis 31. Dezember das vermutlich reale Vorbild von Pippi
Langstrumpfs Vater Efraim Langstrumpf: Der schwedische
Plantagenbesitzer Carl Pettersson (1875–1937) arbeitete für die
deutsche Neuguinea-Compagnie. Er strandete bei einem Schiffbruch auf
der Insel Tabar im Pazifik, heiratete dort eine Einheimische und
wurde Plantagenbesitzer. In Schweden war er seinerzeit bekannt,
deshalb vermutet man, dass er zum Vorbild für Efraim Langstrumpf
werden konnte. Die Ausstellung lädt spielerisch und interaktiv ein,
verschiedene Lebenswege während des Kolonialismus im Pazifik
kennenzulernen
„Pippis
Papa“, bis 31.12.; MARKK, Rothenbaumchaussee 64, Di bis So 10 bis 18
Uhr, Do bis 21 Uhr; Veranstaltungen
im Rahmenprogramm finden Sie hier
MEINE STADT
Sooo schön kann Rudern sein. © Emine Çetin
HAMBURGER SCHNACK
Ein
älteres Paar an der Kasse des Bäderlands. Er: „Ich brauche eine
Badehose.“ Die Dame an der Kasse: „Gern, welche Größe denn?“ Er:
„Größe 6.“ Seine Frau: „Nee, Schatz, das war vor 30 Jahren.“
Gehört
von Barbara Maczijewski
Das war
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