Manche Leute haben nun schon seit geraumer Zeit den Krieg im Kopf. In Teilen ausgelöst durch russische Propaganda in den Netzen, welche mit Absicht die Kriegsangst auch in Deutschland schürt. Teilweise aber auch bestärkt durch zwei Parteien, die derlei Propaganda noch verstärken und in Bundestag, Landtagen und Kommunalparlamenten immer mehr Anfragen zur Kriegstüchtigkeit des Landes und der Kommunen stellen. So auch am 26. November wieder in der Ratsversammlung erlebt: Da wollte BSW-Stadtrat Thomas Kachel wissen, welche Pläne die Stadt für den Kriegsfall hat.
Befeuert war die Anfrage der BSW-Fraktion auch noch durch einen Artikel der LVZ, die das Angst-mache-Spiel eifrig mitturnt und am 26. Juni ihren Lesern verklickerte, die S-Bahn-Stationen City-Tunnel seien „relevante Infrastruktur“ für den Zivilschutz, also irgendwie auch relevant für den Kriegsfall.
Und daran hängte BSW-Stadtrat Thomas Kachel dann am 26. November alle seine Nachfragen auf, auch wenn ihm der zuständige Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal versicherte, dass davon bisher überhaupt keine Rede war. Auch nicht mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
Kachels Nachfragen änderten nichts an den grundlegenden Aussagen der Leipziger Brandschutzdirektion, die ja im Katastrophenfall tätig werden muss. Wobei Katastrophenfall nicht gleich Kriegsfall bedeutet, musste Rosenthal dem beharrlich nachfragenden BSW-Stadtrat erklären. Im Katastrophenfall ist tatsächlich die Stadt zuständig, im Kriegsfall ist es der Bund.
Es existieren noch keine Kriterien
Aber da finden augenblicklich eher Gedankenspiele statt. Davon, das Land auf einen Kriegsfall vorzubereiten, ist die Bundesrepublik trotz aller Debatten weit entfernt. Und bisher haben weder das BBK noch die Stadt irgendwelche Äußerungen dazu getan, welche Rolle der City-Tunnel im Kriegsfall spielen könnte, gar welche Leipziger da Schutz suchen könnten.
„Die Benennung der S-Bahn-Station City Tunnel als ‚relevante Infrastruktur‘ für den Zivilschutz erfolgte, obwohl bislang keinerlei verbindliche Kriterien existieren, nach denen solche Objekte tatsächlich eingeordnet werden können“, erklärte den auch die Brandschutzdirektion. „Aufgrund dieses fehlenden Bewertungsrahmens fand im Vorfeld auch keine fachliche oder bauliche Prüfung vor Ort statt.“
Oder mit anderen Worten: Jede Auskunft, die den City-Tunnel als relevant für den Kriegsfall benennt, ist derzeit pure Kaffeesatzleserei. Es gibt keine Kriterien. Und wie Heiko Rosenthal erklärte, habe das BBK auch noch nicht in Leipzig angerufen, um mit der Stadt über einen „Operationsplan Deutschland“ zu reden. Alle möglichen Aussage dazu seien nichts als ein „Blick in die Glaskugel“.
Ohne Kriterienrahmen keine Prüfung
Aber das hatte auch die Brandschutzdirektion sehr deutlich formuliert: „Insofern ist die fehlende Vor-Ort-Begutachtung nicht Folge eines Versäumnisses an der Station selbst, sondern Ausdruck einer grundsätzlichen Lücke: Es gibt momentan schlicht keine standardisierten Maßstäbe, nach denen Infrastrukturen für den Zivilschutz systematisch bewertet und klassifiziert werden können. Erst mit der Entwicklung eines solchen Kriterienrahmens können fundierte Prüfungen und belastbare Einordnungen erfolgen.“
Eine Botschaft, die Thomas Kachel irgendwie nicht so recht wahrhaben wollte.
Und Leipzig habe auch von sich aus nicht den City-Tunnel als „relevante Infrastruktur“ benannt, so Rosenthal. Aber auch das hatte schon die Brandschutzdirektion deutlich ausformuliert: „Die Stadtverwaltung nimmt in Bezug auf die S-Bahnhöfe des City-Tunnels keine eigene Bewertung zu möglichen Waffen- oder Kampfmittelwirkungen vor. Eine solche Einschätzung fällt nicht in städtische Zuständigkeit.
Heiko Rosenthal (Die Linke), Beigeordneter für Umwelt, Ordnung, Sport und Klima, im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer
Für die Beurteilung, welche Gefährdungen im Rahmen des Zivilschutzes relevant sind und welche Schutzanforderungen daraus abzuleiten wären, ist ausschließlich der Bund verantwortlich. Dort werden entsprechende Planungen durchgeführt, Szenarien definiert und — sofern erforderlich — Fachempfehlungen oder technische Vorgaben für Länder und Kommunen veröffentlicht.“
Und: „Die Stadtverwaltung nimmt keine eigene Kalkulation darüber vor, wie viele Menschen im Kriegs- oder Verteidigungsfall in den S-Bahnanlagen des City-Tunnels Platz finden könnten. Solche Berechnungen gehören nicht zum kommunalen Aufgaben- oder Zuständigkeitsbereich.“
Katastrophenfall ist nicht gleich Kriegsfall
Wer das liest, fragt sich natürlich, warum Kachel dann in der Fragestunde des Stadtrats im Grunde immer wieder dasselbe nachfragte und nachfragte. Obwohl ihm Rosenthal immer wieder sagte, dass der Stadt keine Pläne für irgendeinen Kriegsfall vorlägen. Und wenn es denn mal welche gibt, würde er darüber wohl eher nicht in der öffentlichen Ratssitzung berichten.
Aber es gibt keine. Nicht einmal aus dem BBK gibt es entsprechende Vorstöße, das hatte auch die Brandschutzdirektion so erklärt: „Der Stadtverwaltung liegen auch mit Stand November 2025 keinerlei weitergehenden Informationen darüber vor, wann das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) angekündigte Schutzraumkonzept veröffentlicht wird. Trotz der ursprünglichen Ankündigung für den Sommer liegt bislang kein Konzept vor.“
Und wie ist das mit dem Evakuierungsplan, den es für Leipzig und Dresden geben soll? Den gibt es auch, stellte Rosenthal fest. Nämlich für den ganz normalen Katastrophenfall, für den die Stadt natürlich Evakuierungspläne aufstellen muss. Mit dem Kriegsfall aber hat das nichts zu tun. Auch wenn das in einer Landtagsantwort an das BSW so ausgesehen haben mag.