Steinhagen. Das für Naturliebhaber Wichtigste vorab: Man kann auch in Herbst und Winter sicher im Teutoburger Wald, in der Patthorst und den anderen Gebieten in Steinhagen und Umgebung wandern, radeln und spazieren. Des Öfteren könnten dem Baumfreund dabei aber Kettensägengeräusche entgegenklingen. Derzeit sind relativ viele Pflegeeinsätze geplant, erklärt der Revierförster. Zwei Vollerntemaschinen, sogenannte Harvester, hat er im Einsatz, um auch in den Wäldern der Patthorst, des Ströhens und Brockhagens durchzuforsten.

Solange man mit Vernunft unterwegs sei, müsse man sich in den kommenden Monaten keine besonderen Sorgen machen – obwohl die Wälder angeschlagen sind. „Natürlich rate ich keinem, bei Sturm in den Wald zu gehen“, sagt Marius Wagemeyer.

Im Januar 2007 veränderte der verheerende Sturm Kyrill das Aussehen des Teutoburger Waldes nachhaltig. Mit Windgeschwindigkeiten bis 225 km/h zerstörte er große Flächen. In diesem Kontext lernten viele Menschen in der Region erstmals den Begriff „Borkenkäfer“ kennen. In den folgenden Jahren begann der Kampf mit dem Plagegeist, lange gingen Fachleute noch davon aus, dass Buchdrucker und Co. unter Kontrolle zu halten sind. Spätestens 2020 war dann klar: Die Zeit der Fichten im Teuto ist vorbei. Der Klimawandel hat sie ausradiert.

Förster berät 250 Forstbesitzer im Altkreis Halle

Der frührere Förster Johannes-Otto Lübke pflanzte in den vergangenen Jahren Esskastanien (Bild), aber auch Wildkirschen und Douglasien. - © Archiv/Anke Schneider

Der frührere Förster Johannes-Otto Lübke pflanzte in den vergangenen Jahren Esskastanien (Bild), aber auch Wildkirschen und Douglasien.
(© Archiv/Anke Schneider)

Der eigentlich nicht heimische Nadelbaum, der im vergangenen Jahrhundert aus wirtschaftlichen Gründen extrem häufig gepflanzt wurde, machte rund ein Drittel der Gesamtbestände im Zuständigkeitsbereich des Revierförsters aus – und fiel annähernd komplett den Käfern, Trockenheit und Stress zum Opfer. Begriffe wie „Kahlschlag“ und „Kalamität“ prägten die Debatte genauso wie die Südhänge des Teutos.

Seitdem sind fünf Jahre vergangenen. Der 31-jährige Marius Wagemeyer hat die Nachfolge des umtriebigen Revierförsters Johannes-Otto Lübke übernommen. Die meisten Kahlflächen wurden mit Landesförderung aufgeforstet. Wo das nicht geschehen ist, hat die Naturverjüngung begonnen. Die Wunden des Waldes beginnen sich zu schließen.

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Wobei eine augenscheinliche Brache auch ihre Berechtigung haben kann, wie der junge Forstfachmann erklärt. „Die Flächen sind ja nicht tot, wenn da zum Beispiel Brombeeren wachsen. So eine Sukzession kann ökologisch wertvoller sein als ein reiner Buchenwald“, sagt Wagemeyer. Am Ende werde sich der Wald ohnehin durchsetzen, das dauere nur eben einige Jahrzehnte.

Fichte ist in Steinhagen und der Nachbarschaft fast passé

Wagemeyer kennt die Flächen, auf denen die rund 250 Forstbesitzer der Gegend nachgepflanzt haben. Wer auf den alten Förster hörte, setzte sehr kleinteilig vor allem trockenheitsresistente Bäume. „Johannes-Otto Lübke hat viel Esskastanie gepflanzt“, sagt dessen Nachfolger. Auch Wildkirschen gehören zum neuen Teutoburger Wald. Genauso wie die Douglasie – die der Förster aber mit gemischten Gefühlen sieht. „Das ist gerade ein Modebaum. Er wächst schnell, das Holz ist teuer“, erläutert Wagemeyer. Für die finanziell geschädigten Waldbauern ein Geschenk, besteht bei der Douglasie aber dasselbe Problem wie zuvor bei der Fichte: Würden ganze Bereiche damit voll gepflanzt, hätten Schädlinge leichtes Spiel. Das gelte es zu verhindern.

Tatsächlich liege eine Stärke des Teutos auch darin, dass es so viele Privateigentümer gibt. Da jeder etwas anders plane, seien die Pflanzungen recht abwechslungsreich. Die eine Baumart, die alle Probleme des Klimawandels löse, gebe es nicht. Große Abwechslung müsse die Lösung sein. „Die Mischung ist das Sicherste.“ Der einzige Baum, der weder gefördert noch gesetzt wird, ist die Fichte. „Ich kenne nur einen Waldbesitzer, der noch Fichte gepflanzt hat“, sagt Marius Wagemeyer.

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Während man sich an den Gedanken gewöhnt hat, dass der skandinavische Nadelbaum in OWL ausstirbt, geht es jetzt dem zweitwichtigsten Baum des Teutoburger Waldes an den Kragen: der Buche. „Buchenwälder sind für die Region typisch. Aber reine Bestände sterben gerade teilweise flächig ab, da gibt es schlimme Bilder“, weiß der Fachmann. Auslöser ist die sogenannte „Buchenkomplexkrankheit“. Geschwächte Bäume werden von Pilzen oder Schädlingen befallen und beginnen von der Krone aus abzusterben. Seit dem fortschreitenden Klimawandel ein wachsendes Problem.

Was wird aus der Buche im Teutoburger Wald?

„Vor einigen Jahren wurde fast nur Buche gepflanzt, weil man dachte, das wäre die bestangepasste Baumart“, berichtet der Förster. Fehlanzeige, wie man heute weiß. Allerdings verjünge sich die Buche gut, so dass unter einer lichten Krone oft junge Buchen nachkommen.

Wie es mit dem Heimatbaum der Region weitergeht, will Marius Wagemeyer trotzdem nicht prophezeien. „Das weiß man nicht so richtig.“ Immerhin waren sich die Fachleute vor wenigen Jahren noch einig, dass auch die Fichte im Teuto sicher nicht aussterben wird. Überhaupt könne man für jede Baumart einen Schädling aufzählen, der ihr gefährlich wird. Da gibt es den Lärchenbock, die Rußrindenkrankheit des Ahorns, den Schlauchpilz, der die Ulme aussterben lässt, und viele mehr.

Der Klimawandel verändert unsere Wälder stetig. Was bleibt, ist der Versuch gegenzusteuern. Wer indes glaubt, zu wissen, wie der Teutoburger Wald in 50 Jahren aussehen werde, dürfte sich noch wundern.

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INFORMATION

Seit einem Jahr der neue Förster

Marius Wagemeyer hat am 1. November 2024 die Leitung des Forstbetriebsbezirks Halle von Johannes-Otto Lübke übernommen. Der Bezirk erstreckt sich über Gebiete der Kommunen Halle, Steinhagen und Werther. Wagemeyer hat Forstwirtschaft in Erfurt studiert und war zuletzt in Hessen in der Kommunalwald-Betreuung tätig. Der 31-Jährige stammt aus Lichtenau in der Nähe von Paderborn.