Brüssel steht vor seiner grössten institutionellen Krise seit Jahrzehnten. Eine Korruptionsermittlung der Europäischen Staatsanwaltschaft bringt führende Köpfe der EU in Bedrängnis – und stellt die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Zentrum der Kritik. Wie das Portal Politico berichtet, wurden am Dienstag die frühere Aussenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, sowie der aktuelle Generaldirektor für den Nahen Osten in der Kommission, Stefano Sannino, in Gewahrsam genommen.

Die Vorwürfe: Bei einem Ausschreibungsverfahren zwischen 2021 und 2022 zur Einrichtung einer diplomatischen Akademie, angesiedelt am College of Europe, sollen massive Unregelmässigkeiten vorliegen. Die Ermittler sprechen von «starkem Verdacht» auf Betrug, Korruption, Interessenkonflikte und Geheimnisverrat.

Die Ermittlungen berühren direkt die erste Amtszeit von der Leyens. Zwar steht sie formal nicht im Zentrum der Vorwürfe, doch Kritiker im Europaparlament nutzen die Gunst der Stunde. Bereits wird über ein viertes Misstrauensvotum spekuliert. «Die Glaubwürdigkeit unserer Institutionen steht auf dem Spiel», warnte Manon Aubry, Ko-Vorsitzende der Fraktion «The Left».

In Brüssel wächst die Nervosität. Ein EU-Beamter verteidigte die Kommissionschefin: «Es ist nicht fair, ihr ein Misstrauensantrag anzudrohen für etwas, das der Aussenbeauftragte zu verantworten hat.» Doch der Schaden ist bereits da. Stimmen aus der Belegschaft der EU sprechen von einem «desaströsen» Einfluss auf die Reputation. Der Fall droht, eine neue Anti-EU-Stimmung zu befeuern – zumal rechtspopulistische Parteien europaweit Aufwind haben.

Der ungarische Regierungssprecher Zoltán Kovács schrieb süffisant auf X: «Brüssel belehrt die Welt über Rechtsstaatlichkeit – und agiert wie in einem Krimi.» Die Ermittlungen reihen sich ein in eine Serie von Skandalen: Nach «Qatargate» und der Huawei-Affäre ist dies der bislang gravierendste Fall.