Leipzig. Eine Oase aus Kissen: In der Johanna-Magdalena-Beyer-Schule in Lindenau können sich die Kinder in einen „Snoezelraum“ zurückziehen, um zu dösen. So legt es jedenfalls das niederländische Fantasiewort nahe. In der Geschwister-Scholl-Schule in Gohlis sind mitten in die Bücherregale erhöhte, gepolsterte Sitzecken montiert.

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Riesige Treppenstufen dienen in der Aula der Marie-Curie-Schule in Wiederitzsch nebenbei als Bühne für Theater und Chorkonzerte: für das ganze Viertel. Dort sowie in der Johanna-Moosdorf-Schule im Zentrum-Südost erleichtern Bodenleitsysteme, Tastmarkierungen und Brailleschrift die Orientierung für sehbeeinträchtigte Menschen.

Schüler-Demo 800 Meter weiter

„Welchen Raum geben wir jungen Menschen?“ Der Erziehungswissenschaftler Jonas Flöter sagt, dass er die Frage wörtlich und im übertragenen Sinn meine. Rund 800 Meter weiter nehmen sich Leipziger Schülerinnen und Schüler am Wilhelm-Leuschner-Platz den öffentlichen Raum, um gegen Wehrdienst zu demonstrieren. Im Schulmuseum haben ihr Kultusminister, ihre Schulbürgermeisterin, der Oberbürgermeister und viele weitere Erwachsene hohen Ranges am Freitag zur gleichen Zeit die Ausstellung „Freiräume für Bildung“ eröffnet. Und gefeiert, dass das Museum 25 Jahre alt wird.

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Flöter hat die Schau zusammen mit Studierenden der Universität Leipzig und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) gestaltet. Sie solle zeigen, erklärt er, „wie eng Raumgestaltung und Lernen miteinander verflochten sind“. An 16 Leipziger Schulen hatten sie sich dafür umgeschaut.

Eröffnung der Sonderausstellung „Freiräume für Bildung“ im Leipziger Schulmuseum.

Unter einer Treppe der Leipzig International School ermöglichen Gymnastikbälle und eine Matratze wahlweise bewegtes oder entspanntes Lernen. Aula und Mensa der Quartiersschule an der Ihmelsstraße dienen zugleich als Stadtteilhaus: In Musikschule und Volkshochschule trifft die Nachbarschaft auf Schulkinder.

Die Schülerinnen und Schüler sehen hier, wie sich Lernen verändern kann, wenn sich die Gesellschaft wandelt.

Vicki Felthaus

Leipziger Schulbürgermeisterin

Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus (Grüne) betont, dass sie das Schulmuseum mag, weil „die Schülerinnen und Schüler hier sehen, wie sich Lernen verändern kann, wenn sich die Gesellschaft wandelt“. Die neue Sonderausstellung zeigt die Gegenwart – und die Zukunft: zum Beispiel Skizzen der im Bau befindlichen Gemeinschaftsschule am Dösner Weg. Und in der Dauerausstellung können die Gäste nachempfinden, wie sich ein Klassenzimmer zur Kaiserzeit oder in der DDR anfühlte.

Rund 55 Prozent aller Leipziger Schülerinnen und Schüler haben das bereits ausprobiert, auch Felthaus’ eigene Kinder. „Danach gab es Diskussionen zu Hause.“ Bis zur 8. Klasse hatte sie eine Polytechnische Oberschule besucht. Dann wechselte mit der Wiedervereinigung auch das Bildungssystem.

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Sachsens Kultusminister Conrad Clemens (CDU) erzählt von seiner Mutter, die in der DDR aus politischen Gründen kein Abitur machen durfte. „Im Schulmuseum lässt sich erleben, wie Schule heute hoffentlich nicht mehr aussieht“, sagt er. Weil auch die Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ den Lerneffekt wertschätzt, hat sie das Museum zum Jubiläum zu einem „Ort der Demokratiegeschichte“ erklärt.

Lebendiges Lernlabor

Bis 1999 hatten die etwa 25.000 Exponate in Kellern gelagert. Dank einer Kooperation zwischen Stadt, Uni Leipzig und HTWK gelang es, die Sammlung ans Tageslicht zu befördern. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) war daran damals als Beigeordneter für Jugend beteiligt. „Es ist gelungen, ein lebendiges Lernlabor zu errichten, das weit über traditionelle Museumsarbeit hinausgeht“, findet er.

Für die Studierenden der Museologie und Museumspädagogik an der HTWK, so Rektor Jean-Alexander Müller, sei es Gold wert, Ausstellungen zu organisieren. Und auch Leipzig profitiere, sagt er: „Die Stadt nutzt, was ihre Wissenschaft bieten kann. Dieses Prinzip müssen wir auch in andere Bereiche transportieren.“

Das Schulmuseum, Goerdelerring 20, ist montags bis freitags, jeweils von 9 bis 16 Uhr, geöffnet.

LVZ