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Frankreich wird gegen Russland nicht bestehen; auf offenem Feld. Etwas mehr als 200 Panzer sind dafür zu gering. Der Leopard könnte den Ausweg bieten.
Paris – „Frankreich verfügt über die technologischen Fähigkeiten, aber nicht über die finanziellen Mittel, um einen Kampfpanzer zu entwickeln“, schreibt Fabrice Wolf. Mitte dieses Jahres hatte er für Meta-Defense berichtet, Frankreich fürchte um seine Panzerwaffe. Im Vergleich der NATO-Boliden gilt der Leclerc als schwächlich, seine Zukunft ist kurz. Frankreich will sich zur Serienreife des Main Ground Combat System (MGCS) schleppen, aber der Weg wird immer länger, und Wladimir Putin sieht sich durch den Ukraine-Krieg motiviert, gegen Europa die Messer zu wetzen; Frankreich fragt sich, wie seine Armee ihre Aufgaben auf die Kette kriegen soll.
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„Die oft geäußerte Behauptung, der Drohnenkrieg habe den Kampfpanzer obsolet gemacht, hält einer Betrachtung der Entwicklungen nicht stand“, schreibt Martin Rosenkranz. Der Autor des österreichischen Magazins Militär Aktuell sieht eine Zukunft für die Panzerwaffe und kann sich durch aktuelle Entwicklungen bestätigt fühlen: Aufgrund befürchteter weiterer militärischer Auseinandersetzungen mit Russland modernisiert Europa seine Flotten – einer der Profiteure ist Deutschland, und Frankreich steht einigermaßen außen vor.
Ukraine-Krieg alarmiert NATO: „Frankreich befürchtet, nicht über genügend moderne Panzer zu verfügen“
„Die Franzosen hofften auch, dass der Leclerc sich gegen andere westliche Kampfpanzer der damaligen Zeit, wie den amerikanischen Abrams und den deutschen Leopard 2, behaupten könnte“, schreibt Caleb Larson im National Security Journal. Allerdings hinkt der Leclerc deutlich hinterher, und den Franzosen fehlt das Geld für einen großen Wurf. „Frankreich befürchtet, nicht über genügend moderne Panzer zu verfügen, da das MGCS-System erst in den 2040er Jahren einsatzbereit sein wird. Gleichzeitig ist die geplante Flotte von 200 modernisierten Leclerc XLR nicht nur klein, sondern es bestehen auch Probleme mit der Ersatzteilversorgung“, behautet der Defense Express. Gerade in der Planung einer zukünftigen Verteidigungsstrategie scheinen die Franzosen also auszufallen. Auch die britischen Panzertruppen schwächeln mit ihren etwas mehr als 200 Challenger zahlenmäßig.
„Die Herausforderung für Frankreichs Industrielle und technologische Verteidigungsbasis besteht darin, von einem kleinen, auf die Bedürfnisse Frankreichs als kleine Großmacht zugeschnittenen Modell zu einem Modell überzugehen, das in der Lage ist, den Bedürfnissen unserer NATO- Partner – insbesondere des deutschen und polnischen Marktes – gerecht zu werden.“
Was für einen Inselstaat möglicherweise angehen mag; Frankreich ist eine zentral gelegene Mittelmacht, dessen Verteidigungsindustrie einer NATO-weiten Kraftanstrengung offenbar kaum gewachsen scheint. Frankreichs Fokus liegt auf dem Status als Atommacht. Eine Panzermacht ist das Land nie gewesen – was sich im bilateralen Projekt Main Ground Combat System (MGCS) deutlich ausmachen lässt: Ursprünglich sollte der französische „Leclerc“-Ersatz „Interventionsfähigkeit“ beweisen, also leichte Verlegbarkeit für etwaige Einsätze in Nordafrika. Den „Leopard“-Erben hatten sich deutsche Militärs als rollende Festung gewünscht für einen möglichen Kontinentalkrieg, wie Detlef Puhl für den Thinktank „French Institute of International Relations“ (ifri) schreibt.
Showtime: Aufgalopp des Leclerc XLR im Rahmen der Militärparade zum Nationalfeiertag am 14. Juli. Ungeachtet der vermeintlichen Qualität der Waffe verfügt Frankreich über zu geringe Stückzahlen, um die NATO-Anforderungen nach effektiver Verteidigung zu erfüllen. Für neue Panzer und Umstrukturierungen fehlt das Geld. © IMAGO/Mustafa Yalcin
Deutschland ist den Franzosen im Panzerbau um Lichtjahre voraus – wie KNDS jetzt wieder mit der Vorstellung des Leopard 2A8 bewiesen hat. Frankreich steht jetzt also unter Druck, hält Fabrice Wolf fest. Das Land kann sich keinen Egotrip leisten – aufgrund von „immensen Budgetbeschränkungen, was die Regierung dazu veranlasst, gewisse Abstriche in Betracht zu ziehen, wie zum Beispiel die Ausrüstung der Armee mit einem in Frankreich montierten Panzer der mittleren Generation deutscher Bauart, was, so könnte man meinen, das Ende des französischen Abenteuers auf dem Gebiet der Kampfpanzer bedeuten würde“. „Aufrüstungsdruck“, nennt Radio France Internationale (RFI) die Zwickmühle, in der Frankreich steckt.
Leopard als Lösung? Bedarf der französischen Armee an zusätzlichen schweren Panzern unbestreitbar
Der Leclerc ist überholt, mit dem XLR versucht die Grande Nation den Anschluss zu halten; dessen Nachfolger Leclerc Evolution soll den Quantensprung bedeuten. Mit etwas mehr als 200 Kampfpanzern rangiert Frankreich immerhin noch in der oberen Hälfte der NATO-Partner; selbst Griechenland fährt fast das Siebenfache auf. „Die Herausforderung für Frankreichs Industrielle und technologische Verteidigungsbasis besteht darin, von einem kleinen, auf die Bedürfnisse Frankreichs als kleine Großmacht zugeschnittenen Modell zu einem Modell überzugehen, das in der Lage ist, den Bedürfnissen unserer NATO-Partner – insbesondere des deutschen und polnischen Marktes – gerecht zu werden“, sagte gegenüber RFI Romain Lucazeaux von der Caisse des Dépôts, der staatlichen französischen Investmentgesellschaft.
Das RFI sieht die Hürden darin, dass die industrielle Kapazität des Landes aktuell zu gering sei, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. „Schon veraltet?“, fragt dazu Caleb Larson im National Security Journal. Frankreich hat mit dem Leclerc wenig verdient, weil sich außer den Vereinigten Arabischen Emiraten und Jordanien kein Land für den Panzer erwärmen konnte. Außerdem bietet er kaum belastbare Kampferfahrung. Die Waffe ist ein französisches Eigengewächs, aber da die Produktionskapazitäten gering sind, stagniert auch die Flotte. „Es bleibt festzuhalten, dass der Bedarf der französischen Armee an zusätzlichen schweren Panzern unbestreitbar ist, und ein potenzieller Gegner wird sich im Bedarfsfall kaum von französischen Budgeterläuterungen beeinflussen lassen“, schrieb Fabrice Wolf für Meta-Defense im August 2024.
Gegen Putin hilft nur eines: „Vorausgesetzt, Frankreich kann seinen Stolz überwinden“
Zu der Zeit wurde der Leclerc Evolution auf der Messe Eurosatory 2024 vorgestellt; mit einem überraschenden Ergebnis. Während andere Nationen, wie beispielsweise China, auf eine Reduktion ihrer Besatzung setzen, auf unbemannte Türme und den Einsatz von KI und sogar Augmented Reality zur Gefechtsfeldbeobachtung, bekennt sich Frankreich weiter zum Faktor Mensch. „Ein besonderes Merkmal des Leclerc Evolution ist seine vierköpfige Besatzung, einschließlich eines stellvertretenden Kommandanten. Diese Ergänzung dient der Bewältigung des erhöhten Informationsflusses der verschiedenen Sensoren und Systeme des Panzers und gewährleistet so den Einsatz im Gefecht“, schreibt Wolf.
Ungeachtet dessen, was der Leclerc Evolution als „Neuerfindung“ des Leclerc-Basismodells an technischen Finessen zu bieten hätte – der Flotte fehlt die Schwungkraft der Masse. Ob Upgrade des Leclerc auf den XLR oder die Neudefinition des Franko-Panzers als „Evolution“-Modell: „Ziel ist es, das seit drei Jahrzehnten bewährte System bis zur Auslieferung des Hauptkampfsystems der Zukunft (MGCS) im Jahr 2040 im Einsatz zu halten“, schrieb Anfang 2025 The Defense Post. Wobei auch dieses Projekt wackelt, weil sich Frankreich und Deutschland um die Federführung streiten. Frankreich sieht seinen Teil als zu gering an. Frankreich fehlt allerdings auch eine Lösung für eine eigene effektive Panzerwaffe.
Vor allem, um seinen Verpflichtungen gegenüber der NATO nachzukommen, wie Meta-Defense berichtet. Dazu erforderlich seien mindestens zwei neue Panzerregimenter sowie ein operativer Puffer in Regimentsstärke – also insgesamt bis zu 190 zusätzliche Panzer, aber auch 2500 bis 3000 zusätzliche Soldaten, die innerhalb der Landstreitkräfte rekrutiert werden müssten, so Fabrice Wolf. Ihm zufolge müsste dazu mindestens in großem Stil umstrukturiert werden: „Die für eine solche Umstrukturierung erforderlichen Investitionen würden jedoch rund vier Milliarden Euro für Ausrüstung und Infrastruktur sowie zusätzliche 200 Millionen Euro pro Jahr erfordern“, so Wolf. Was sich Frankreich unmöglich leisten kann.
Meta-Defense deutete bereits im April an, dass sich Frankreich gezwungen sehen könnte, eine „Zeitenwende“ einzuläuten. Laut Äußerungen des früheren Leiters der Direction générale de l‘armement, also der französischen Rüstungsbeschaffungsbehörde, spiele Frankreich mit dem Gedanken, als „Überbrückungspanzer“ zum MGCS statt auf eigene Ingenieurleistung eventuell zu einem deutschen Produkt zu greifen – eine Idee, die der Defense Express jetzt auch wieder formuliert: „Angesichts der aktiven Unterstützung für den deutsch-französischen Panzer könnte es daher zum Kauf des Leopard 2A8 oder sogar des Leopard 3 (Leopard 2AX) kommen – vorausgesetzt, Frankreich kann seinen Stolz überwinden.“ (Quellen: French Institute of International Relations, Meta-Defense, Militär Aktuell, National Security Journal, Radio France Internationale, The Defense Post, Defense Express) (hz)