Das französische Ministerium der Streitkräfte hat unbeabsichtigt die weitreichenden Beschaffungspläne Indiens für das Kampfflugzeug Rafale offengelegt. In einer Analyse, die kurz nach der Veröffentlichung aus dem öffentlichen Zugriff entfernt wurde, bestätigte das Ministerium das indische Interesse an der Übernahme von 90 Rafale F4-Kampfjets sowie einer zusätzlichen Option auf 24 Exemplare der zukünftigen Version Rafale F5.

Obwohl noch kein endgültiger Vertrag unterzeichnet wurde, stellt diese Äußerung die bislang expliziteste offizielle Bestätigung des Umfangs und der technologischen Tiefe des geplanten Rüstungsgeschäfts dar. Die beabsichtigte Beschaffung von insgesamt 114 Flugzeugen erfolgt im Rahmen des indischen Multi-Role Fighter Aircraft (MRFA)-Programms und wird durch den jüngsten Konflikt mit Pakistan, die sogenannte Operation Sindoor, und den daraus resultierenden Druck auf die indische Geschwaderstärke beschleunigt. Der geplante Kauf stärkt nicht nur die strategische Partnerschaft zwischen Paris und Neu-Delhi, sondern positioniert Indien auch als einen der ersten internationalen Abnehmer für die Rafale F5, eine Kampfplattform der nächsten Generation mit Fokus auf vernetzten Operationen.

Die französische Bestätigung und der Kontext der Desinformation

Die überraschende Bestätigung der indischen Beschaffungsabsichten durch das französische Ministerium der Streitkräfte erfolgte in einem ungewöhnlichen Kontext. Das Ministerium reagierte mit seiner Analyse auf eine koordinierte Desinformationskampagne, die China und Pakistan nach dem Verlust eines indischen Rafale-Jets während der Operation Sindoor im Mai 2025 lanciert hatten. Ziel dieser Kampagne war es, die Leistungsfähigkeit der französischen Flugzeuge in Zweifel zu ziehen und chinesische Waffensysteme als überlegen darzustellen.

Dabei wurden in staatsnahen chinesischen und pakistanischen Kanälen gefälschte Bilder, mittels Künstlicher Intelligenz erzeugte Visualisierungen und sogar Videospiel-Screenshots verbreitet, die angebliche Abschüsse von Rafale-Jets durch chinesisch gelieferte Systeme zeigen sollten. Die französische Regierung sah sich offenbar veranlasst, dieser narrativen Kriegsführung entgegenzutreten. In der nun gelöschten Bewertung hieß es wörtlich: „Indiens Bestellung von neunzig Rafale F4 und die Option auf vierundzwanzig Rafale F5 ist ein Beispiel für das Vertrauen, das die beiden Staaten verbindet.“ Obwohl die Formulierung des Ministeriums missverständlich ist, da es sich technisch noch um eine Kaufabsicht und keine unterzeichnete Bestellung handelt, ist die Erwähnung der konkreten Zahlen und Varianten ein starkes politisches Signal und eine klare Positionierung Frankreichs in diesem regionalen Wettrüsten.

Dringender Bedarf: Das MRFA-Programm und die Operation Sindoor

Indiens Interesse an einem umfassenden Folgeauftrag für die Rafale wurde im August 2025 öffentlich, als The Times of India über Pläne der Regierung für eine Direktbeschaffung (Government-to-Government, G2G) von 114 zusätzlichen Kampfflugzeugen im Rahmen des MRFA-Programms berichtete. Das MRFA-Programm, das ursprünglich auf eine breit angelegte Ausschreibung von 114 Mehrzweckkampfflugzeugen abzielte, soll die alarmierend niedrige Geschwaderstärke der indischen Luftstreitkräfte (IAF) auffüllen. Experten halten 42 Staffeln für notwendig, doch die IAF verfügt über deutlich weniger, was angesichts des Konfliktpotenzials mit China und Pakistan als kritisch angesehen wird.

Die IAF plädierte daher für die Umgehung des traditionell langwierigen Ausschreibungsverfahrens zugunsten einer G2G-Akquisition. Als Begründung hierfür dienten der akute Engpass und die nachgewiesene Leistung der Rafale-Flotte während der Operation Sindoor im Mai 2025. Diese Operation, die als gezielte Vergeltungsmaßnahme nach einem Terroranschlag in Kaschmir erfolgte, führte zu intensiven Luftgefechten und Präzisionsschlägen entlang der Line of Control (LoC) und in Pakistan. Die indischen Streitkräfte lobten die Fähigkeit der Rafale-Jets, unter hohem gegnerischem Druck Präzisionsangriffe durchzuführen und gleichzeitig feindliche Luftverteidigungssysteme zu umgehen. Trotz des von Pakistan kolportierten Verlusts von drei Rafale-Jets, den die IAF vehement bestreitet, hat der Konflikt den Handlungsdruck auf Neu-Delhi erhöht, die Flotte rasch aufzufüllen und zu modernisieren.

Der Zwei-Stufen-Plan: Rafale F4 als Brücke zur F5-Technologie

Die geplante Akquisition gliedert sich in zwei technologische Stufen, wie die Indian Defence Research Wing im Oktober 2025 detailliert darlegte: 90 Rafale F4-Jets sollen bestellt werden, mit einer anschließenden Option auf 24 Rafale F5, deren Auslieferung ab 2030 erwartet wird. Die Rafale F4-Version stellt bereits eine signifikante Weiterentwicklung der aktuellen Flotte dar und beinhaltet umfangreiche Upgrades in den Bereichen Software, Vernetzung und Sensortechnologie. Die F4-Maschinen sollen die kurzfristige Kapazitätslücke schließen und die bestehenden 36 Rafale-Jets (die bereits in einer früheren G2G-Vereinbarung erworben wurden) in Bezug auf ihre technologische Basis vereinheitlichen und verbessern.

Die wahre strategische Bedeutung liegt jedoch in der Option auf die Rafale F5. Diese in Entwicklung befindliche Variante wird voraussichtlich die umfassendste Evolution des Kampfflugzeugs seit seiner Einführung sein. Die F5 soll eine Reihe von Schlüsseltechnologien der nächsten Generation integrieren, darunter:

  • Ein leistungsgesteigertes M88 T-REX-Triebwerk von Safran, das eine höhere Schubkraft ermöglicht.
  • Eine Architektur für bemannt-unbemanntes Teamwork (Manned-Unmanned Teaming, MUM-T), bei der der Pilot des Rafale F5 unbemannte Kampfflugzeuge (Unmanned Combat Air System, UCAS) steuern kann.
  • Die Fähigkeit zur operativen Zusammenarbeit mit einem Tarnkappen-UCAS, das aus dem nEUROn-Demonstrator von Dassault entwickelt wird.

Mit der F5 positioniert sich Frankreich an der Spitze der zukünftigen Luftkampfsysteme und nutzt die Rafale als Brückentechnologie zum europäischen Future Combat Air System (FCAS). Durch die frühe Option auf die F5 sichert sich Indien den Zugang zu diesen zukunftsweisenden Technologien und verschafft sich einen Vorsprung vor dem Zeitplan für die Entwicklung des eigenen Advanced Medium Combat Aircraft (AMCA).

Der Russisch-Französische Wettbewerb und die Geopolitik

Die französische Bestätigung kommt zu einem strategisch wichtigen Zeitpunkt, da der traditionelle Rüstungslieferant Indiens, Russland, verstärkt versucht, auf den indischen High-End-Kampfjetmarkt zurückzukehren. Berichten zufolge belebte Moskau im Vorfeld des Besuchs von Präsident Wladimir Putin in Neu-Delhi am 4. Dezember 2025 sein Verkaufsangebot für den Tarnkappenjäger Suchoi Su-57 wieder. Dieses Angebot ist als aggressiver Versuch Russlands zu werten, das zuvor gescheiterte gemeinsame Projekt FGFA (Fifth Generation Fighter Aircraft) zu ersetzen und seine Rolle als Hauptlieferant indischer Kampfflugzeuge zu festigen. Russland umwirbt Neu-Delhi dabei mit einem umfassenden Paket, das Technologie-Transfers und die Produktion der Exportversion Su-57E in Indien umfassen soll.

Die Entscheidung für eine große Rafale-Folgebestellung ist somit nicht nur eine militärisch-technische, sondern auch eine geopolitische Weichenstellung. Sie würde die Abhängigkeit Indiens von russischen Waffensystemen, die historisch bei über 65 Prozent lag, weiter reduzieren und die strategische Partnerschaft mit Frankreich vertiefen. Experten sehen jedoch die Möglichkeit, dass Indien aufgrund seines enormen Bedarfs und der Komplexität seiner Herausforderungen an den beiden Fronten sowohl die Rafale F5 als auch eine begrenzte Anzahl der Su-57 beschaffen könnte, um verschiedene technologische und politische Ziele gleichzeitig zu verfolgen. Für Frankreich wiederum würde das kombinierte F4/F5-Paket einen der größten Kampfflugzeugaufträge in der indischen Geschichte darstellen, die industrielle Basis von Dassault stärken und die langfristige technologische Zusammenarbeit mit einem der weltweit wichtigsten strategischen Partner zementieren.