– Wohnung weg und kein Strom: Mathilda R. aus Nürnberg und ihre 26-jährige Tochter leben in prekären Verhältnissen. Wie sie sich mit dem Sammeln von Pfandflaschen über Wasser halten und warum das Frauenzimmer für sie ein wichtiger Anker ist.
Mathilda R. (Name geändert) sammelt Pfand. Wo in Nürnberg sie mit ihrer 26-jährigen Tochter unterwegs ist, steht bewusst nicht in diesem Text. Beide gehen abends raus, dann sind die Mülleimer voller. Auch rund um Fußballspiele und Konzerte kommen einige Flaschen zusammen. „Ihh, das ist ja widerlich“, wird der 55-jährigen Mutter gelegentlich an den Kopf geworfen. Einmal sei sie körperlich angegangen worden. „Aber ich kann mich wehren, so hilflos sind wir nicht.“
Das Duo gibt an, vor acht Jahren die Wohnung verloren zu haben, als daraus eine Ferienunterkunft gemacht wurde. Seit einiger Zeit übernachten sie notdürftig beim Ex-Partner der Mutter. Komfortabel ist das nicht: Die Frauen müssen sich zu zweit ein Bett teilen, haben keinen eigenen Schlüssel, dürfen gegenüber Behörden seine Adresse nicht angeben – und der Strom ist auch gesperrt.
Ihnen wurde das Nürnberger Frauenzimmer empfohlen, ein Tagestreff für in Not geratene Frauen. „Es ging uns erstmals darum, Strom zu bekommen“, sagt Mathilda R. „Hier laden wir unsere Handys und Akkus auf.“ Die Einrichtung im Stadtteil Gostenhof feiert in diesem Jahr ihren 30. Geburtstag und hat montags, dienstags und donnerstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet, am Freitag von 10 bis 14 Uhr. Unter der Woche ist die 55-Jährige mit ihrer Tochter an allen vier Tagen vor Ort. „Am Wochenende wird es immer kritisch“, sagt sie mit Blick auf ihre Stromversorgung.
„Freude für alle“ unterstützt das Nürnberger Frauenzimmer
Die gelernte Hauswirtschaftlerin erzählt, dass sie früher in einer Großküche Arbeit hatte. Doch dann habe ihr Knie Probleme gemacht. Wegen der fehlenden Adresse bekomme sie kein Bürgergeld, das Flaschenpfand sei ihr bescheidener Verdienst. Da ist es gut, dass sie die Waschmaschine des Frauenzimmers benutzen kann. Auch Gutscheine für Lebensmittel wurden ihr von der Einrichtung bereits ausgegeben.
„Man kommt unter Leute, man kann sich unterhalten“, sagt Mathilda R. über das Frauenzimmer. Manche würden etwas lesen, andere sich einfach nur ausruhen. Sie selbst malt gerne. Eines ihrer Plakate hängt im Schaufenster.
„Wir bedrängen die Frauen nicht“, sagt Heidi Weißbeck, die die Anlaufstelle leitet. Man verfolge einen niederschwelligen, beziehungsorientierten Ansatz und erreiche jedes Jahr 120 bis 170 neue Frauen – zusätzlich zu denen, die wie Mathilda F. und ihre Tochter schon länger hierherkommen. „Es ist ganz wichtig, auf jede Frau individuell zuzugehen“, sagt Bianca Frysztacki, die noch kein Jahr in der Einrichtung arbeitet. „Man kann nicht alle über einen Kamm scheren.“
Notleidende Frauen in Nürnberg: Einsamkeit und Stigmatisierung
Im Hauptraum des Frauenzimmers gibt es eine Küche und vier Tische mit 24 Sitzplätzen. Die Besucherinnen des Tagestreffs können sich hier auch duschen und regelmäßig von einer Friseurin die Haare schneiden lassen. Einmal pro Woche ist die Schuldenberatung des Instituts für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA) vor Ort. Jeden Monat wird ein kleiner Ausflug angeboten, zum Beispiel in den Fürther Stadtpark. Finanziert wird das Frauenzimmer von der Stadt, der Heilsarmee, dem Sozialdienst katholischer Frauen – und Spenden.
„Viele Frauen kommen auch, weil sie einsam sind“, sagt Weißbeck. Aktuell würden sie vor allem die gestiegenen Lebensmittelpreise sowie die zunehmende Stigmatisierung von Armut spüren. Als die Einrichtung in den 1990er Jahren entstanden ist, sei die Frauenbewegung sehr stark gewesen. „Damals ist erkannt worden, dass Frauen eigene Unterstützung und Beratung brauchen“, sagt die Leiterin. „Es war Frauenkampf.“
Die Weihnachtsaktion möchte die wertvolle Arbeit des Frauenzimmers unterstützen, insbesondere damit weiterhin Gutscheine für Lebens- und Arzneimittel ausgegeben werden können. Daneben soll eine kleine Spende an Mathilda F. samt Tochter gehen, unter anderem für die Kosten eines neuen Personalausweises. Wir danken allen, die für Fall 16 spenden.