Norbert Röttgen (Archivbild)

Stand: 08.12.2025 01:32 Uhr

Mehrere deutsche Politiker haben besorgt auf die neue US-Sicherheitsstrategie regiert. Sie werten sie als deutliches Zeichen einer Abkehr von Europa. CDU-Politiker Röttgen sprach von einer „zweiten Zeitenwende“.

Am Freitag hatten die USA ihr neue Sicherheitsstrategie veröffentlicht, in der sie Europa Vorwürfe machen, gleichzeitig aber kaum auf Russland eingehen, das derzeit einen Angriffskrieg auf ein europäisches Land führt. Die Reaktionen in Europa fielen zunächst eher zurückhaltend aus. Inzwischen äußern sich aber vermehrt Politiker mit deutlichen Worten.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte, die neue außenpolitische Positionierung der USA sei eine „zweite Zeitenwende“. Die erste Zeitenwende hatte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ausgerufen und eine massive Aufrüstung der Bundeswehr angekündigt. Röttgen sagte im Gespräch mit den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland weiter, erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stünden die USA nicht mehr an der Seite der Europäer. Und die USA stünden auch nicht mehr an der Seite der Ukraine, gegen die ein brutaler Vernichtungskrieg geführt werde.

USA wollen „Europa bei der Korrektur helfen“

Die Nationale Sicherheitsstrategie ist ein Dokument, das in regelmäßigen Abständen von der US-Regierung veröffentlicht wird. Es umreißt die außenpolitische Vision eines Präsidenten und dient als Leitfaden für Regierungsentscheidungen. In ihrer neuen Sicherheitsstrategie beklagen die USA unter anderem einen Verlust der Demokratie und Meinungsfreiheit in Europa und fordern eine Kurskorrektur. Zudem heißt es dort Ziel der USA müsse es sein, „Europa bei der Korrektur seines derzeitigen Kurses zu helfen“.

Röttgen sagte dazu, die USA definierten es auch als außenpolitisches Ziel, sich in die inneren Angelegenheiten der europäischen Staaten einzumischen. „Ziel ist, unsere innere Verfassung nach den gegenwärtigen ideologischen Vorgaben der MAGA-Bewegung zu beeinflussen und zu diesem Zweck mit den inneren Feinden der liberalen Demokratie in Europa zusammenzuarbeiten – in Deutschland ist das die AfD.“

Kreml: „Weitgehend in Übereinstimmung“

Die Grünen-Chefin Franziska Brantner sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, das neue US-Papier bedeute für Europa vor allem, dass es keine Zeit mehr verlieren dürfe. Der Kontinent müsse jetzt in die eigene Souveränität investieren. Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter sagte der Funke-Gruppe, zu der unter anderem das Hamburger Abendblatt gehört, die USA seien unter Präsident Donald Trump kein Wertepartner mehr, sondern verfolgten rücksichtslos eigene Wirtschaftsinteressen.

Lettlands Ex-Ministerpräsident Krisjanis Karins sagte der Nachrichtenagentur Reuters, am glücklichsten mit dem Papier sei sicher Russland. Moskau versuche seit Jahren, das transatlantische Bündnis zu zerbrechen. „Und nun scheint es, dass der größte Störfaktor dieses Bündnisses die USA selbst sind, was bedauerlich ist.“

Tatsächlich lobte Russlands Führung des US-Papier. Die erfolgten Änderungen in der US-Strategie stünden „weitgehend in Übereinstimmung“ mit der Sichtweise Russlands, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow im staatlichen russischen TV-Sender Rossija. Obwohl die US-Regierung in dem Dokument ein Ende des Kriegs in der Ukraine als zentrales Interesse bezeichnet, finden sich darin kaum kritische Worte für Russland.

Wadephul: Brauchen keine Ratschläge

Amtierende Staats- und Regierungschefs in Europa äußerten sich auch über das Wochenende zumeist nicht zu dem Papier. Viele Regierungen sind darauf bedacht, den als sprunghaft geltenden US-Präsidenten Donald Trump nicht zu verärgern und keine Reaktionen zu provozieren, die Europa etwa im Bereich Wirtschaft oder Sicherheit schaden könnten. Wiederholt war darauf verwiesen worden, dass Europa stark von den USA abhängig sei.

Bundesaußenminister Johann Wadephul hatte am Freitag gesagt, „wir werden die neue Strategie der Vereinigten Staaten in allen Punkten intensiv auswerten, das konnten wir bisher nicht machen“. Zum Vorwurf der angebliche fehlenden Meinungsfreiheit in Deutschland sagte er, er glaube nicht, „dass irgendjemand uns dazu Ratschläge geben muss, sondern das wird durch unsere Verfassungsordnung organisiert.“ In Deutschland gebe es nicht nur die staatlichen Gewalten der Exekutive, der Legislative und der Jurisdiktion, sondern zu Recht auch freie Medien.

Mit Informationen von Nicole Markwald, ARD-Hauptstadtstudio