Der Christbaum ist heuer ein wenig kleiner geraten, ansonsten sieht die Agnes-Bernauer-Straße 77 auf den ersten Blick aus wie immer. Jene, die schon am Bauzaun warten, als Alexa Steinke ihn am vergangenen Freitag nach einem kurzen Betriebsurlaub zum ersten Mal wieder zur Seite schiebt, wissen es allerdings besser: Der letzte Monat im Café Steinchen ist angebrochen, am 20. Dezember gehen ein letztes Mal die Lichterketten an.
Fünfeinhalb Jahre haben Alexa und Laura Steinke der Baulücke Leben eingehaucht, haben Konzerte veranstaltet und Quiz-Abende, haben jede Ecke des Areals liebevoll mit buntem Klimbim dekoriert. Das Steinchen war ein Laimer Kleinod, darauf sind die Steinke-Schwestern stolz. Doch nachdem sie lange glaubten, dass sie das Café Backsteinchen, das sie im kommenden Frühjahr am Luise-Kiesselbach-Platz eröffnen, parallel zum Steinchen betreiben würden, werden sie nun doch den einen Standort gegen den anderen eintauschen.
Die Gründe, warum sie das Laimer Kulturcafé schließen, sind, wie so oft, vielfältig: Da wäre einmal die Nordseite, das Steinchen liegt meistens im Schatten. Da wäre dieser eine Nachbar, der sich ständig wegen zu viel Lärm beschwert. Da wäre aber auch der Umstand, dass das Café in Laim von Anfang an eine Zwischennutzung war, jederzeit kann Schluss sein. Wenn es ungünstig läuft, könnten sie gerade alle Gerätschaften für den neuen Standort am Westpark gekauft haben, müssten dann das Steinchen dichtmachen und hätten dann umsonst mehrere Tausend Euro investiert. Und, auch das ist Alexa Steinke wichtig: Sie wollten immer ein „persönlicher Betrieb“ sein, als Betreiberinnen viel vor Ort. Mit zwei Standorten wäre das auf Dauer schwierig geworden.
Die Entscheidung, sich vom kommenden Frühjahr an ganz auf das Backsteinchen zu konzentrieren fühle sich deshalb richtig an: weniger wie Aufgeben, eher wie eine Weiterentwicklung. „Das Backsteinchen soll eine Mischung aus Steinchen und Perle werden“, sagt Steinke. Die Perle in der Agnes-Bernauer-Straße 51, ehemals ein Asia-Restaurant, war bis Mai 2024 neun Monate lang die zweite Zwischennutzung der Steinke-Schwestern und etwas mehr Bar und Party-Location als Café und Kulturstätte.
Das Café Steinchen ist ein beliebter Laimer Treffpunkt. (Foto: Catherina Hess)
Stammgäste wie Kristin und Hung Dac Pang sowie Freundin Tamara Plasse (von rechts) waren hier im Sommer zuweilen dreimal täglich. (Foto: Catherina Hess)
Krähen als Leitmotiv hat den Steinke-Schwestern Künstler-Freund Lion Fleischmann ans Café Backsteinchen gemalt. (Foto: Catherina Hess)
Dass die Steinke-Schwestern das Steinchen nicht weiterbetreiben wollen, ist für Steinchen-Ultras wie Kristin und Hung Dac Pang sowie Freundin Tamara Plasse nachvollziehbar, fehlen wird es ihnen trotzdem. Das Café sei in den vergangenen Jahren so etwas wie ihr „erweitertes Wohnzimmer“ gewesen, sagen sie. Zum einen, weil sie sich hier immer wohlgefühlt haben, zum anderen aber, na klar, weil es hier „nichts anderes gibt“.
Patricia Biebrich kennt Laim gar nicht ohne das Steinchen, sie ist gleichzeitig mit dem Café ins Viertel gezogen. Wenn sie sich in den vergangenen fünfeinhalb Jahren mit Freunden auf ein Bier verabreden wollte, seien sie früher oder später immer hier gelandet, sagt sie: „Das war ein No-Brainer.“ Ein Laim ohne das Steinchen, das kann sie sich nur schwer vorstellen, fehlen wird es auf jeden Fall. Aber einen Monat haben sie und die anderen Gäste noch und den wollen sie noch einmal richtig auskosten: Warm eingepackt in Decken – Kristin Pang hat sogar eine blaue Steinchen-Mütze auf dem Kopf – kann sie auch der Winter nicht davon abhalten.
Die Bauarbeiten für das Backsteinchen laufen
Auch Laura und Alexa Steinke wollen den „Steinchen-Vibe“ noch einmal aufsaugen, für die verbleibenden Wochenenden haben sie sich einen Advents- und einen Flohmarkt für Wintersachen überlegt, dazu ganz viel Glühwein und Punsch. Nur, ob sie am letzten Tag eine große Abschiedsparty schmeißen oder sich doch lieber mit einem leisen Servus verabschieden, das wollen sich die Schwestern noch offen halten.
Während in Laim damit die Zeichen auf Abschied stehen, wird in Sendling fleißig gewerkelt: Fenster und Türen für das Backsteinchen sind bestellt, die Leitungen alle verlegt, der Toilettenanbau steht und wurde, wie schon im Steinchen, von Künstler-Freund Lion Fleischmann bemalt; statt für Tauben haben sie sich dieses Mal für Krähen entschieden. Wenn alles nach Plan läuft, werden sie das Backsteinchen samt Dachterrasse im April oder Mai eröffnen. Nach einer Baulücke und einem Asia-Restaurant hauchen die Steinke-Schwestern damit einem ehemaligen Klohäuschen neues Leben ein.