München – Für den Vorsitzenden Richter des Münchner Schwurgerichts bleibt der „Halt’s Maul“-Eklat in einem Mordprozess erst einmal ohne Konsequenzen! Deutschlands höchstes Gericht hat über seine Entgleisung entschieden.

Im Prozess gegen Hayati Ö. – er soll vor 25 Jahren seine Frau nach der Trennung getötet haben – platzte Richter Norbert Riedmann im Februar der Kragen. Als der Bruder des Angeklagten aussagte, beleidigte der Vorsitzende den Zeugen: „Sie halten jetzt endlich Ihr Maul!

Der Angeklagte Hayati Ö. beim Prozess mit seinen Anwälten Dr. Adam Ahmed (re.) und Ömer Sahinci

Der Angeklagte Hayati Ö. beim Prozess mit seinen Anwälten Dr. Adam Ahmed (r.) und Ömer Sahinci

Foto: Theo Klein

Verteidiger Dr. Adam Ahmed stellte nach dem Eklat mehrfach Befangenheitsanträge, zog damit bis vor das Bundesverfassungsgericht. Der Prozess drohte zu platzen. Doch das höchste Gericht lehnte die Beschwerde ab.

Auf Anfrage teilte das BVerfG mit: „Die Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss nicht zur Entscheidung angenommen.“

Seher Ö. wurde Anfang 2000 erdrosselt in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Tat sollte wie ein Suizid aussehen

Seher Ö. wurde Anfang 2000 erdrosselt in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Tat sollte wie ein Suizid aussehen

Foto: Privat

Anwalt zum Halt’s-Maul-Eklat des Richters: „Indiskutabel!“

Nun will der renommierte Anwalt den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen. Ahmed: „Die Aussage des Richters ist indiskutabel und sucht seinesgleichen.“

In einer Stellungnahme hatte der Richter erklärt, er habe nach dem Vorfall gesagt: „Ich bedauere, dass mir der Kragen geplatzt sei“. Ahmed hingegen behauptet: „Es gab keine Entschuldigung.“

Ein Foto des Angeklagten Hayati Ö. (heute 57) aus dem Jahr 2003

Ein Foto des Angeklagten Hayati Ö. (heute 57) aus dem Jahr 2003

Foto: Klein Theo

Der Prozess läuft derweil weiter. Der Kronzeuge berichtete über die Ehe-Hölle des Opfers.

Kronzeuge berichtet über Ehe-Hölle des Opfers

Seher Ö. war 14 Jahre alt, als sie Hayati Ö. – ihren Cousin – habe heiraten müssen. Mit 18 sei sie nach Deutschland gekommen, das Paar bekam vier Kinder. Der Kronzeuge: „Sie war viel zu jung, sah noch aus wie ein Kind.“

Der Tatort: In diesem Mehrparteienhaus im Münchner Stadtteil Hasenbergl lebte das Opfer nach der Trennung

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Foto: Theo Klein / BILD

Seher Ö. sei für die Familie des Angeklagten eine Art Haussklavin gewesen, durfte nur zum Einkaufen das Haus verlassen. „Wenn sie etwas falsch machte, wurde sie geschlagen. Ihr Mann hat sie oft gewürgt“, behauptet der Zeuge. Die Frau habe häufig ihr Leid geklagt.

Als sie sich trennte und sogar neu verliebte, sei es für Hayati Ö. eine Schmach gewesen. „Er verlor in der Nachbarschaft sein Gesicht, musste Rache nehmen. Sie musste sterben“, so der Zeugen. Ihm soll Ö. vor 25 Jahren die Tat auch gestanden haben. „Er sagte: Ich habe sie umgebracht. Sie ist tot. Es ist vorbei.“

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Im Jahr 2000 aber verschwieg der Zeuge – damals ein Jugendlicher – der Polizei dieses Detail. Hayati Ö. kam frei. Jetzt belastet der Kronzeuge den Türken schwer, aufgrund seiner Aussage wurde der Fall 25 Jahre später neu aufgerollt. Anwalt Ahmed zweifelt die Glaubwürdigkeit des Zeugen jedoch an. Daher soll er nochmals aussagen.