
Es wurde nochmal richtig spannend, aber am Ende half Max Verstappen im Red Bull auch der Sieg in Abu Dhabi nicht mehr: Lando Norris hat im McLaren seinen ersten Weltmeistertitel in der Formel 1 eingefahren.
Norris rettete seinen WM-Triumph am Ende als Tagesdritter hinter Verstappen und Oscar Piastri mit dem Mini-Vorsprung von zwei Zählern: 423 Punkte hatte der Engländer schließlich, und Verstappen, der nach dem Zandvoort-Rennen am letzten August-Wochenende schonmal 104 Zähler Rückstand auf die Spitze hatte, kam auf 421.
Triumph mit vielen Tränen
Als Norris über die Ziellinie fuhr, brachen die Emotionen heraus: In seiner Box rasteten Freundin Magui Corceiro und seine ganze Familie aus, der Engländer selbst brach sofort in Tränen aus und musste sich bei der Ehrenrunde immer wieder über die Augen wischen, um überhaupt noch etwas sehen zu können. In der McLaren-Garage sprang Teamchef Zak Brown durch die Gegend, ballte die Fäuste und sagte bei Sky: „Unglaublich, beide Fahrer waren während des ganzen Jahres unglaublich stark, wir sind so stolz.“
Norris sagte anschließend immer noch unter Tränen: „Es ist überragend, es fühlt sich unfassbar an. Ich muss jetzt mal aufhören zu weinen, ich sehe ja wie ein Loser aus. Aber wir haben es geschafft, ich kann nur allen danken. Es war ein hartes Rennen, ich habe gepusht und gepusht, erst ganz am Ende konnte ich mal ein bisschen Gas rausnehmen. Es gibt nicht viele Menschen, die das erreichen dürfen, es war eine lange Reise mit McLaren – jetzt bin ich nur noch stolz für alle Leute hier, die mich zum Weinen gebracht haben.“
Piastri war keine Hilfe für Norris
Gemäß den oft diskutierten „Papaya-Regeln“ im McLaren-Rennstall fuhr Piastri, der zuvor auch noch minimale WM-Chancen hatte, das Rennen komplett auf eigene Rechnung und war keine Hilfe für seinen Teamkollegen. In der ersten Runde zog er an Norris vorbei, gab ihm danach auch keinen Windschatten. Doch Norris hielt Charles Leclerc im Ferrari hinter sich letztlich auf Distanz – sonst wäre ihm der Titel tatsächlich noch entglittten.
Beim Start hatte sich Max Verstappen mit der von ihm gewohnten Konsequenz durchgesetzt, doch dahinter passierte Erstaunliches: In Kurve neun der ersten Runde fuhr Oscar Piastri außen an Lando Norris vorbei, dem es sichtlich an Pace fehlte, um dagegenzuhalten.
Leclerc immer wieder im Heck von Norris
Renntaktisch gesehen wäre es anschließend aus McLaren-Sicht logisch gewesen, dass Piastri – wenn er schon keine Chance hat, gegenüber Verstappen aufzuholen – seinem Teamkollegen Windschatten gibt, damit der nicht auch noch auf Platz vier zurückfällt. Doch die seit Monaten immer wieder heiß diskutierten „Papaya-Regeln“ bei McLaren besagen, dass jeder Fahrer, der noch eigene Chancen hat, diese auch wahrnehmen darf – genau das tat Piastri dann auch ohne jede Rücksicht auf Norris.
Rund zwölf Runden lang drohte Norris daraufhin tatsächlich, sogar auf Rang vier durchgereicht zu werden. In seinem Heck tauchte immer wieder Charles Leclerc im Ferrari auf, er bewegte sich mehrfach im DRS-Fenster, also in dem Sekunden-Bereich, in dem überholt werden darf – diese Regel wird ab der kommenden Saison übrigens abgeschafft.
Zak Brown gibt sich gelassen
McLaren-CEO Brown beobachtete die Szenerie genau, tat aber bei Sky England so, als wäre er völlig gelassen: „Die Situation ist nicht komfortabel, aber es sieht alles gut aus.“ Er sei auch gar nicht überrascht, dass seine beiden Piloten die Plätze getauscht hatten. Ob das so stimmte, erschien eher zweifelhaft – doch Leclerc kam nicht an Norris vorbei.
In der 17. Runde ging dann Norris als Erster der Top-Fahrer an die Box. Danach war er zwar auf frischen Reifen unterwegs, steckte aber im Verkehr der Hinterbänkler fest – und musste sich beispielsweise mit großem Einsatz gegen einen Angriff von Liam Lawson aus dem zweiten Red-Bull-Team erwehren.
Großes Ausrufezeichen zwischendurch: Nach 20 Runden hatte Nico Hülkenberg im letzten Rennen für Sauber (danach übernimmt Audi den Rennstall) die schnellste Rennrunde gefahren – er war nach einem schwachen Qualifying nur von Platz 18 aus ins Rennen gestartet.
Tsunoda übertreibt es mit der Hilfeleistung
Norris ordnete sich nach seinem Stopp auf Platz acht wieder ins Feld ein, und plötzlich gab es eine Situation, die einen ganz schlechten Beigeschmack hatte. In der 22. Runde war Norris wieder bis auf Platz vier vorgefahren und lag plötzlich hinter Yuki Tsunoda, dem Stallgefährten von Verstappen. Der Japaner bekam über Boxenfunk mitgeteilt, dass sich Leclerc wieder Norris nähert, was der natürlich als Aufforderung empfand, Norris möglichst etwas einzubremsen. Das übertrieb er allerdings deutlich: Er fuhr ein bisschen Zickzack und ließ keinen Platz zum Überholen – Norris tat es trotzdem, allerdings neben der Strecke auf dem Randstreifen.
Daraufhin griff die Jury ein und nahm den Vorfall unter die Lupe: Überprüft wurde das Zickzack-Fahren und das Abdrängmanöver von Tsunoda, aber auch die Frage, ob Norris überhaupt neben der Strecke hätte überholen dürfen. Es drohte also tatsächlich eine Fünf-Sekunden-Strafe für den WM-Führenden, der dadurch hinter Leclerc zurückgefallen wäre – doch die Rennleitung traf nach mehreren Minuten die richtige Entscheidung und brummte nur Tsunoda fünf Sekunden auf.
Der Japaner ärgerte sich über Funk und gab vor, er habe sich gegen Norris nur verteidigen wollen. Brown ordenete die Szene realistischer ein: „Es ist Teamsport, natürlich darf Yuki Max helfen. Aber das war gefährlich und unnötig, das geht ganz klar auf Yukis Konto. Lando nicht zu bestrafen, war eindeutig die richtige Entscheidung.“
Langes Warten auf Piastris ersten Boxenstopp
An der Spitze lag nach 30 Runden Piastri, der als Einziger der Top-Fahrer immer noch nicht an der Box war. Auf seinen immer schlechter werdenden Reifen verlor er Runde für Runde deutlich gegenüber Verstappen – eine mögliche Erklärung für diese Taktik könnte gewesen sein, dass McLaren auf ein Safetycar gehofft hatte.
In Runde 41 und 42 wurde es nochmal spannend. Norris fuhr zum zweiten Mal an die Box, an der Spitze war Verstappen mit einem Stopp auf Piastri (null Stopps) aufgefahren – und setzte zum Überholmanöver an. Eine Berührung der beiden Fahrzeuge hätte folgenschwer enden können – doch Piastri verhielt sich vollkommen fair, ließ Verstappen ziehen und fand sich dann anschließend auch endlich mal zum Reifenwechsel ein.
Danach war wieder die alte Reihenfolhe hergestellt: Verstappen führte vor Piastri und Norris, der aber weiterhin Leclerc im Nacken hatte. Doch der Abstand war relativ komfortabel, der Monegasse kam nicht mehr Schlagdistanz – und am Ende feierte Norris mit Freundin und Familie den größten Tag seiner Rennfahrer-Karriere.
