Leipzig. Es gibt Momente, da wäre Kneifen nicht schlecht. Zwicken im Sinne von: „Kneif mich mal, ich glaub‘, ich träume.“ Einen solchen Augenblick erlebte Dirk Bertram am vergangenen Samstag, dem Tag nach dem umjubelten Konzert der englischen Rock- und Pop-Ikone Rod Stewart in der Leipziger Quarterback-Immobilien-Arena.

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Bertrams Modellbahn-Geschäft, das sich seit 14 Jahren passenderweise in der Eisenbahnstraße befindet, war mittags recht gut besucht. Sehr zur Freude des Chefs, denn in der Vorweihnachtszeit muss der Laden brummen. Dann wollen der 55-Jährige und sein sechsköpfiges Team jüngere und ältere Männer besonders glücklich machen. Und sich selbst natürlich auch. Denn mehr als ein Drittel des Jahresumsatzes bringt für gewöhnlich der Advent.

Rod Stewarts Bodyguard nickt nur freundlich

Dass Bertram an jenem 29. November auch einen Promi happy machen würde, ahnte er in der Sekunde noch nicht, als kurz vor zwölf drei gut gekleidete Herren den Laden betraten. Die beiden Vorangehenden sahen sich auffallend um und checkten die Lage, während der Dritte auf die erste Vitrine mit Eisenbahnloks im Miniaturformat zusteuerte. „Da habe ich zum ersten Mal gedacht: Den Typ kennst du doch“, erzählt Bertram.

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Allmählich keimte in dem Geschäftsinhaber ein Verdacht. Rod Stewart? Von dem Konzert in Leipzig hatte er beiläufig gehört. Und von der Modellbahn-Leidenschaft des Sängers schon seit geraumer Zeit Kenntnis.

Dirk Bertram mit dem Autogramm, das Rod Stewart auf eine Lok der Baureihe 101 setzte.

„Also habe ich seinen Namen gegoogelt, mir Fotos angeschaut. Danach bestand kein Zweifel mehr: Er war es. Die ganze Aufmachung, die auffällige Kleidung, das alles passte.“ Er sei dann auf einen der Begleiter zugegangen und habe seine Vermutung zum Besten gegeben. „Der Bodyguard hat nur freundlich genickt.“

Die ersten Kunden zücken ihre Handys

Auch auf die übrigen Kunden machte der wasserstoffblonde Herr im schwarz-weiß gemusterten Designermantel den Eindruck, als könnte es sich um Mr. Stewart handeln.

Mitarbeiter Maik Mitdank tut das, was Rod Stewart am vergangenen Samstag auch tat: Er freut sich über den Leipziger Hauptbahnhof im Miniaturformat.

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Erste Handys wurden gezückt, erste Stimmen des Erstaunens laut, während der Star, dezent abgeschirmt von seinen Aufpassern, in Seelenruhe weiter von Vitrine zu Vitrine schritt.

„Vor unsere Modellanlage des Leipziger Hauptbahnhofs hat er sich dann 10, 15 Minuten lang hingesetzt und einfach nur zugeguckt, wie die Züge da rein und da raus sind“, berichtet Maik Mitdank, einer der Mitarbeiter von Modellbahn Bertram.

Ich habe seinen Namen gegoogelt, mir Fotos angeschaut. Danach bestand kein Zweifel mehr: Er war es. Die ganze Aufmachung, die auffällige Kleidung, das alles passte.

Dirk Bertram

Inhaber von Modellbahn Bertram

Das Gleiche würden im Übrigen sehr, sehr viele Kunden tun. „Sich auf die ausrangierten LVB-Sitze hocken und eintauchen in eine andere Welt, in der alles in ruhigeren Bahnen verläuft“, sagt der 48-Jährige.

Rod Stewart tankt Kraft vor dem Mini-Hauptbahnhof

Rod Stewart, der laut Ladenchef Bertram „ziemlich müde wirkte“, schien vorm Mini-Hbf ebenso Kraft tanken zu wollen. Denn auf den Leipziger Auftritt vom Freitagabend sollte noch am Samstagabend ein Gig in der Mannheimer SAP-Arena folgen. Bevor der bekennende Modellbahn-Freak von der Insel, der wie Bertram und Mitdank seit seiner Kindheit auf kleine Lokomotiven und große Anlagen steht, die Eisenbahnstraße 123 wieder verließ, langte er noch in eins der unzähligen Regale. Und zwar in das mit der Flora für die künstlichen Landschaften.

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„Er hat zwei XXL-Tüten mit Bäumen und Sträuchern vollgemacht. Bezahlt hat die einer seiner beiden Jungs“, schildert Inhaber Bertram, der daraufhin all seinen Mut zusammennahm und den prominenten Gast doch noch ansprach.

Modellbahn Bertram möbelt auch alte Anlagen auf oder nimmt sie gegebenenfalls in Zahlung. Hier nehmen Nicole Heyne und Ralf Schnirpel letzte Reparaturen vor.

Dem Wunsch nach einem Autogramm auf einer Lok der Baureihe 101 sei Sir Rod – Queen Elizabeth II. adelte die Rockröhre im Jahr 2016 – ebenso höflich nachgekommen wie der Bitte nach einem gemeinsamen Foto. Nach 45 Minuten ohne ein eigenes Wort sei der Mann mit der kratzenden Gesangsstimme so geräuschlos gegangen wie er gekommen sei, berichtet Bertram.

In den sozialen Medien geht die Post ab

Was macht ein Geschäftsmann aus dem tiefsten Leipziger Osten mit einem solch überwältigenden Erlebnis? Er teilt es in den sozialen Medien. Bei Facebook und Instagram ging alsbald die Post ab. So wurde auch die LVZ auf die Geschichte aufmerksam. Eine Geschichte, von der manche(r) glaubte, sie sei ein Fake. Denn dass Modellbahner Bertram an jenem 29. November ein Hemd trug, das eine ähnliche Musterung wie Rod Stewarts Mantel aufweist, rief Zweifler auf den Plan.

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Doch die Bedenken wischt Dirk Bertram schwungvoll vom Tisch. „Das Hemd besitze ich schon lange, und ich hatte es an diesem Tag auch nicht zum ersten Mal an. Es war halt Zufall. Und ein bisschen Glück.“

Glück, das Mut macht für die nächsten Wochen. Erste Neugierige, die den Laden zuvor noch nie betreten hatten, wurden bereits gesichtet. Zirka 10.000 Artikel rund um die große Eisenbahnwelt in kleinen Maßstäben warten an der Eisenbahnstraße auf entschlossene Käufer. Und wer etwas mehr Geld investieren will, kann sich von Modellbahn Bertram auch eine schicke Anlage für den heimischen Hobby-Keller bauen lassen.

LVZ