Mehrere Tausend Schüler und andere vor allem junge Menschen haben am Freitag in Berlin gegen die Wehrdienst-Pläne der Bundesregierung demonstriert. In der deutschen Hauptstadt versammelten sich 3000 Teilnehmer am Mittag am Halleschen Tor in Kreuzberg und liefen zum Oranienplatz. Am späteren Nachmittag fand eine weitere Demo in Neukölln statt.
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Gegen 12.20 Uhr waren der angegebene Startpunkt am Mehringplatz und die Flächen auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter der U-Bahn-Trasse so voll, dass immer mehr Menschen auf der Fahrbahn der Gitschiner Straße standen. Von diesem Moment an wurden die Gitschiner Straße und das Hallesche Ufer für den Fahrzeugverkehr gesperrt. Erst gegen 13.30 Uhr setzte sich der Demonstrationszug Richtung Oranienplatz in Bewegung. Die Schätzungen der Polizei lagen bei etwa 3000 Teilnehmenden.
Gegen 16 Uhr versammelten sich am Oranienplatz weitere junge Menschen zu einer zweiten Demonstration. Diese führt zum Rathaus Neukölln. Der Protest wurde mit 2000 Teilnehmenden bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Kurz vor dem Beginn konnte die Polizei keine Schätzungen zur Personenzahl geben, da es einen großen Abstrom von der ersten Demo gab. Die Behörde teilte jedoch mit, dass der Beginn der zweiten Demo sich auf ca. 17.30 Uhr verzögert.

Etwa 3000 Personen versammelten sich am Freitagmittag am Mehringplatz in Kreuzberg. Gegen 13.30 Uhr setzte sich der Zug Richtung Oranienplatz in Bewegung.
© Andreas Gandzior | Andreas Gandzior
Initiatoren der Demonstrationen und Schüler-Initiativen hatten zu einem „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ aufgerufen. Die Veranstalter betonten: „Wir wollen nicht als Kanonenfutter enden. (…) Wir schauen nicht stumm zu, wie wir und unsere Freunde per Los zum Töten und Sterben gezwungen werden.“ Die Senatsbildungsverwaltung hatte sich gegen den Schulstreik gewandt und auf die Schulpflicht hingewiesen.
Solidarität mit einer ganzen Generation
„Das Thema Wehrpflicht ist so aktuell und betrifft uns, dass wir auf die Straße gehen müssen“, sagte der 15-jährige Leo. „Zur Bundeswehr sollten nur Freiwillige gehen.“ Leo war mit einer Gruppe anderer Schülerinnen und Schüler von der Fichteberg-Oberschule am Halleschen Ufer unterwegs. Sorgen um die Pflicht, zu dieser Zeit eigentlich im Unterricht zu sitzen, macht er sich nicht. „Wir waren während des Unterrichts schon auf anderen Demonstrationen, und die Lehrer haben nichts gesagt.“

Schülerinnen und Schüler von der Fichteberg-Oberschule aus Steglitz.
© Andreas Gandzior | Andreas Gandzior
Obwohl Frauen von der Wehrpflicht nicht betroffen sind, sieht die ebenfalls 15 Jahre alte Alina aus der Gruppe die Teilnahme an der Demonstration als „Solidarität mit einer ganzen Generation.“ Sie denke dabei an ihre Klassenkameraden, Brüder, Freunde und Verwandte.
Schwerter zu Pflugscharen
„Meine Eltern sind nicht vor dem Krieg geflohen, damit ich hier in den Krieg ziehe“ ist auf einem handgeschriebenen Plakat zu lesen, das ein Jugendlicher in die Höhe hält. Der 16-jährige Noa trägt ein Plakat mit der Aufschrift „Schwerter zu Pflugscharen“. Das Teilzitat aus der Bibel wurde seit 1980 zum Symbol privater Abrüstungsinitiativen in der DDR, das auch Teile der westdeutschen Friedensbewegung übernahmen. „Ich bin gegen die Wehrpflicht und den Krieg“, sagt Noa. „Ich will weder töten noch getötet werden.“ Sein Plan ist die Totalverweigerung, er würde dafür soziale Dienste leisten, wie er erklärt.

Noa will den Wehrdienst total verweigern und würde stattdessen soziale Dienste leisten
© Andreas Gandzior | Andreas Gandzior
Sanktionen vonseiten der Schule werde er erst mal abwarten, das Okay zur Demoteilnahme habe er von seinen Eltern. „Es ist doch nur ein einziger Tag.“
Der Bundestag hatte am Vormittag das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz beschlossen. Die schwarz-rote Koalition hatte sich auf einen zunächst freiwilligen Wehrdienst geeinigt. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2026 in Kraft treten. Junge Männer müssen dann einen Fragebogen ausfüllen. Später sollen sie gemustert werden.
mit dpa