Der nächste Schritt im Krieg der Zukunft beginnt in einer kleinen Hütte nicht weit entfernt von Kramatorsk. In Richtung Osten, in Richtung Front. Eine kleine Siedlung wie unzählige andere. Meist verlassene, einstöckige Häuser reihen sich an einer lehmigen Straße. An ihrer Seite steht stets ein kleines Nebengebäude, eine Werkstatt oder Hütte als Lagerplatz. In den verwilderten Gärten dahinter ragen die Äste kahler Bäume in den grauen Himmel, dahinter ziehen sich seit langem unbestellte Felder.

Zwischen Werkstatt und Wohnhaus haben Andriy und sein Team Tarnnetze gespannt. Sie wölben sich leicht. Darunter reihen sich Bodendrohnen oder Transport-Roboter. Je nachdem, wie man die Gefährte taufen will. Im Fachjargon heißen sie UGVs: Unmanned Ground Vehicles, sprich „unbemannte Bodenfahrzeuge“. Manche stehen wie Panzer auf Ketten, andere auf wuchtigen Rädern. Gemeinsam haben sie den getrockneten Schlamm an den Seiten, vom letzten Einsatz im Kampfgebiet.

Über den Straßen sind Netztunnel gespannt, die vor Drohnen schützen sollen

Das liegt keine 30 Kilometer entfernt. Das bedeutet mittlerweile keine sichere Entfernung mehr. Selbst in Kramatorsk schlugen schon die ersten Drohnen ein – und das liegt wenige Kilometer weiter westlich. Wer mit dem Auto auf der nahen Hauptstraße Richtung des heftig umkämpften Kostjantyniwka unterwegs ist, erlebt eine Fahrt unter Netztunneln, die vor Drohnen schützen sollen. Jede Radumdrehung Richtung Osten bedeutet eine Zunahme an Gefahr. Kostjantyniwka selbst versinkt immer mehr in Trümmern durch Gleitbomben-Angriffe, Artilleriebeschuss und Drohnen-Attacken. Es ist eine Todeszone, die wächst und wächst.

Andriy führt zu den UGVs, den unbemannten Bodenfahrzeugen. Es sind rund ein halbes Dutzend Gefährte. Zwei Katzen schleichen zwischen Rädern und Ketten umher. Andriy streichelt eines der Tiere, bevor er zur Erklärung ausholt: „Unsere Bodendrohnen können die verschiedensten Aufgaben übernehmen. Sie transportieren zum Beispiel ferngesteuert Munition und Lebensmittel direkt in die erste Linie. Oder sie bergen Verwundete und bringen sie in halbwegs sicheres Gebiet, dort übernehmen dann die Sanitäter.“

Das Team macht die Drohnen für den Einsatz fertig.

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Das Team macht die Drohnen für den Einsatz fertig.
Foto: Till Mayer

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Das Team macht die Drohnen für den Einsatz fertig.
Foto: Till Mayer

„Bei vielen Modellen können wir auch ein Maschinengewehr aufsetzen. Rücken unsere Soldaten vor, decken sie mit Sperrfeuer die feindlichen Stellungen ein“, erläutert der 28-Jährige. Dann führt er in der Werkstatt, in der die Maschinengewehre bereitliegen. Durch milchige Scheiben fällt dämmriges Licht auf den schwarzen Stahl. „7,62 Millimeter. Das bedeutet eine gewisse Durchschlagskraft“, betont Andriy, als er auf die wuchtigen Waffen aus Stahl deutet.

Er ist trotz seines Rangs als einfacher Soldat der Chef eines Techniker-Teams, das die UGVs bereit für den Einsatz macht, aber auch ihre Einsatzfähigkeit testet. Die Bodendrohnen bahnen sich ihren Weg über Feldwege, durch Schlamm und Waldstücke, und sie werden selbst Ziele der Kamikaze-Drohnen aus der Luft. „Wie Menschen, wie unsere Soldaten“, vergleicht Andrij.

Im offenen Gelände sind die Kämpfer den russischen Angriffen schutzlos ausgeliefert

An der Front steht den ukrainischen Verteidigern eine Übermacht entgegen. „Die Bodendrohnen reduzieren in erster Linie nicht die notwendige Anzahl der Verteidiger, aber sie schützen deren Leben“, erklärt der 28-Jährige. Denn gerade bei Transporten im offenen Gelände sind die Kämpferinnen und Kämpfer den russischen Angriffen schutzlos ausgeliefert. Die Bodendrohnen helfen, Verluste zu verringern.

„Eines Tages werden sie mehr können“, sagt Andriy. Er arbeitete nach seinem Studium als IT-Spezialist. Dann machte er sein Hobby zum Beruf: „Ich hatte ein gutes Einkommen als Magier, als Herr der Karten“, sagt Andriy lachend. Dann meldete er sich zur Armee. „Mein Bruder schied nach einer Verwundung aus dem Dienst aus. Jetzt bin ich an der Reihe, mein Land zu verteidigen. Das ist eine Familienehre“, erklärt der junge Mann. 

Andriy ist sich sicher, der Krieg der Roboter wird kommen. Im Internet hat er schon die monströsen Kampfroboter gesehen, die von Chinas KP stolz den Medien vorgeführt werden. „Schwer zu sagen, wie tauglich sie wirklich im Feld sind“, meint er trocken. Wie die ganze Ukraine lachte er, als in Russland ein KI-gesteuerter Roboter mit wackeligen Schritten über die Bühne lief. Nach einem zaghaften Winken das Gleichgewicht verlor und bei seiner Präsentation krachend auf dem Gesicht landete. „Das hat gut getan, das zu sehen. Aber ja, die Russen werden aus ihren Fehlern lernen. Irgendwann werden sie KI-Roboter bauen, die unsere Menschen töten“, prophezeit er.

Über den Köpfen der Soldaten und Menschen in Frontnähe tobt ein unbarmherziger Kampf, wer in der Drohnen-Evolution einen Vorsprung gewinnt. Eine Zeitlang hatte Russland bei den kleinen Kamikaze-Drohnen das Moment. Drohnen, deren Steuerung über Glasfiber-Kabel erfolgt, können durch Störsender nicht abgefangen werden. Wie diejenigen, die über Radiowellen gesteuert werden. 

Andriy bereitet Landdrohnen für den Fronteinsatz vor. Er und sein Team testen die unbemannten Bodenfahrzeuge dabei auf ihre Tauglichkeit. 

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Andriy bereitet Landdrohnen für den Fronteinsatz vor. Er und sein Team testen die unbemannten Bodenfahrzeuge dabei auf ihre Tauglichkeit. 
Foto: Till Mayer

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Andriy bereitet Landdrohnen für den Fronteinsatz vor. Er und sein Team testen die unbemannten Bodenfahrzeuge dabei auf ihre Tauglichkeit. 
Foto: Till Mayer

„Bei den Bodendrohnen haben wir jetzt einen Vorsprung. Wir steuern sie online. Sie können also nicht durch Störsender abgefangen werden. Die Russen sind noch nicht so weit“, erklärt Andrij. Mehr als 200 ukrainische Unternehmen entwickeln UGVs. „Welche von ihnen bewähren sich im Ernstfall? Welche von ihnen sind stabil genug gebaut, um in harter Gefechtsbedingung zu bestehen? Das sind wichtige Fragen“, führt Andriy aus. Es geht darum, ob Ketten oder Räder der Vorteil sind. Um Radstand, Reichweiten und Zuverlässigkeit des Materials.

„Sicherlich, Künstliche Intelligenz wird in Zukunft eine Rolle spielen. Jetzt könnte der Schuss bei einem KI-UGV mit einem Maschinengewehr im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten losgehen“, erklärt er. „Aus meiner Sicht ist es jetzt wichtig, zuverlässige, effektive und kostengünstige Bodendrohnen zu produzieren.“ Dann führt er über einen Trampelpfad zum Nachbaranwesen. Dort kalibriert Dennis in einem Schuppen einen Router für die UGV-Steuerung. Sein Gesicht verschwindet hinter dem Rauch seiner Zigarette. Der 34-Jährige raucht Kette.

Die Bodendrohne erinnert an einen Igel

Vor dem Schuppen lötet ein anderer an einer Steuerung. Vier Soldaten sehen ihm zu. „Wir bilden hier auch aus. Die Jungen gehören nicht zu meiner Einheit“, erklärt Andriy. Dann rumpelt eine Bodendrohne heran. Ein mächtiger Kasten mit Antennen ist auf dem Gefährt angebracht. Damit erinnert die Bodendrohne an einen Igel. „Hier haben wir ein Gerät, das sich noch in einer Experimentierphase befindet“, stellt er vor. Der rollende Igel ist ein Sender, der russische Radiowellen-Signale stören soll, zum Beispiel die von Drohnen. „Der Störsender ist auf einer UGV-Plattform namens Wolya aufgebaut. Man kann auch eine Waffe darauf platzieren. Oder einfach Material damit befördern. Sie ist die gängige ukrainische UGV-Plattform“, so der 28-Jährige.

Die Landdrohne erinnert an einen Igel, sie dient als mobiler Störsender.

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Die Landdrohne erinnert an einen Igel, sie dient als mobiler Störsender.
Foto: Till Mayer

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Foto: Till Mayer

Wolya heißt Wille. „Wolya macht sich gut. Sie ist kostengünstig, unter 10.000 Euro“, erklärt er. Der Kostenfaktor sei wichtig. „Nehmen wir zum Beispiel eine deutsche Variante, die wir auch getestet haben. Hervorragende Ingenieurskunst, aber zu kompliziert und zu aufwändig. Gut für einen Anti-Terror-Einsatz im Flughafen. Aber im Donbas nicht geländegängig genug. Und mit rund 200.000 Euro einfach zu teuer“, führt der 28-Jährige aus. Der Soldat erinnert daran, dass Drohnen aus der Luft erfolgreich die Bodendrohnen angreifen. „Auch deswegen brauchen wir einfache und in Massen produzierte UGVs.“

Dann führt er noch zu einer Bodendrohne, die als Pfadfinder dient. Klein und wendig und mit Heubüscheln getarnt. „Die Drohne zeigt uns, was am Boden passiert. Was aus der Vogelperspektive der Aufklärungsdrohnen nicht zu sehen ist“, führt der 28-Jährige aus. Gerade die Nebel im November und Dezember sind für die Aufklärung eine Herausforderung. „Wir sind mit unseren Truppen in der Unterzahl, Kamikaze-Drohnen helfen, das auszugleichen. Doch wie in Pokrowsk kann das eine dicke Nebelwand erschweren“, fügt Andriy hinzu. Dann kommt ein Anruf aus der Kommandozentrale, Andriy wird angefragt.

Mittlerweile bricht die Dunkelheit herein. In ihrem Schutz schicken die Ukrainer ihre Bodendrohnen ins Kampfgebiet. Die Kommandozentrale befindet sich im nahen Kramatorsk. Ein schmuckloser, großer Raum mit einem halben Dutzend Großbildschirmen. Auf einem sieht man den Lichtpegel einer Bodendrohne, die kaum schneller als im Schritttempo über Feldwege rattert. Geladen hat sie Munition und Lebensmittel. Zwei Stunden dauert die Fahrt. Dann sieht man im Lichtpegel eine kleine Kate, ein Hütte, ähnlich der von Andriy. Eine Tür wird aufgerissen, zwei Soldaten laden im Eiltempo ab. Man sieht sie schemenhaft durch das Licht huschen. Dann steht ein Mann vor der Kamera und zeigt mit dem rechten Zeigefinger eine Drehung an. Die Drohne kann zurückkehren. Später werden weitere Drohnen Verwundete von der Front evakuieren. „Unsere Bodendrohnen retten Leben. Das ist ihre Hauptaufgabe. Es ist gut, daran mitzuarbeiten“, erklärt Andrij nicht ohne Stolz. Vielleicht hätte eine Bodendrohne seinen Bruder vor der schweren Verwundung bewahrt. 

  • Till Mayer

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