1. Zahlen, bitte! Mit Xbox-Steuerung 38.000 US-Dollar gespart

Gamification mal anders: Mit handelsüblichen Spielcontrollern lassen sich nicht nur Konsolenspiele präzise spielen, sondern mittlerweile auch Periskope, Militärdrohnen oder sogar Roboter steuern.

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Das Militär sieht darin mehrere Vorteile: Statt einer komplexen Steuerungslösung, die viel Einarbeitungszeit bedarf, ist es für Soldatinnen und Soldaten wesentlich einfacher, ein Bedienkonzept an einem Steuergerät zu lernen, welches sie vom Gaming zuhause kennen.

Bitte Zahlen

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Getreu dem Motto: Die Nerds, die Xbox zocken, können auch den optischen Mast eines 2,6 Milliarden US-Dollar-U-Boots steuern.

Steuerungsalternative für U-Boot-Kameramasten

Erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde die Controller-Steuerung im Jahr 2017, als die US-Navy ankündigte, dass in den neuen US-amerikanischen U-Booten der Virginia-Klasse eine besondere Steuerung zum Einsatz kommt. Die Atom-U-Boote sind seit 2004 im Einsatz und ersetzen Schritt für Schritt die Vorgänger der Los-Angeles- sowie der Seawolf-Klasse. Die U-Boote sind 115 Meter lang, 10,4 Meter breit und 9,5 Meter hoch. Sie haben dabei eine Verdrängung von 7925 Tonnen.

Optronikmast BVS-1 erkundet die Umgebung während einer Tauchfahrt

(Bild: Photo courtesy Naval Sea Systems Command)

Angekündigt wurde, dass die zwei Optronikmasten vom Typ BVS-1, per Xbox-360-Controller gesteuert werden sollen. Die neuen Mastensysteme änderten damit eine über hundert Jahre alte Einbau-Tradition: Zuvor musste wie in Filmen der Kapitän in einen in den Innenraum ragenden Tubus blicken und ihn mühselig drehen, um über eine Optik die Umgebung zu erkunden. Nun werden in den neuen Systemen kompakte Kameramasten elektronisch gesteuert und die Sicht auf Bildschirmen ausgegeben. An der schwierigen Steuerung gab es jedoch Kritik.

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“Die Marine versammelte eine Gruppe von Unteroffizieren und jungen Soldaten und fragte: ’Was können wir tun, um euer Leben zu verbessern?‘“, sagte Lt. j.g. Kyle Leonard gegenüber dem US-Navy-Magazin “All Hands“. Daraufhin gaben die Soldaten an, dass das “Photonic Mast Handgrip and Imaging Control Panel“ – die bisherige Steuerung der Masten, die aus auf Hubschrauber-Joysticks basierten – nicht sonderlich ergonomisch und schwierig zu lernen sei.

USS Virginia (SSN 774) an einem offensichtlich frostigen Februartag im Jahr 2007 auf der U-Boot-Basis New London in Groton, Connecticut.

(Bild: John Narewski, U.S. Navy)

Nach der Befragung erarbeiteten Entwickler von Lockheed Martin sowie der US-Marine in einem geheimen Forschungslabor in Manassas, das U-Boot-Äquivalent zu Area 51, ein Steuerungskonzept mit Xbox-360-Controllern. Schon während der Tests im Labor wurde klar, wie sinnvoll die Umstellung ist: Den Soldaten hatten sich die Steuerung und den Einsatz von Filtern und Zusatzfunktionen innerhalb von wenigen Minuten erschlossen – im Gegensatz zu der bisherigen Optroniksteuerung, die Stunden der Einweisung notwendig machte.

Enorme Kostenersparnis

Mit dem Ersatz-Controller spart die Armee zudem Kosten: Die Steuerungseinheit, um die beiden Optronikmasten zu steuern, kostet laut eigenen Angaben über 38.000 US-Dollar. Im Vergleich dazu ist ein handelsüblicher Xbox-Kontroller mit rund 30 US-Dollar geradezu ein Schnäppchen, der zudem an jedem Landgang im gut sortierten Elektromarkt nachgeordert werden kann. Natürlich sind die Controller ausschließlich über Kabel in Verwendung und nicht über die angreifbare und fehleranfällige Bluetooth-Schnittstelle.

Ein US-Soldat demonstriert im Oktober 2016 die Steuerung eines andros-FX-Spezialroboters mittels eines Xbox-360-Controllers.

(Bild: Staff Sgt. Cashmere Jefferson, 7th Mobile Public Affairs Detachment)

Dabei kommt der Xbox-Controller nicht nur in U-Booten zum Einsatz. Bei der US-Army werden damit auch Spezialroboter und Drohnen gesteuert, nach dem Motto: “Kannst du Xbox spielen, kannst du auch unsere Drohnen steuern.“ Nach Medienberichten waren zudem Xbox-Controller bereits im Jahr 2008 Thema in einer Stellenanzeige der britischen Armee: Gesucht wurden Drohnenpiloten. Im Ukrainekrieg sind die Controller auch gefragt. Außerdem ist im israelischen Carmel-Panzer eine Xbox-Steuerung eingebunden.

Militärische Eigenentwicklung mit ähnlichem Bedienkonzept

Eine militärische Weiterentwicklung, deren Bedienkonzept frappant an Gaming-Controller erinnert, ist zudem die Freedom of Movement Control Unit (FMCU); die wird man aber nicht so leicht in einem Gaming-Store finden können.

Eine Xbox 360 mit dem bei der Army beliebten Controller. Die von Microsoft Ende 2005 veröffentlichte Spielekonsole hatte einen 3,2 GHz PPC Tri-Core Xenon-Prozessor, 512 Megabyte Speicher und verkaufte sich bis 2016 über 85 Millionen Mal.

(Bild: Evan-Amos)

Aber nicht nur das Militär schätzt die Einfachheit des Gamepad-Konzepts. Das U-Boot Titan, welches im Juni 2023 auf dem Weg zum Titanic-Wrack implodierte, wurde von einem ebenfalls handelsüblichen Logitech-Gamepad gesteuert. Ironischerweise wurden bei der Suche nach dem verschollenen U-Boot ebenfalls Xbox-Controller als Steuerung eingesetzt.

Die Form der Gamification von Kriegsgerät wird auch kritisch gesehen, suchte doch 2023 die russische Söldnergruppe Wagner für den Drohnen-Angriffskrieg gegen die Ukraine Bewerber mit “Gaming-Hintergrund“. Dabei ist der Krieg gewiss kein Spiel.

(mawi)

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