„Willkommen zu unserem Weihnachtsmärchen!“, begrüßte Michael Quast, Chef der Volksbühne im Großen Hirschgraben, wie immer höchstpersönlich das Premierenpublikum. Und auch wenn Jacques Offenbachs frivole Opéra bouffe „Die schöne Helena“ alles andere als betulich vorweihnachtlich daherkommt, ist es doch durchaus märchenhaft, was der Tausendsassa Quast und seine begeisterte Truppe mit dieser für Volksbühnenverhältnisse Monsterproduktion (Ko-Regie Sarah Groß, musikalische Leitung Rhodri Britton) geschafft hat. Der obligatorische Dank an die vielen Sponsoren war mehr als berechtigt.
Denn da sitzen allein schon sechs Musiker unter der Leitung von Britton am Klavier auf der Bühne und entfachen mit dieser reduzierten Besetzung einen satten Operettenklang, der natürlich immer mal wieder absichtsvoll schräg und jazzartig daherkommt, als Arienbegleitung fungiert, immer mal aber auch mit ein paar Cellostreichern oder Flötengesäusel ironisch das Geschehen kommentiert.
Überhaupt liegt von Beginn an ein höchst amüsanter, ironischer Grundton über dem Abend, vor allem, wenn Ulrike Kinbach und Gabriel Spagna als auf ein Duo reduzierter Chor nach antikem Vorbild die vergangene Handlung beurteilen und die kommende vergeblich warnend vorwegnehmen.
Ein höchst amüsanter Grundton
Denn wir befinden uns mit Jacques Offenbachs 1864 in Paris und bald danach auch in Wien erfolgreich uraufgeführter Operette natürlich in der griechischen Antike und erleben mit, wie die Göttin Venus durch ihren törichten Schönheitswettbewerb den großen Krieg um Troja auslöst. Denn sie hat dem trojanischen Prinzen Paris (Sam Michelson) versprochen, dass er die schönste Frau der Welt bekommt.
Dummerweise ist diese schöne Helena (Ingrid El Sigai) noch mit dem recht senilen Sparta-König Menelaos (Michael Quast) verheiratet. Natürlich gelingt es dem listigen Paris, die sehr bereitwillige, ehefrustrierte Helena zu entführen, und die Griechen, allen voran der kampfbereite Achilles (Melissa Breitenbach), der herrlich korrupte Jupiterpriester Kalchas (Jochen Döring) und der virile Chef Agamemnon (Eric Lenke), schauen bedröppelt in die Röhre.
Michael Quast und Rainer Dachselt haben einmal mehr aus dem Libretto von Henri Meilhac und Ludivic Halévy einen manchmal derbhumorigen, oft auch anspielungsreich-feinsinnigen Text destilliert. Mal wird mit Bandwurmsätzen Ökonomiesprache parodiert, mal an griechischen Nationalstolz appelliert, dann wieder wollen sie, um nötige Opfergaben zu erhalten, EU-Mittel beantragen. Das geht kunterbunt durcheinander und enthält zahllose kleine Gags.
Wie schon in der vorherigen Erfolgsoperette „Die Großherzogin von Gerolstein“ sind auch dieses Mal wieder Anna Sophia Blerschs Kostüme ein Spaß für sich. Hemmungslos eklektisch werden da Togen mit Brustpanzern, Dragqueen-Fummel mit wilden Frisuren kombiniert, die Gesichter ausdrucksstark komödiantisch geschminkt. Dass man hier gesanglich keine Opernqualität erwarten darf, versteht sich von selbst, aber besonders Ingrid El Sigai und Sam Michelson tragen ihre zarten Liebesarien („Es ist ein Traum, nur ein Traum!“) überzeugend und in diesem Fall ganz ohne parodistisches Gezwinker vor, und wenn das ganze Dutzend Darsteller im Chor singt, kommt richtig Stimmung auf. Man kann die Volksbühne zu diesem etwas anderen Weihnachtsmärchen nur beglückwünschen.
Weitere Vorstellungen am 6., 12., 13., 20., 27. und 29. Dezember in der Volksbühne Frankfurt.