Bewohner von Pflegeheimen müssen noch tiefer in die Tasche greifen. Die Eigenanteile in Einrichtungen der Stadt Stuttgart steigen um einige hundert Euro. Und nicht nur dort.
Dass in Pflegeheimen die Zuzahlungen der Betroffenen seit Jahren steigen, ist seit Langem ein Aufregerthema. Eine Lösung ist nicht in Sicht – im neuen Jahr wachsen die Belastungen weiter. Das zeigt die Kostenentwicklung beim städtischen Eigenbetriebs Leben und Wohnen (ELW). Dort werden die Preise im Januar im Schnitt um 5,9 Prozent erhöht. In einigen der insgesamt acht Pflegeheime des ELW steigt damit der Eigenanteil für die Bewohner erstmals über 4000 Euro im Monat.
„Wir sind ganz zufrieden und hoffen, dass die Rechnung aufgeht“, sagt Marc Bischoff. Zufrieden ist der ELW-Chef damit, dass die Kassen die unter anderem durch weitere Tariferhöhungen entstehenden Mehrkosten anerkannt haben. Doch die acht Häuser mit insgesamt 782 Plätzen müssen zu fast 97 Prozent ausgelastet sein, nur dann steigt das Budget des ELW durch die Preiserhöhung auch um 2,6 Millionen Euro.
Die Marke von 4000 Euro ist überschritten
Und der ELW-Chef weiß: Für die Bewohner und ihre Angehörigen seien die Zuzahlungen heute „eine Riesenbelastung“. Die Marke von 4000 Euro nach Abzug der Leistungen der Pflegeversicherung wird dabei in kleinen Heimen überschritten. So im Haus Hasenberg (4050 Euro), einer Einrichtung mit 50 Plätzen, wo die Betroffenen im ersten Jahr nun noch mal rund 200 Euro pro Monat mehr bezahlen müssen als bisher. In der Seniorenpflege des Generationenhauses Heslach kommt man sogar auf 4144 Euro im Monat.
In größeren Pflegeheimen liegt der ELW bei den Eigenanteilen noch um die 3800 Euro, sie haben eine bessere Kostenstruktur. Die genannten Zuzahlungen gelten im ersten Jahr. Der tatsächliche Eigenanteil hängt jeweils auch von der Dauer des Pflegeheimaufenthalts ab. Im zweiten, dritten und vierten Jahr, also je länger die Pflege anhält, werden die Bewohner durch einen 2022 eingeführten Leistungszuschlag um circa 800, 1300 und 2000 Euro im Monat entlastet.
Dabei ist die jetzige Steigerung der Eigenanteile im Vergleich sogar moderat, die Gehaltszunahme mit plus 2,8 Prozent im kommenden Jahr ist weit geringer als in früheren Jahren. Bei einem Personalkostenanteil von 85 Prozent fällt aber auch das ins Gewicht, neben gestiegenen Sachkosten etwa für Energie. Die Zunahme dürfte viele Bewohner und ihre Familien finanziell überfordern, wie in den zurückliegenden Jahren. So hat sich seit 2021 in den Heimen des ELW der Anteil der Menschen, die ganz oder teilweise auf Sozialhilfe angewiesen sind, von 20 auf 40 Prozent verdoppelt.
Bei anderen Heimträgern ist die Lage nicht viel anders. Da jeder selbst mit Pflegekassen und Sozialhilfeträgern die ein Jahr geltenden Kostensätze verhandelt, teils auch zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr, steigen deren Preise nicht alle sofort Anfang Januar. Beim Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg, von dessen rund 20 Einrichtungen einige in Stuttgart sind, werde die Preiserhöhung „Mitte 2026 erfolgen“, erklärte Sprecherin Sonja John. Deshalb könne man noch keine Zahlen nennen. Im vergangenen Jahr aber lag die Preiserhöhung im Schnitt bei 6,2 Prozent. In den Stuttgarter Häusern variierte das Plus zwischen 4,5 und 8,3 Prozent.
Die Entgelte für die Einrichtungen der Diak Altenhilfe werden „im Frühjahr neu verhandeln“, sagt Geschäftsführerin Annette Attanasio. Im laufenden Jahr hätten die Steigerungen je nach Einrichtung zwischen 3,7 und 7,3 Prozent gelegen. Zur Diak Altenhilfe gehören in Stuttgart etwa das Pflegezentrum Bethanien in Möhringen sowie der Paulinenpark in Mitte. Für das kommende Jahr habe man „noch keine konkreten Berechnungen“, so Annette Attanasio. Wegen der bekannten Kostensteigerungen sei jedoch „erneut mit Erhöhungen zu rechnen“.
So kostet ein Tag etwa im Haus Maria des Pflegezentrums Bethanien 195 Euro, macht 5864 Euro im Monat, abzüglich der Leistungen der Pflegekasse im ersten Jahr bei Pflegestufe drei ergibt sich eine Zuzahlung von 4173 Euro. 2025 stiegen die monatlichen Kosten in diesem Fall um 307 Euro. „Davon entfallen 218 Euro auf den Eigenanteil der Bewohnerinnen und Bewohner, der verbleibende Teil wird durch die Pflegekassen getragen“, erläutert die Geschäftsführerin der Diak Altenhilfe.
Ähnlich bei der Caritas, die fünf Häuser in Stuttgart betreibt. Dort steht eine Preiserhöhung erst wieder im Juli an. Zwar liegen auch bei diesem Träger die Zuzahlungen im ersten Jahr zumeist noch unter 4000 Euro. Im Falle etwa des noch recht neuen Hauses Martinus wird diese Marke aber im ersten Jahr mit fast 4300 Euro Eigenanteil pro Monat schon deutlich überschritten. Im Haus Barbara der Caritas komme man im erste Jahr auf rund 4100 Euro. In beiden Fällen wegen des hohen Investitionskostenanteils.
Angesichts dieser jedes Jahr aufs Neue auftretenden Kostensteigerungen fordert Marc Bischoff eine grundlegende Reform. „Die Pflege muss anders finanziert werden“, betont der ELW-Chef. Er vertritt die Position des sogenannten „Sockel-Spitze-Tauschs“. Zur Entlastung der Pflegebedürftigen sieht dieser vor, dass nicht mehr die Pflegeversicherung den geringeren und festgelegten Sockelbetrag übernimmt, sondern die Spitze der Kosten, während die Betroffenen einen künftig für sie deutlich niedrigeren Festbetrag bezahlen.
In die Politik eingebracht hat das Konzept die Initiative Pro Pflegereform, deren Sprecher bis zu seinem Ruhestand kürzlich lange Jahre der Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, Bernhard Schneider, war. Weil Marc Bischoff nicht davon ausgeht, dass ein einfacher Tausch der Kostenanteile erreichbar ist, plädiert er dafür, die Zuzahlungen der Pflegebedürftigen wenigstens auf beispielsweise 2000 Euro oder etwas darüber festzuschreiben und die dynamische Hauptlast der Pflegeversicherung zu übertragen.