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Trumps Sicherheitsstrategie düpiert EU – weitere Sticheleien am Samstag
Der Inhalt des Papiers hat es in sich. Italiens Regierungschefin Meloni bleibt gelassen, Brüssel versucht, die Wogen etwas zu glätten.
Publiziert heute um 16:30 Uhr Aktualisiert vor 3 Stunden
Das neue Sicherheitspapier seiner Regierung sieht die Bedeutung Europas im Niedergang: US-Präsident Donald Trump, hier am Freitag in Washington bei der Auslosung der Gruppen für die Fussball-WM 2026.
Foto: Patrick Smith (AFP)
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Die neue Sicherheitsstrategie der USA sorgt mit ihrer scharfen Kritik an Europa für Spannungen in den transatlantischen Beziehungen. Während die Attacken aus Washington andauerten, bemühte sich die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas , die Wogen zu glätten. «Die USA sind immer noch unser grösster Verbündeter», sagte Kallas beim Doha Forum, einer jährlich stattfindenden diplomatischen Konferenz in Katar.
Trotz Differenzen bei verschiedenen Themen zwischen den USA und Europa gelte das «allgemeine Prinzip» weiterhin: «Wir sind die engsten Verbündeten und sollten zusammenhalten.» Natürlich gebe es viel Kritik, räumte Kallas ein, und «einen Teil davon halte ich auch für wahr». So habe Europa die eigene Macht gegenüber Russland beispielsweise unterschätzt. «Wir sollten selbstbewusster sein, das ist sicher.»
Meloni sieht keinen Bruch
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sieht angesichts der neuen US-Sicherheitsstrategie keine Krise im transatlantischen Verhältnis. «Ich würde nicht von einem Bruch der Beziehungen zwischen den USA und Europa sprechen», sagte die Regierungschefin in einem Fernsehinterview. Das jüngste Strategiedokument enthalte zwar deutliche Bewertungen zur Politik der EU, dies sei jedoch Teil einer länger laufenden Debatte zwischen beiden Seiten.
Sie betonte, Europa müsse verstehen, «dass es, wenn es gross sein will, in der Lage sein muss, sich selbst zu verteidigen und nicht von anderen abhängig sein kann». Meloni fügte hinzu: «Wenn man seine Sicherheit an jemand anderen auslagert, muss man wissen, dass es einen Preis dafür gibt.»
Weitere Sticheleien am Samstag
Aus den USA rissen die Attacken gegen Europa indessen nicht ab. Anlässlich einer Entscheidung der EU, eine Millionenstrafe gegen Elon Musks Onlineplattform X wegen Transparenzmängeln zu verhängen, äusserte sich der Vize-Aussenminister der USA, Christopher Landau, erneut kritisch. In einem X-Beitrag beschwerte er sich über die Doppelrolle der Staaten, die sowohl der Nato als auch der EU angehörten.
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Hätten diese Staaten ihren «Nato-Hut» auf, pochten sie auf die Bedeutung der transatlantischen Zusammenarbeit, schrieb Landau. Mit ihrem «EU-Hut» verfolgten sie gleichzeitig aber politische Agenden, «die oft den Interessen und der Sicherheit der USA völlig zuwiderlaufen». Als Beispiele nannte er unter anderem «Zensur, wirtschaftlichen Selbstmord / Klimafanatismus, offene Grenzen». Die USA könnten diesen Widerspruch nicht länger ignorieren, schrieb Landau weiter. «Wir können nicht so tun, als wären wir Partner, während diese Nationen zulassen, dass die ungewählte, undemokratische und nicht repräsentative Bürokratie der EU in Brüssel eine Politik des zivilisatorischen Selbstmords verfolgt.»
Migration als grösstes Problem
Die USA könnten nach den Worten der rechten Politikerin aufgrund ihrer Stärke ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen und durchsetzen. Europa müsse dasselbe tun und allein eigene Interessen in den Blick nehmen. «Und zwar nicht, weil die Amerikaner es uns sagen, offen gestanden, sondern weil wir selbst davon überzeugt sein müssen», so Meloni.
Die neue US-Sicherheitsstrategie war am Donnerstagabend vom Weissen Haus veröffentlicht worden und zeichnet ein düsteres Bild von der Lage in Europa. Darin brandmarkt US-Präsident Donald Trump unter anderem die aktuelle politische Landschaft in der EU als Bedrohung für amerikanische Interessen. Beklagt wird ausserdem ein Verlust der Demokratie und Meinungsfreiheit in Europa und eine Kurskorrektur gefordert.
Mit der Warnung sind auch Forderungen verbunden: Die USA fordern eine Kurskorrektur. Europa stehe vor grossen Problemen, heisst es in dem Dokument.
Argumentationslinien wie in rechten Kreisen
Unterm Strich geht es um Abschreckung nach aussen, die rigorose Durchsetzung amerikanischer Wirtschaftsinteressen und um ein klar umrissenes Bild davon, wer dazugehört und wer nicht.
Dabei schlägt das Dokument einen Ton an, der koloniale Denkweisen des 19. Jahrhunderts wiederbelebt. Das zeigt sich nicht nur in der Afrika-Passage – wo Entwicklungshilfe kritisiert und mehr Zugang zu Rohstoffen gefordert wird –, sondern auch in Formulierungen zu Europa – die Trump-Regierung bedient sich Argumentationslinien, wie sie in rechten Kreisen verbreitet sind: Die grössten Gefahren seien Migration, sinkende Geburtenraten und ein vermeintlicher «Verlust nationaler Identität».
Zwischen den Zeilen wird so eine rassistisch anmutende Vorstellung von Zugehörigkeit in staatliche Strategie gegossen, für Europa wie für die USA selbst. Vielfalt soll keine Rolle spielen, die «westliche Identität» und gesellschaftliche Einheit dagegen gelten als Stärke. Die beschworene «goldene Zukunft» der USA beruht auf «traditionellen Familien» und der Ehrung «vergangener Errungenschaften und Helden». Eine kritische Aufarbeitung der dunkelsten Kapitel der amerikanischen Geschichte – etwa die Sklaverei – gehört zu diesem Selbstverständnis nicht dazu.
Frieden mit Moskau
Europäischen Politikern wirft die Trump-Regierung «unrealistische Erwartungen» und eine politische Blockadehaltung im Ringen um Frieden mit Moskau vor. Aus Sicht Washingtons erschwert das die Wiederherstellung von Stabilität auf dem Kontinent – einschliesslich einer neuen «strategischen Stabilität mit Russland», die das Dokument ausdrücklich als Ziel nennt. Kritische Worte für den Kreml als Aggressor im Krieg gegen die Ukraine enthält der Text nicht.
Ziel der amerikanischen Politik müsse es sein, Europa «auf den richtigen Kurs» zurückzuführen. Als eng verbandelt mit der Trump-Regierung gelten der nationalistische ungarische Regierungschef Viktor Orban, aber auch die deutsche AfD.
Der Nahe Osten spielt in der neuen Strategie dagegen nur eine Nebenrolle – entsprechend knapp fällt das Kapitel zur Region aus. Die Gegend habe ihren früheren strategischen Stellenwert verloren, vor allem weil die USA wieder mehr eigene Energie produzierten, und viele Konflikte dort aus amerikanischer Sicht weniger unmittelbare Gefahren für die USA mit sich brächten.
Sicherheit in Europa
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Das neue Sicherheitspapier seiner Regierung sieht die Bedeutung Europas im Niedergang: US-Präsident Donald Trump, hier am Freitag in Washington bei der Auslosung der Gruppen für die Fussball-WM 2026.
Foto: Patrick Smith (AFP)