Wann wird Unangepasstheit zu Opposition, wann Opposition zu Widerstand? Die oppositionellen Jugendgruppen „Meuten“ aus Leipzig und »Edelweißpiraten« aus Duisburg widersetzen sich dem NS-Regime. Kurz vor dem 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Stadt Leipzig und das Theater der Jungen Welt (TdJW) am Donnerstag, 24. April, den neuen Gedenkort „Meuten Memorial“ am Lindenauer Markt eingeweiht.
Es ist der Ausgangspunkt der großen Theaterkooperation „Sounds of Resistance“, die sich mit Jugendlichen aus Ost und West der Erinnerung und der Gegenwart widmet. Das Leipziger Jugendparlament hatte den Gedenkort initiiert. Der Stadtrat beschloss daraufhin 2022, einen Gedenkort für die Leipziger „Meuten“ zu erschaffen.
Das erinnerungskulturelle Projekt ist auch eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigen politischen Ereignissen.
„Das ‘Meuten Memorial’ ist kein stilles Denkmal, sondern ein Ort mit lautem, jungem Herzschlag – gewachsen aus der Initiative junger Menschen, ermöglicht von vielen Generationen, verbunden im gemeinsamen Wollen, ein wichtiges Kapitel Leipziger Geschichte zu erinnern. Dass hier am Lindenauer Markt aus einer Idee des Jugendparlaments ein lebendiger Gedenkort für die Leipziger Meuten entstehen konnte, zeigt: Erinnerung entfaltet ihre Kraft dann am stärksten, wenn sie gemeinsam gestaltet wird – generationsübergreifend, zugewandt und zukunftsoffen“, sagt Winnie Karnofka, Intendantin des Theaters der Jungen Welt.
„Der Gedenkort würdigt den Mut der Leipziger ›Meuten‹ und macht sichtbar, wie wertvoll und notwendig, damals wie heute, der kritische Widerspruch junger Stimmen für unsere Demokratie ist.“
Und weiter betont so: „Für ein Theater war es eine besondere Herausforderung, einen Gedenkort im öffentlichen Raum mitzugestalten – im Spannungsfeld von künstlerischem Ausdruck, erinnerungskultureller Verantwortung und der Frage: Wie bleibt Erinnerung offen, wandelbar, jung?“
Theatrales Großprojekt: „Sounds of Resistance“
Um einen Entwurf für den maßgeblich vom Referat Strategische Kulturpolitik der Stadt Leipzig finanzierten Gedenkort zu erarbeiten, wandte sich die Stadt Leipzig an das Theater der Jungen Welt (TDJW). Das Team um Intendantin Winnie Karnofka initiierte mit der Jungen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg das vierteilige Projekt „Sounds of Resistance“, das sich übergeordnet mit dem Thema des jugendlichen Widerstands gegen den Nationalsozialismus beschäftigt. Es entstand im engen Austausch mit dem Dezernat Kultur, dem Jugendparlament sowie dem Stadtbezirksbeirat Leipzig Alt-West.
„Das Denkmal für die Leipziger ›Meuten‹ zeigt, wie Erinnerungskultur Gedenken und Jugendliche im Heute einbinden kann“, erklärte Hannah Lilly Lehmann, Sprecherin des Jugendparlamentes. „Erinnerung muss mehr sein als nur Plaketten, sie muss zum Mitmachen und Nachdenken anregen. Die ‚Meuten‘ waren junge Menschen, die aktiv gegen Faschismus und Unterdrückung kämpften. Ihr Mut bleibt Vorbild – für Jung und Alt.“
Laufschrift mit historischen Zitaten und Botschaften von Jugendlichen
Das „Meuten Memorial“ wurde im Rahmen des TdJW-Projekts „Sounds of Resistance“ mit den Designern Marvin Schwark und Ezra Dilger vom Kollektiv Plus X entworfen. Es besteht aus Findlingen, die einem Porphyrsteinbruch in Rochlitz entstammen. In die Steine ist eine Laufschrift aus historischen Zitaten sowie aktuellen Botschaften von Jugendlichen eingefasst.
„Rochlitzer Porphyr ist als ein Material der Machtarchitektur in Leipzig zum Beispiel auch in der Thomaskirche sowie im Alten Rathaus verbaut“, sagt Dramaturg Florian Heller. „Mit der Auswahl des Steins zeigen wir, dass ‚Meuten‘ als jugendliche Widerstandsgruppen im Nationalsozialismus ein fester Platz in der Hierarchie der Gedenkkultur zusteht.“
Schulen können mitgestalten
Ab der kommenden Spielzeit wird regelmäßig eine Leipziger Schulklasse für die wechselnde Laufschrift des Memorials verantwortlich. „Auf diese Art soll der Gedenkort veränderbar bleiben und stets aktuell auf zeitgenössische Eindrücke junger Menschen reagieren können“, erklärt Heller.
Unter künstlerischer Leitung von Regisseur und Musiker Schorsch Kamerun entstanden außerdem die musiktheatralen Performances „Wilde Bühne: Meuten Memorial Movement“ und „House of Resistance“ mit Beteiligung von Jugendlichen und Bürgerinnen und Bürgern aus Leipzig sowie Düsseldorf und Duisburg. Ein digitales Klangarchiv sammelt die Ergebnisse und kann in Zukunft durch neue Projekte auch durch Schulklassen und andere Gruppen erweitert werden.