Viele Menschen hatten sich am vergangenen Freitag nicht auf den Hamburger Jungfernstieg verirrt. Nun waren die äußeren Bedingungen mit knapp sechs Grad Celsisus, etwas Nieselregen und leichtem Wind auch wenig einladend – und selbst der Weihnachtsmarkt hatte gerade erst seine Buden geöffnet, als neun Gleichgesinnte zusammenkamen, um gegen die Hamburger Olympia-Bewerbung zu protestieren. Aufgerufen hatte dazu der BUND Hamburg.
„2015 haben die Hamburgerinnen und Hamburger bereits Nein zu Olympia gesagt. Zehn Jahre später zeigt sich, dass diese Entscheidung richtig war“, sagte die Hamburger BUND-Vorsitzende Sabine Sommer am Freitag. „Hamburg verspricht aktuell eine nachhaltige Bewerbung mit weitgehender Nutzung vorhandener Sportstätten.“ Viele Details seien aber noch unklar.
Hamburger Olympia-Bewerbung: Spiele sollen „möglichst klimapositiv“ sein
Besonders kritisch sehe der BUND die „absehbaren Eingriffe in Hamburgs Grün- und Freiflächen“. Trotz der Versprechen würde Olympia umfangreiche Flächeninanspruchnahme erfordern – von zusätzlichen Wettkampfstätten über Trainings- und Logistikflächen bis zu Infrastruktur für die olympischen Athletinnen und Athleten, heißt es von den Naturschützern. „Olympische Spiele können nicht klimaneutral sein“, so Sommer.
Dabei will die Stadt sogar mehr als Klimaneutralität erreichen – die Spiele sollen „möglichst klimapositiv“ sein, also mehr klimaschädliche Emissionen aus Atmosphäre entfernen, als zusätzlich in sie hineinzupusten. „Das mit dem Volksentscheid beschlossene Ziel, dass Hamburg bis 2040 klimaneutral sein muss, und die Anforderungen des IOC für die klimapositive Ausrichtung der Spiele ergänzen sich nach unserem Verständnis hervorragend“, sagt Steffen Rülke, der Leiter des Hamburger Olympia-Projekts.

Steffen Rülke (52) verantwortet die Hamburger Olympiabewerbung.
© Witters | Valeria Witters
Olympia soll Innovationen in Hamburg beschleunigen
Auch der Befürchtung, allein für Olympia würden neue Sportstätten errichtet werden, hatte sein Team schon mehrfach widersprochen. „Keine Neubauten, die nur für Olympia entstehen würden“, verspricht das Bewerbungskonzept „Hamburg+“. Vielmehr soll mit temporären Sportstätten gearbeitet werden, die wiederverwendet und abgebaut werden können. 78 Prozent der Anlagen bestünden bereits oder würden nur temporär aufgebaut.
„Die Spiele können als Beschleuniger für Fortschritt sowie Innovation wirken. Sie können damit auch zur Klimaneutralität 2040 beitragen. Kein anderes Event hat diesen Effekt“, ist Rülke überzeugt. „Hamburg ist für uns der perfekte Ort, um neue Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit zu setzen.“
Olympia: Hamburg als „barriereärmsten Metropole Deutschlands“?
Dazu gehöre auch die soziale Komponente. Der Ausbau der Barrierefreiheit, Förderung des Schulsports und inklusive Sportangebote in den Schulen sollen durch Olympia möglich werden. Der barrierefreie Ausbau der U- und S-Bahnhöfe befindet sich ohnehin schon kurz vor dem Abschluss, bis Ende kommenden Jahres sollen bis auf drei Haltestellen alle ausgebaut sein. Hamburg soll durch die Spiele zur „barriereärmsten Metropole Deutschlands“ werden.
Ein besonderes Anliegen sind den Naturschützern derweil die Harburger Berge, wo die Mountainbike-Wettkämpfe stattfinden könnten: „Die Harburger Berge sind Naherholungsgebiet, Wasserschutzzone und wertvoller Lebensraum für seltene Arten“, erklärte Sommer. „Noch ist unklar, wo genau Strecken, Tribünen und Zufahrten entstehen oder ob dafür Flächen gerodet werden sollen, aber wir befürchten, dass es so kommen wird.“
Olympia-Initiatoren stellen klar: „Keine Tribünen in den Harburger Bergen“
Das Olympia-Projekt stellt auf Abendblatt-Nachfrage klar: „Wir wollen, dürfen und werden keine Tribünen in den Harburger Bergen bauen und werden dafür konzeptionell auch keine Genehmigungen erhalten, die in irgendeiner Weise dort die Natur angreifen.“ Nachhaltigkeit sei ohnehin inzwischen „eine verbindliche Vorgabe“ des Internationalen Olympischen Komitees, was sich in „detaillierten Nachhaltigkeitsvorgaben“ im Gastgeberstadt-Vertrag widerspiegele.
Man habe den BUND außerdem eingeladen, sich auszutauschen und „Ideen und Anregungen mit ins Konzept fließen zu lassen“. Vielleicht trifft man sich dafür ja auf einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt am Jungfernstieg.