In Hollywood geben sich gerade Remakes, Reboots und Fortsetzungen bekannter Franchises die Klinke in die Hand. Ist das ein Zeichen eines (ökonomischen) Sicherheitsbedürfnisses in unserer krisengebeutelten Zeit oder einfach ein Symptom kreativer Faulheit? Im Zweifel wohl ein bisschen von beidem. In Deutschland paart sich der Trend mit dem Versuch, völlig aus der Zeit gefallene Formate zu reanimieren. Stefan Raab ist mit der Wiederauflage seines Late-Night-Formats „TV Total“ krachend gescheitert. Auch „Das Kanu des Manitu“, Michael „Bully“ Herbigs Fortsetzung seines damals bahnbrechenden Westernquatsches, wirkte ziemlich unbeholfen – unfassbar erfolgreich an der Kinokasse ist der Klamauk dennoch. Und jetzt kommt mit dem zweiten „Stromberg“-Film auch noch der Papa aus der Mottenkiste. Kann das funktionieren?
Was in den fünf zwischen 2004 und 2012 ausgestrahlten „Stromberg“-Staffeln und dem Kinofilm von 2014 abgefackelt wurde, hatte freilich seine ganz eigene, herrlich den peinlichen und unangenehmen Witz zelebrierende Qualität. Zuvorderst wegen Christoph Maria Herbst in seiner ikonischen Rolle des Versicherungsmanns Bernd Stromberg mit Klobrillenbart und Halbglatze. Der Abteilungschef der Capitol-Versicherung ist ein wandelndes verbales Minenfeld, teilt gegen alles und jeden aus, ist homophob, xenophob, missbraucht seine Macht, zieht sein Team durch den Kakao und bedrängt Frauen mit seiner „Männlichkeit“.
Ein innovatives Multi-Purpose-Unternehmen
Diesen anachronistischen Mistkerl, der sich lange schon vom britischen Original aus der Serie „The Office“ von Ricky Gervais und Stephen Merchant emanzipiert hat, lassen Regisseur Arne Feldhusen und Drehbuchautor Ralf Husmann also in „Stromberg – Wieder alles wie immer“ auf unsere fragile, komplett durchdigitalisierte, identitätspolitisch diskursive Gegenwart los. „Ich bin ganz der Alte, nur in besser“, sagt Stromberg.
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Ganz die Alten sind sie fast alle: Ulf und Tanja (Oliver Wnuk und Diana Staehly) sind nach wie vor verheiratet, arbeiten immer noch bei der Capitol, wobei Tanja Karriere gemacht hat. Die beiden haben ihren von der Ausbildung bei der Versicherung überforderten Sohn Marvin im Schlepptau. Jennifer (Milena Dreißig), mit der Stromberg fast ein Kind gehabt hätte, meint in dem Content-Creator Julian (László Branko Breiding), ein hipper Smartphone-Junkie par excellence, der alles in internetkompatible Inhalte verwandelt, ihr Glück gefunden zu haben.
Anders, aber doch auch der Alte, ist Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne Mädel). Einst Strombergs menschliche Zielscheibe in der Capitol, hat er ein Buch über Strategien gegen Mobbing geschrieben und verdingt sich heute mit Klapphandy und Anzug als Life Coach. Stromberg selbst arbeitet jetzt bei „Alpha“, einem „innovativen Multi-Purpose-Unternehmen“.
Von der Satire zum bitteren Drama
Im neuen „Stromberg“-Film also trifft sich die altbekannte Truppe, die früher von einem Fernsehteam in ihrem Büroalltag begleitet wurde, nun für eine „Reunion“ in einem Fernsehstudio wieder. Feldhusen und Husmann bleiben dem Wackelkamera-Mockumentary-Stil mit den eingestreuten Interviews treu, ziehen aber zugleich eine weitere Metaebene ein, indem große Teile der Handlung hinter den Kulissen des Studios spielen, in dem für die Show mit Pro7-Moderator Matthias Opdenhövel geprobt wird. Nebenan wird der „Schlager-Herbst“ gedreht, draußen versammeln sich Stromberg-Fans in Trenchcoats mit Klebeglatzen und -bärten, ihnen gegenüber skandiert eine wachsende Protestbewegung gegen den nicht nur verbalen BüroDinosaurier: „Nehmt die Glatze aus der Glotze!“
Wie „Das Kanu des Manitu“ pflanzt auch „Stromberg – Wieder alles wie immer“ Altes um und liefert die Kritik an den eigenen Witzen gleich mit. „Das ist alte, frauenfeindliche Kackscheiße“, sagt eine der Fernseh-Produzentinnen angewidert bei der Sichtung des alten Materials aus Capitol-Zeiten. Stromberg zensiert sich auch selbst, weil ihm in seinem Einspieler ein Nazivergleich rausgerutscht ist, und überhaupt wird das, was heute nicht mehr geht, viel diskutiert. Aus seiner Haut kann Stromberg natürlich nicht raus. „Kann ein Schwarzer in einem Sonnenstudio arbeiten? Über so eine Frage hat man sich ja früher keine Gedanken gemacht. Heute würde ich sagen: ‚Musst du ihn fragen!‘“
Glücklicherweise bleiben Feldhusen und Husmann hier nicht stehen, sondern schlagen eine neue Richtung ein. Nach einigen Eskalationsstufen und der Erkenntnis, dass Stromberg bei seiner Hipster-Firma nicht Chef, sondern verlachtes Maskottchen für Fehlverhalten ist – „Marketing hat gedacht: Ist ’ne gute Retro-Idee mit ihm“ – dreht Stromberg, begleitet vom polarisierten, Content-geilen Social-Media-Mob, frei und begibt sich auf eine Art Amoklauf in seine eigene Vergangenheit.
Dieser Film mit seinem unsympathischen Sympathen wandelt sich schließlich von der Satire in ein bitteres Drama um einen gescheiterten mittelalten Mann, der in der Vergangenheit stecken geblieben ist. Und er endet in einer von frenetischen Fans orchestrierten Back-to-the-good-old-days-Party vor laufender Kamera, in der sich unsere postsatirische Gegenwart spiegelt. „Es ist alles wie immer, Zukunft wird überschätzt“, singt die Band. Autsch!