Stand: 04.12.2025 19:46 Uhr

Nach unnötigen Behandlungen von Brustkrebs-Patientinnen in Bremen ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. Es geht um den Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung in 34 Fällen.

Die Ermittlungen richteten sich bisher aber nicht gegen eine konkrete Person, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Bremen. Laut dem Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) soll eine Ärztin aus Göttingen bei 34 Frauen Gewebeproben falsch interpretiert haben. Die betroffenen Patientinnen hätten im Zuge der falschen Befunde eine Antikörpertherapie und in einigen Fällen eine Chemotherapie erhalten, obwohl dies nicht nötig gewesen wäre. Sie wurden nach Angaben des Klinikverbunds überversorgt. Ihre Prognose habe sich durch die falsche Behandlung vermutlich nicht verschlechtert. „Allerdings sind sowohl die Antikörpertherapie als auch die Chemotherapie mit zum Teil massiven Nebenwirkungen und möglichen Langzeitfolgen verbunden“, räumte die Geno ein. Zuerst hatte „buten un binnen“ berichtet.

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Dutzende Brustkrebs-Patientinnen unnötig behandelt (3 Min)

Gynäkologe bemerkt Behandlungsfehler

Die falschen Befunde soll nach Angaben des Klinikverbunds eine Ärztin ausgestellt haben, die in der Pathologie des Klinikums Bremen-Mitte für die Bewertung von Gewebeproben verantwortlich war. Zwischen Oktober 2024 und November 2025 soll sie dort einen spezifischen Marker falsch interpretiert haben. Betroffen seien auch Patientinnen anderer Krankenhäuser, für die das Institut entsprechende Befunde erstellt, hieß es. Aufgefallen sei die Fehlerserie einem Gynäkologen: Dieser habe bei zwei seiner Patientinnen festgestellt, dass der Tumor nicht wie erwartet auf die Behandlung ansprach. Daraufhin habe er die Befunde überprüfen lassen.

Zuständige Ärztin von Aufgabe entbunden

Der Klinikverbund kontrollierte daraufhin eigenen Angaben zufolge alle Untersuchungen der Ärztin. „Wir haben den Vorfall umfassend aufgearbeitet“, sagte eine Geno-Sprecherin. Mehr als 500 Befunde wurden laut „buten un binnen“ überprüft. In 34 Fällen seien die Ergebnisse falsch gewesen. Alle betroffenen Patientinnen wurden laut dem Klinikverbund informiert. Die Ärztin sei zudem von ihrer Aufgabe entbunden worden.

Ärztin auch am Universitätsklinikum Göttingen tätig

Wie Klinikchef Johann Ockenga in einem Interview mit Radio Bremen sagte, wurde die „erfahrene Fachärztin“ am Universitätsklinikum Göttingen ausgebildet. Daher sei man davon ausgegangen, „dass sie wirklich auf hohem Niveau unterwegs war.“ Der Klinikchef entschuldigte sich im Interview bei den Betroffenen. Bei einer fachlich ausgebildeten Kollegin werde nicht jeder Fall kontrolliert. „Es gibt qualitätssichernde Maßnahmen, sogenannte Ringversuche, wo Proben eingeschickt werden, die befundet werden und dann von jemand anderem auch befundet werden. Da war nie etwas auffällig“, sagte Ockenga. Die Klinik werde die Konsequenzen für den Fehler tragen. Um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, werde man zusätzliche Kontrollen einführen, etwa ein Vier-Augen-Prinzip.

Ärztin auch in Göttingen freigestellt

Die Ärztin arbeitete sowohl in Teilzeit in Bremen als auch in der Pathologie an der Universitätsmedizin Göttingen. Dort sei sie aber nicht in die Befundung von Brustkrebs eingebunden gewesen, sondern in einem anderen Bereich tätig gewesen, teilte eine Sprecherin mit. Trotzdem wurden ihren Angaben zufolge alle von der Ärztin bearbeiteten Fälle zwischen Oktober 2024 und November 2025 sorgfältig überprüft. Auffälligkeiten hätten sich keine ergeben. An der Universitätsmedizin Göttingen gebe es allerdings – anders als bisher in Bremen – auch das Vier-Augen-Prinzip. Die Ärztin sei auch in Göttingen bis Weihnachten freigestellt worden, um die Hintergründe im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems transparent und umfassend aufzuarbeiten, sagte die Sprecherin.

Bremer Politik fordert Aufarbeitung

Auch die Bremer Politik äußerte sich zu dem Vorfall. Bremens Gesundheitssenatorin, Claudia Bernhard (Linke), forderte eine schnelle Aufklärung auf allen Ebenen, um Fehldiagnosen zukünftig auszuschließen. Der Vorfall habe zu einem Vertrauensverlust in das Bremer Gesundheitssystem geführt, betonte die Politikerin. Zudem fordert die Linke eine umfassende psychologische und medizinische Betreuung der betroffenen Frauen sowie eine angemessene Entschädigung. Auch die Bremer Oppositionsparteien CDU, FDP und Bündnis Deutschland betonten am Mittwoch die Wichtigkeit einer Aufarbeitung der Strukturen und Abläufe im Gesundheitswesen.

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Der Eingang des Klinikums Bremen-Mitte vom Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord.

Eine Ärztin soll Gewebeproben Dutzender Frauen falsch beurteilt haben – mit teils gravierenden gesundheitlichen Folgen.

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Es beruht auf einer simplen Idee, verspricht aber eine gezieltere und sicherere Behandlung. Jetzt ist es in der Testphase.

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Krebs