Heilung von AIDS: Überraschend HIV-frei nach Stammzelltransplantation – Spektrum der WissenschaftDirekt zum InhaltNaht die Heilung von AIDS?: Überraschend HIV-frei nach Stammzelltransplantation
Nur in äußerst seltenen Fällen benötigen AIDS-Patienten keine lebenslange antivirale Therapie – nämlich dann, wenn nach einer Stammzelltransplantation dauerhaft keine HI-Viren mehr nachweisbar sind. Zum Welt-AIDS-Tag wurden Details zum weltweit siebten Heilungsfall veröffentlicht, der sich von den bisherigen in einem wichtigen Punkt unterscheidet. Er macht Hoffnung auf neue Therapien, durch die der Körper das Virus vollständig loswerden kann.

© NIH-NIAID / Image Point Fr / BSIP / picture alliance; Bearbeitung: Spektrum der Wissenschaft (Ausschnitt)
Elektronenmikroskopisches, künstlich eingefärbtes Bild von HIV-Partikeln (pink), die aus der Membran (gelblich-grün) einer Immunzelle austreten. Das Freisetzen der Partikel zerstört die Zelle. Dieser Vorgang schwächt das Immunsystem stark, was schließlich zu AIDS (Erworbenes Immundefizienz-Syndrom) führt.
Eine wirkliche Heilung von Patienten mit HIV schien bisher nur unter einer Bedingung möglich: Wenn bei einer Transplantation die Stammzellen von einer Person mit einer seltenen Immunität gegen das Virus gespendet wurden. Weltweit sind überhaupt nur sechs vollständige Genesungen bekannt. Nun berichtet ein Team um Christian Gaebler von der Berliner Charité im Fachjournal »Nature« über einen siebten Heilungsfall, der mit einer Überraschung aufwartet. Dadurch ergeben sich neue Ansätze für effektive Therapien, die künftig den Körper gänzlich von diesen Retroviren befreien könnten.
Sechs Jahre virusfrei
Der mit HIV infizierte Patient in Berlin hatte im Rahmen einer Krebsbehandlung eine erfolgreiche Stammzelltransplantation erhalten. Drei Jahre danach beendete er seine antiretrovirale Therapie (ART), was normalerweise binnen weniger Wochen zu einem Anstieg der Virusmenge führt. Dank der Transplantation lässt sich das Virus bei ihm aber bis heute, sechs Jahre später, nicht mehr nachweisen. Was an diesem Fall so erstaunlich ist: Die Spenderin der transplantierten Stammzellen gehört nicht etwa wie in früheren Fällen zu jenen wenigen Menschen, die wegen eines funktionsunfähigen Virusrezeptors selbst immun gegen HIV sind. Dadurch rücken nun alternative Mechanismen in den Blick, die zur vollständigen Genesung des Patienten beigetragen haben müssen.
Wenn der Rezeptor für HIV fehlt
Etwa ein Prozent aller Menschen europäischer Abstammung sind wegen einer besonderen Genausstattung resistent gegen die häufigsten HIV-Stämme. Verantwortlich dafür ist das Gen für den Rezeptor CCR5 – eine der Hauptandockstellen für das Virus an Immunzellen. Ist die Mutation namens CCR5-Δ32 homozygot, das heißt auf beiden Chromosomen vorhanden, werden keine bindungsfähigen Rezeptoren gebildet. Da vor der Transplantation das bisherige Immunsystem zerstört wird, entstehen beim Empfänger danach idealerweise keine Immunzellen mehr, die das HI-Virus infizieren kann.
Bei fast 20 Prozent aller Menschen in Europa – darunter der Berliner Patient – trägt nur ein Chromosom das Merkmal CCR5-Δ32: Sie sind heterozygot. Die verringerte Rezeptormenge bremst das virale Geschehen lediglich. Tatsächlich kam der Mann, der 2009 von seiner HIV-Infektion erfuhr, die ersten fünf Jahre ohne antiretrovirale Therapie aus. Doch dann verschlechterte sich sein Zustand, und 2015 erkrankte er an akuter myeloischer Leukämie. Zur Behandlung unterzog er sich einer Stammzelltransplantation, die sehr belastend und riskant ist. Sie kommt daher nur zum Einsatz, wenn herkömmliche Krebstherapien nicht erfolgreich sind. Weil kein passender homozygoter Spender gefunden wurde, wich man auf eine heterozygote Spenderin aus.
Was führte zur Genesung?
Wieso ist der mittlerweile Sechzigjährige nun Jahre später trotzdem HIV-frei? Stammzellen ohne funktionsfähigen CCR5 sind offenbar keine Bedingung für eine vollständige Genesung. Vermutlich hat das transplantierte Immunsystem der Spenderin alle im Körper des Patienten versteckten HI-Viren aktiv beseitigt. Laut der Publikation gibt es bereits einen Hinweis darauf, dass die natürlichen Killerzellen im Patienten nun ein besonderes Profil aufweisen. Speziell angepasste Immuntherapien und Stammzell-Gentherapie könnten also möglicherweise das Potenzial bergen, viele Betroffene von HIV zu heilen.
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ist promovierte Biologin und Redakteurin für Hirnforschung, Psychologie, Medizin und Biologie.
Gaebler, C. et al., Nature, 10.1038/s41586–025–09893–0, 2025
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