Ein Fischwesen? Gar ein Tazzelwurm mit güldenen Schuppen? Weder noch. Was sich da – mittelalterlichen Drachenbildern ähnlich – elegant im Wasser empor windet, um dann wieder abzutauchen, das sind Menschen in goldenen Schwimmhäuten. Perfekt in Einklang, exakt im Abstand hintereinander einen wirbelartigen Körper bildend, der sich durch das warme Nass schlängelt.
„28 bis 30 Grad warm ist das Wasser, gefiltert, alle sollen gesund bleiben“, so Dmytro Trunov. Er ist Chef von Waterland, einem Wasserzirkus. Vier dieser Art gibt es weltweit. Der einzige in Europa ist Waterland aus der Ukraine – ab 5. Februar zu erleben für zweieinhalb Wochen im Stuttgarter Neckarpark.
120.000 Liter Wasser im mobilen Zirkuszelt im Neckarpark Stuttgart
Im mobilen Zirkuszelt steht ein Pool, in den 170 Tonnen Wasser passen, also etwa 170.000 Liter. „Wegen der Kosten, auch fürs Beheizen, befüllen wir das Becken mit 120 Tonnen“, so Trunov. Das tut der Show, die – so schwärmt er – „unter Wasser, über Wasser und im Wasser“ stattfindet, keinen Abbruch.
Die märchenhafte Geschichte rund um die magische Insel Waterland und die Wesen des Fantasiereichs, die nicht nur das Element Wasser, sondern auch Feuer und Luft beherrschen, will verzaubern. Mit Meerjungfrauen, Feen und Piraten, Quallen, Oktopus und Vogelwesen, die durch Flammen und Fontänen schwimmen und bis unter die Kuppel fliegen; die aus Tunnel schlüpfen und vom Himmel fallen; die Saltos schlagen, mit Fackeln, Ringen und mehr jonglieren, aufeinander und auf höchsten Seilen balancieren, springen, schweben und tanzen, mal jazzig, mal lateinamerikanisch, mal ballettös auf einer Plattform oder im Wasser. Das in glamourösen und exotischen Kostümen aus Glitzer, Glimmer und Animalprint, angetrieben von Saiteninstrumenten, Bässen, Technobeats und Trommelrhythmen, dramatisch in Szene gesetzt durch Lichteffekte. Kurzum, Waterland ist ein wahres Spektakulum.
Feuer und Wasser schließen sich im Wasserzirkus nicht aus. Foto: Waterland/Nadiia Homon/Sergiy Platonov
Für Lacher und Atempausen zwischen Aktion und Anmut von Balletttänzerinnen und Akrobaten sorgt der zaubernde Clown Booba alias Oleg Liostaev. Mit seinen Kapriolen will er mit dem Publikum auf Tuchfühlung gehen. Das Wasser komme während der Vorstellung von überall her, „von oben, von unten, von rechts, von links“, erzeuge einen märchenhaften Regen, schmunzelt Booba. Und beruhigt: „Einen Regenschirm brauchen die Gäste aber nicht mitzubringen.“
In der Ukraine hat Zirkus eine lange Tradition als Kunstforum
Denn die Artisten, Tänzerinnen, Spaßmacher und Schaustellenden haben vor allem ein Anliegen: Allen, die zuschauen, das zu geben, was jene in Krisen- und Kriegsgebieten nicht vergönnt ist: eine unbeschwerte Zeit genießen zu können. Sie alle stammen aus der Ukraine – seit Russland am 24. Februar 2022 ihr Land überfiel und Putins Truppen einmarschierten, sind sie mit einem gnadenlosen Krieg konfrontiert. „Wir können den Krieg nicht beenden“, betont Zirkus-Chef Trunov. „Aber wir können arbeiten und das Geld, das wir verdienen, an unsere Verwandten schicken in der Heimat.“
Als der Krieg begann, war die Truppe gerade in Charkiv. Sie schaffte es dann, aus dem Land zu kommen, machten in Polen Station, um sich dort neu zu sortieren. Man habe damals noch gedacht, bald zurückzukommen. Bekanntlich kam es anders – und im Winter 2023/24 Waterland erstmals nach Deutschland. Als Kulturbotschafter für ihre Heimat sehen sich inzwischen die Mitarbeitenden des Wasserzirkusses. Zirkus per se hat in der Ukraine eine lange Tradition als Kunstform.
Waterland hat seine Wurzeln in einer kleinen Wandermanege, die vor 25 Jahren in Kiew startete, sich unter Generaldirektor Volodymyr Buhalenko zum bekanntesten Zirkus der Ukraine entwickelte. Zunächst tourte sie vor allem in der Ukraine, in Litauen, Belarus und Georgien. Anfangs mit Kunststücke auf Eis verblüffend, wollte man etwas Einzigartiges und Unwiedholbares schaffen – die Idee eines Zirkus’ auf dem Wasser wurde geboren, 2022 dann in Europa als Waterland registriert.
In Stuttgart zeigen 27 Artistinnen und Artisten im Neckarpark ihr Können
Zu diesem gehören mittlerweile insgesamt rund 100 Akrobatinnen und Akrobaten, Profis des ukrainischen Staatszirkus, die an der Akademie in Kiev ausgebildet wurden. Aber auch Topsportlerinnen und -sportler sind im Team, wie die Kunsturnmeisterin Tetyana Kulikovam sowie die Kunsturnmeister Viktor Baboshko und Yaroslav Handey – auch Eiskunstlaufchamp. Außerdem an Bord von Waterland: der führende Sportakrobat Maksim Stetsenko und der Trampolinchampion Evgeniy Senchin.
Die Anzahl der Performenden variiere indes von Stadt zu Stadt, heißt es. Im Stuttgarter Neckarpark werden 27 Artistinnen und Artisten auftreten. Mitarbeiterin Iryna Verbivska spricht für alle, wenn sie sagt: „Positive Emotionen sind von unschätzbarem Wert – wir wollen die Menschen glücklich machen.“
Waterland, Circus auf dem Wasser, 5. bis 22. Februar 2026, Neckarpark Stuttgart