KATRIN und 36 Millionen Elektronen
Jetzt kommt ein weiteres Neutrino-Experiment ins Spiel: KATRIN (Karlsruhe Tritium Neutrino). Diese 70 Meter lange Anlage am Karlsruher Institut für Technologie dient eigentlich dazu, die Neutrino-Masse so genau wie möglich zu bestimmen. Dafür messen hochsensible Spektrometer das Energiespektrum von Elektronen, die beim Betazerfall von radioaktivem Tritium freiwerden. Dies verrät, wie viel Energie und Masse die ebenfalls erzeugten Neutrinos haben.
Genau diese Messmethode lässt sich aber auch nutzen, um nach einer vierten Neutrino-Sorte zu suchen: „Ein solches steriles Neutrino würde im beobachteten Elektronenspektrum eine zweifache Spur hinterlassen: einen erkennbaren Knick und eine allgemeine Verzerrung“, erklären die Physiker der KATRIN-Kollaboration. Für ihre aktuelle Studie haben sie daher die Energiespektren von mehr als 36 Millionen Elektronen ausgewertet, die im Laufe von 259 Messtagen detektiert und gemessen wurden.
Die neuen KATRIN-Daten (schwarz/grau schattiert) schließen sterile Neutrinos in vielen zuvor aufgrund von Detektor-Anomalien vermutete Energiebereichen aus. © KATRIN Collaboration
„Kein signifikantes Signal“
Das Ergebnis: „Es wurde bei der KATRIN-Suche kein signifikantes Signal von sterilen Neutrinos gefunden“, berichten die Physiker. Sie haben weder einen erkennbaren Knick im Energiespektrum der Elektronen, noch eine breitere Verzerrung des Spektrums nachgewiesen. Weil das KATRIN-Experiment die Energien der freigesetzten Elektronen mit sub-Elektronenvolt-Präzision und sehr geringem Hintergrundrauschen misst, sei die Zuverlässigkeit dieser Ergebnisse hoch, erklärt das Team.
Damit schließen die Resultate des KATRIN-Experiments nun große Teile des Energie- und Masse-Bereichs aus, in dem sich die sterilen Neutrinos verbergen könnten. Die Masse der hypothetischen Teilchen kann demnach nicht zwischen einem Elektronenvolt und mehrere hundert Elektronenvolt liegen. Einige der Anomalien anderer Neutrino-Experimente lagen in diesem Bereich. Doch solche leichten sterilen Neutrinos seien damit konsequent ausgeschlossen, sagt Koautor Thierry Lasserre vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg
Raum für sterile Neutrinos drastisch geschrumpft
Das bedeutet: Der Bereich, in dem sich sterile Neutrinos noch verstecken könnten, ist nun deutlich kleiner – und die Wahrscheinlichkeit für die Existenz dieser vierten Neutrino-Sorte ist stark gesunken. In Zukunft könnte das KATRIN-Experiment sogar noch striktere Grenzen für die umstrittenen Teilchen setzen: „Bis zum Abschluss der Datenerfassung im Jahr 2025 wird KATRIN mehr als 220 Millionen Elektronen im relevanten Bereich aufgezeichnet haben, wodurch sich die Statistik um mehr als das Sechsfache erhöht“, sagt Kathrin Valerius vom Karlsruher Institut für Technologie.
Im Jahr 2026 wird das KATRIN-Experiment zudem einem zusätzlichen Detektor aufgerüstet, der die Reichweite von KATRIN auch auf größere Massen der sterilen Neutrinos ausweiten kann. Eine solche Neutrino-Sorte im Kiloelektronenvolt-Massenbereich gilt als ein möglicher Kandidat für die noch immer unentdeckten Teilchen der Dunklen Materie. (Nature, 2025; doi: 10.1038/s41586-025-09739-9)
Quelle: Nature, Max-Planck-Institut für Kernphysik
4. Dezember 2025
– Nadja Podbregar