Binnen weniger Tage im November haben zwei Menschen ihr Leben bei Unfällen auf der Kreillerstraße in Berg am Laim verloren. Ein vierjähriger Junge starb, nachdem ein BMW mit vermutlich überhöhter Geschwindigkeit eine rote Ampel überfahren hatte und in das Auto gekracht war, in dem das Kind saß. Nur wenige Tage später wurde eine 81-jährige Fahrradfahrerin von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Die beiden Opfer gehören zu den bisher 19 Menschen, die in diesem Jahr bei Verkehrsunfällen in München ums Leben gekommen sind.

Dabei hatte sich die Stadt im Jahr 2018 per Stadtratsbeschluss auf ein großes Ziel festgelegt: die sogenannte Vision Zero. Also die Zahl Getöteter und auch Schwerverletzter im Straßenverkehr auf null zu drücken. Doch auch ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass insbesondere Radfahrer und Fußgänger noch immer großen Gefahren ausgesetzt sind. Denn sie machten seit 2010 etwa 70 Prozent aller tödlich Verunglückten bei Unfällen aus – und noch immer starben in diesem Zeitraum im Schnitt jährlich etwa 16 Menschen pro Jahr im Straßenverkehr.

Trotz des Anstiegs der Verkehrstoten in diesem Jahr sieht Mobilitätsreferent Georg Dunkel die Landeshauptstadt bei der Verwirklichung der Vision Zero auf einem guten Weg; betont aber auch, dass dieser sehr viel Zeit in Anspruch nehmen werde. Dabei richtet Dunkel seinen Blick auch in den Norden des Kontinents: Denn Helsinki hat bereits geschafft, was in München noch Wunschdenken ist. Binnen eines Jahrs, von Juli 2024 bis Juli 2025, kam in der finnischen Hauptstadt mit nahezu 700 000 Einwohnern kein Mensch mehr bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Dies, so Dunkel, habe auch damit zu tun, dass in Helsinki ein „kultureller Wandel“ zur Verkehrswende beigetragen habe.

In München scheint dieser erst langsam Realität zu werden. Immer wieder werden Grabenkämpfe geführt, wenn es darum geht, Straßen sicherer für Radfahrer und Fußgänger zu gestalten, Tempolimits oder Fahrradstraßen einzuführen, Fahrspuren für Autos zu reduzieren. Auf die Vision Zero aber konnte sich die Stadtpolitik einigermaßen einigen – ist das Ziel, das mit ihr verfolgt wird, doch unumstrittener Konsens. In der kommenden Woche wird sich daher erneut der Mobilitätsausschuss des Stadtrats mit der Vision Zero beschäftigen, was für Georg Dunkel Grund genug war, vorab über den aktuellen Stand des Projekts zu informieren.

Dabei stellte der Mobilitätsreferent klar, dass eines der zentralen Mittel der Vision Zero die Geschwindigkeitsbegrenzung ist – und in München bei der Einführung von Tempolimits der gesetzliche Rahmen auch ausgereizt werde. Mittlerweile, so Dunkel, gelte auf etwa 72 Prozent der Straßenkilometer Tempo 30 oder sogar weniger; freilich nicht auf allen rund um die Uhr, sondern in vielen Fällen wie vor Kitas und Schulen nur zu gewissen Zeiten.

Matthias Mück, Koordinator für Verkehrssicherheit im Mobilitätsreferat, erläutert, dass in München zudem jeden Tag „an Tausenden Stellen“ die Geschwindigkeit auf den Straßen überwacht werde. Flächendeckend, so Mück, sei dies aber nicht möglich. Es werde aber auch nach schweren Unfällen in vielen Fällen eine Geschwindigkeitsüberwachung eingerichtet. Ideal wäre es, ergänzt Referatsleiter Dunkel, den Straßenraum so umzugestalten, dass Autofahrer gar nicht mehr zu schnell fahren könnten. Aber: „Das ist zu teuer.“

Straßenverkehr

:Wie München zur Stadt ohne Verkehrstote werden will

16 Menschen verloren im vergangenen Jahr in München ihr Leben im Straßenverkehr. In Helsinki sind es null. Was läuft dort besser? Und wie wäre mehr Sicherheit möglich?

SZ PlusVon Martin Mühlfenzl

Um vor Schulen die Sicherheit für Kinder und Jugendliche zu erhöhen, versucht die Stadt aber eine neue Methode. Anfang 2026 werden in Trudering-Riem erstmals Schulstraßen eingeführt: im Umfeld der Grundschule Forellenstraße sowie der Grund- und Mittelschule Lehrer-Wirth-Straße. An beiden Schulen wird jeweils werktags von 7.30 bis 8 Uhr das Schulumfeld für Fahrzeuge gesperrt, Ausnahmen gelten für Anwohner, Beschäftigte, Linien- und Schulbusse sowie die Müllabfuhr. Aber nicht für die sogenannten Elterntaxis; für Väter und Mütter werden in angrenzenden Straßen sogenannte Bringzonen eingerichtet.

Das Mobilitätsreferat setzt bei der Verwirklichung der Vision Zero aber auch auf den Abbau von Unfallschwerpunkten. Hierfür würden kontinuierlich die monatlichen Unfalldaten der Polizei ausgewertet. Hat das Referat einen solchen ausgemacht, tritt die Unfallkommission – bestehend aus Mitgliedern der Polizei, der Straßenverkehrsbehörden und der Straßenbaulastträger – in Aktion. Zudem hat der Stadtrat dem Referat bereits im Jahr 2021 den Auftrag erteilt, die sogenannten freilaufenden Rechtsabbieger zu beseitigen. Bei dieser können Autofahrer nach rechts abbiegen, ohne durch die Ampelschaltung gestoppt zu werden – übersehen aber oft querende Radfahrer.

Mit solchen Bausteinen soll die Vision Zero auch in München Realität werden. Nur wann? „Nächstes Jahr sicher noch nicht“, sagt Dunkel. „Dafür benötigen wir einen langen Atem.“