Berlin – Als wäre dieser Freitag ein stinknormaler Politik-Tag, verkündet die Tagesordnung des Bundestages für heute, 11.20 Uhr: „Rentenpaket“, „zweite und dritte Lesung“ und „namentliche Abstimmung“.
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Doch normal ist nichts an diesem Tag! Es geht um mehr als „nur“ um das hochumstrittene Rentenpaket der Bundesregierung. Es geht um den Kanzler. Und für den geht es um alles!
Die Rente ist zur Abstimmung über Friedrich Merz geworden! Zu seiner Vertrauensfrage an die eigenen Abgeordneten von CDU und CSU: Habe ich, euer Kanzler, noch eine eigene Mehrheit mit euch?
Scheitert das Rentenpaket (Aktiv-, Frühstart- und Mütterrente, Haltelinie 48 Prozent) – dann ist Merz in Not! Hat er sie doch, ist trotzdem nicht mehr viel im Lot! Denn im Unions-Laden läuft’s nicht, mit der SPD ohnehin nicht.
Das liegt nur zum Teil an den Rentenrebellen der Union, die die Regierung an den Rand des Scheiterns brachten. Zu viele Unionisten haben das Gefühl, als Wahlsieger mit CDU-Kanzler der SPD hinterherzulaufen. Aus 18 Jung-Rebellen waren durch Merz- und Spahn-Fehler mehr als 40 Abtrünnige geworden.
Plötzlich redet Merz von der Kanzler-Mehrheit!
Doch Merz selbst reicht ein einfaches Durchkommen mit der eigenen Mehrheit (Mehrheit der abgegebenen Stimmen) dem Rentenpaket nicht.
Er fordert gestern Abend plötzlich die sogenannte Kanzler-Mehrheit. Merz fordert: „zwischen 316 und 328 Ja-Stimmen.“
Ein Rumms! Geht Merz „All-in“?
Denn da sich die Linke-Fraktion komplett enthalten will, würden der Koalition eigentlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen reichen (Enthaltungen zählen nicht mit). Ohne die 64 Linken reichten 283 Ja-Stimmen (630 Abgeordnete hat der Bundestag, 64 abgezogen: macht 566, davon die Hälfte: sind 283). CDU, CSU und SPD haben, wenn all ihre Abgeordneten da sind, 328 Stimmen.
Die abendliche Kanzler-Ansage aber bedeutet: Er will mehr! Der Merz-Satz bedeutet in Zahlen: Es dürften in Summe nicht mehr als zwölf Koalitionsabgeordnete fehlen, sich enthalten oder mit Nein stimmen!
Bange Freitags-Frage nun: Wie viele sind da noch?
Viele sind schon umgefallen: Carl-Philipp Sassenrath (36, CDU) sagte „Funke“: „Koalition und Kanzler brauchen eine eigene Mehrheit!“ Auch Vivian Tauschwitz (31, CDU), Rheinland-Pfalz-CDU-General Johannes Steiniger (38) und Sandra Carstensen (54, CDU).
Nur: Reicht das für die vom Kanzler selbst hochgelegte Messlatte von „zwischen 316 und 328 Ja-Stimmen“?
Denn mehrere aus der Union wollen es wie Anna Aiekens (27, CDU) machen – sich enthalten. Gut abgezählt, so hieß es aus der Fraktion, könne das gut gehen.
Mindestens zwei aber stehen so hoch auf der Renten-Barrikade, dass sie nicht wieder runter können: Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, und „Junge Gruppe“-Chef Pascal Reddig (30, CDU). Beide werden nach BILD-Informationen mit Nein stimmen. Reddig erwägt, im Bundestag zu reden.
Auf Kontra-Kurs: JU-Chef Johannes Winkel (34, l.), Junge-Gruppe-Chef Pascal Redding (30, r.) und (hinten) Yannick Bury (35)
Foto: Annegret Hilse/REUTERS
Bis zur letzten Sekunde läuft bei der Union „Mission: Aufständische umdrehen“, damit Merz durchkommt.
Aber selbst, wenn die Merz-Latte nicht gerissen wird, die Kanzler-Mehrheit steht am Ende – gelöst wäre auch dann keines der Ur-Probleme seiner Krisen-Kanzlerschaft: Kurs und Personal. Und: Immer mehr Unions-Abgeordnete sind komplett durch mit der SPD, fordern klare Kanzler-Kante.
Lenke Merz nicht um, so ein Unions-Grande zu BILD, müsse „er sich fragen, auf wen er hier noch zählen kann“.
Das Warnsignal aus den eigenen Reihen an Merz: Heute bringen WIR die Rente durch, ab morgen baust DU den Laden um. Und änderst DEINEN Kurs!