Es ist wohl kein Geheimnis, dass die derzeitige US-Regierung nicht viel von Journalisten hält. Präsident Donald Trump nannte kürzlich eine Reporterin, die ihn zu seiner Rolle im Epstein-Skandal befragte, schlicht „Piggy“. Kürzlich war es der Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, wichtig zu erwähnen, wie viel Zeit ihres Arbeitsalltags dafür draufgeht, angeblich falsche Darstellungen von White-House-Korrespondenten zu korrigieren: „Die Fake News, die aus diesem Gebäude jeden Tag rauskommen, sind so zahlreich, dass es ehrlich gesagt fast unmöglich ist, Schritt zu halten“, sagte Leavitt.
Neues Portal als „Hall of Shame“ für Medien
Als Reaktion auf die angeblichen „Fake News und Angriffe“ der Reporterinnen und Reporter hat das Weiße Haus eine Webseite eingerichtet. Auf ihr listet die Regierung Medienorganisationen und Reporter auf, die ihrer Ansicht nach falsche, einseitige oder irreführende Geschichten veröffentlichen.
Die Plattform „Media Offenders“ präsentiert sowohl die „Täter der Woche“ als auch eine „Hall of Shame“. Auf vier Seiten listen die Macher ihnen nicht genehme Medienberichte auf, die das Weiße Haus in Kategorien wie Voreingenommenheit, Lüge, falsche Behauptung, Fehlverhalten, fehlender Kontext, Fehlinterpretation, zirkuläres Berichten, Unterlassung und „linken Wahnsinn“ unterteilt hat. Anfang Dezember erklärte das Weiße Haus, man habe mit der Webseite „einen Flammenwerfer auf die Fake-News-Medien gerichtet“.
Sorge um die Pressefreiheit in den USA wächst
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Experten: Rhetorik gefährdet Journalisten
Katherine Jacobsen vom Committee to Protect Journalists sieht das deutlich anders: „Wenn die Sprache auf der Webseite aussieht wie eine Schmutzkampagne und auch danach riecht, dann ist es wahrscheinlich eine Schmutzkampagne“, sagte sie. „Das ist sehr beunruhigend.“ Jacobsen warnt, dass die Webseite der US-Regierung nicht nur verbale Angriffe auf die Presse erleichtere, sondern auch reale Gefahren schaffe. Die Seite nennt nämlich auch die Namen der Reporter, die die jeweiligen Berichte geschrieben oder produziert haben.
„Diese Journalisten versuchen, Fakten ans Licht zu bringen und für Transparenz zu sorgen“, sagt Jacobsen. „Solche Rhetorik heizt die Stimmung auf und macht es gefährlicher für Journalisten, die einfach nur ihren Job machen.“
Jonathan Katz vom Thinktank Brookings Institution beurteilt das ähnlich: Die Webseite wirke bedrohend auf viele Medien. „Das kann eine abschreckende Wirkung für die freie Meinungsäußerung und auf unabhängige Medien haben“, sagte er. „Wir beobachten genau, wie sich das auf die Pressefreiheit in den USA auswirkt.“
Gibt Pressebriefings im Weißen Haus: Karoline LeavittBild: Evan Vucci/AP Photo/dpa/picture alliance
Pressefreiheit als Fundament der US-Demokratie
Wenn die Pressefreiheit eingeschränkt wird, widerspricht das dem Kernprinzip der Vereinigten Staaten. Der erste Zusatzartikel der US-Verfassung sagt: „Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das die Redefreiheit oder die Pressefreiheit einschränkt.“ Schon 1776 beschlossen die Gesetzgeber in Virginia eine „Declaration of Rights“: „Die Freiheit der Presse ist eines der größten Bollwerke der Freiheit und kann nur durch despotische Regierungen eingeschränkt werden.“
Ben Bradlee, von 1968 bis 1991 Chefredakteur der Washington Post, sagte schon 2009: „Sie werden nie einen Reporter hören, der sagt, dass die Beziehungen zur Regierung gut sind. Denn wenn er das sagen würde, würde er wahrscheinlich lügen. Die Regierung würde ihn dann zu gut behandeln. Sie muss uns nicht gut behandeln.“
Trump: Ständige Attacken gegen Medien
Das Verhältnis zwischen der Trump-Administration und den Medien war noch nie harmonisch. Nun ist es aber die ureigenste Aufgabe von Journalisten, der Regierung auf die Finger zu schauen. Dabei berichten sie gelegentlich über Dinge, die der Regierung nicht passen. Und klar, manchmal fühlen sich auch Journalisten von der Regierung schlecht behandelt. So weit, so normal in einer freien Demokratie.
Doch der Fall der Webseite „Media Offenders“ ist anders gelagert. Er zeigt, wie ungewöhnlich aggressiv die aktuelle Regierung gegen die Presse vorgeht. „Jeder Präsident hatte schon mal Probleme mit den Medien. Aber einen Präsidenten, der die Medien so angegriffen hat wie Trump, das hat es noch nicht gegeben“, sagt Tom Jones vom Poynter Institute. „So konfrontativ wie Donald Trump ist keiner.“
US-Präsident Trump scheut nicht davor zurück, ganze Medienhäuser bei Pressekonferenzen als „Fake News“ zu bezeichnenBild: Ron Sachs/Newscom World/IMAGO
US-Amerikaner gespalten in ihrer Meinung
Für Pressesprecherin Leavitt sind die Journalisten selbst verantwortlich, nicht Trump: „Der Standard im Journalismus ist in diesem Land auf ein historisches Tief gefallen“, klagt sie.
Viele republikanische Wähler stimmen ihr offenbar zu. Vor der Präsidentschaftswahl 2024 sagten 60 Prozent der republikanischen oder republikanisch orientierten Wähler, dass die Medien die Wahl schlecht oder sehr schlecht abdecken würden. Unter Demokraten sahen 77 Prozent die Berichterstattung als gut oder sehr gut an.
Jones vom Poynter Institute betont nochmal, dass politische Journalisten eine wichtige Aufgabe erfüllten. „Die Medien müssen die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen“, sagt er. „Dabei sind sie nicht immer perfekt, aber ihre Berichterstattung basiert auf gründlicher Recherche und Fakten.“
Und Katz vom Thinktank Brookings Institution, Mitautor des Brookings-Berichts „Democracy Playbook 2025“, erklärt: „Eine der Säulen, die für die Demokratie unverzichtbar sind, ist die der freien und unabhängige Medien. Sie sind nötig für Transparenz und Kontrolle. Diese Säule wird derzeit angegriffen.“
Aus dem Englischen adaptiert von Friedel Taube.