[Photo by Eddy Wax / Euractiv]
Belgische Ermittler haben am Dienstag den diplomatischen Dienst der EU in Brüssel durchsucht – ebenso das College of Europe im belgischen Brügge sowie mehrere Privatwohnungen. Hintergrund ist eine Untersuchung wegen des mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Geldern, wie Personen mit Kenntnis des Verfahrens und Augenzeugen berichten.
Die Razzien fanden am frühen Morgen an mehreren Orten in Belgien statt. Die Polizei beschlagnahmte dabei Unterlagen und nahm drei Personen fest, um sie wegen Verdachts auf Vergabebetrug, Korruption und strafrechtlich relevanter Interessenkonflikte zu befragen.
Gegen 7:30 Uhr am Dienstagmorgen betraten rund zehn in Zivil gekleidete Beamte die Zentrale des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD/EEAS), wie ein Augenzeuge sagte. Ein weiterer EU-Beamter des diplomatischen Dienstes bestätigte die Durchsuchung.
Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden eingeleitet, nachdem Vorwürfe laut geworden waren, dass der EAD und das College of Europe – die renommierte postgraduale Kaderschmiede für EU-Beamte – in den Jahren 2021 und 2022 EU-Gelder missbräuchlich verwendet haben könnten, so vier mit der Untersuchung vertraute Personen.
Die Razzien stellen den jüngsten größeren Skandal innerhalb der EU-Institutionen dar und erhöhen den Druck auf das College of Europe sowie seine Rektorin Federica Mogherini, die früher den EAD leitete und in diesem Jahr ihre zweite fünfjährige Amtszeit in Brügge antrat.
Mogherini, ehemalige EU-Außenbeauftragte, reagierte nicht umgehend auf Fragen von Euractiv.
An dem Einsatz beteiligten sich die belgische Bundespolizei und das EU-Antibetrugsamt OLAF. Die strafrechtlichen Ermittlungen werden von der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) geführt.
Sprecher von EPPO und OLAF lehnten eine Stellungnahme ab.
Die Ermittler prüfen, ob das College of Europe oder seine Vertreter vorab Kenntnis von einer öffentlichen Ausschreibung zur Finanzierung der neuen EU-Diplomatischen Akademie hatten – eines jährlichen Ausbildungsprogramms für europäische Diplomaten in Brügge, das vom EAD finanziert wird.
Das 1949 gegründete College of Europe gilt als Kaderschmiede der EU für Diplomaten und Verwaltungsbeamte; zu seinen Alumni zählen zahlreiche Spitzenpolitiker und hochrangige EU-Beamte.
Im Fokus der Ermittlungen steht der Erwerb eines Gebäudes in der Spanjaardstraat in Brügge für 3,2 Millionen Euro, das Diplomaten beherbergt, die an der Akademie teilnehmen, so vier Personen mit Kenntnis des Verfahrens.
Der Wettbewerb um den Standort der Akademie verpflichtete Bewerber dazu, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.
Das College of Europe kaufte das Gebäude 2022 – in einer Phase finanzieller Anspannung und kurz bevor der EAD eine Ausschreibung veröffentlichte, die der Institution später 654.000 Euro zusprach, so zwei Personen aus dem Umfeld der Ermittlungen.
Die Ermittler prüfen Vorwürfe, wonach das College of Europe und seine Vertreter Zugang zu vertraulichen Informationen über die Ausschreibung gehabt haben könnten, die eigentlich geheim bleiben sollten, um faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den um die Akademie konkurrierenden Einrichtungen zu gewährleisten.
OLAF, das über administrative Befugnisse zur Untersuchung mutmaßlichen Betrugs mit EU-Geldern verfügt, befragte mehrere Personen und übermittelte seine Erkenntnisse anschließend an EPPO, das für die strafrechtliche Verfolgung schwerer Verstöße gegen die finanziellen Interessen der EU zuständig ist.
Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass OLAF oder EPPO zu einem Ergebnis hinsichtlich eines Fehlverhaltens gekommen sind; gegen niemanden wurde bislang offiziell Anklage erhoben.
Sowohl das College of Europe als auch die neue EU-Diplomatische Akademie werden von Mogherini geleitet, der ehemaligen sozialdemokratische Außenministerin Italiens, die von 2014 bis 2019 als EU-Außenbeauftragte den EAD führte. Sie übernahm 2020 das Rektorat des Colleges und wurde 2022 Direktorin der neu gegründeten Akademie.
Im untersuchten Zeitraum wurde der EAD von einem weiteren sozialdemokratischen Ex-Außenminister geleitet: dem Spanier Josep Borrell.
Ein Sprecher Borrells war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Auch ein Sprecher des College of Europe wollte sich nicht äußern. Ein Sprecher des EAD erklärte, er habe keine Informationen.
Die belgische Bundesstaatsanwaltschaft reagierte zunächst nicht auf Anfragen.
(mm, jl)