Sollte jemand eine Wette auf das erfolgreichste Album des Jahres in Deutschland eingegangen sein, dürfte ein Tipp auf „The Life Of A Showgirl“ allenfalls ein paar Cent eingebracht haben. Taylor Swifts zwölftes Album brach mal wieder allerlei Rekorde und steht so – wenig überraschend – auch in der Jahresauswertung auf Platz eins.
Ein Platz, den im Vorjahr das Vorgängerwerk „The Tortured Artists Department“ belegte, vor Billie Eilishs „Hit Me Hard And Soft“ und dem Linkin Park-Comeback („From Zero“). Die Alben nehmen jetzt Rang vier und zwei ein. Auf Rang drei steht der Soundtrack des Netflix-Hits „K-Pop Demon Hunters“.
Auch in den Top-10 der Single-Charts finden sich einige dieser Namen. Allerdings nicht ganz vorne und Taylor Swift fehlt hier sogar komplett. Auch stehen in den Top-3 gleich zwei deutschsprachige Songs mit „Tau mich auf“ von Zartmann und Spitzenreiter „Wackelkontakt“. Der Song des bayerischen Musikers Beni Hafner (Künstlername Oimara) hat fast das gesamte Jahr in den Charts verbracht – sieben Wochen davon auf Platz eins. Die Top-3 liegt laut GfK sehr eng beieinander.
Nun sind Charts immer wunderbar übersichtlich. Die Reihenfolge ist klar, es gibt keine Fußnoten und wenn ein Song oben steht, wird er wohl erfolgreicher gewesen sein als andere weiter unten. Aber was heißt „erfolgreicher“?
In Deutschland zählt der Umsatz, in den USA geht es nach Einheiten
In Deutschland werden die Charts allwöchentlich nach dem mit einem Song oder Album erzielten Umsatz berechnet. Swifts Album war also das umsatzstärkste des Jahres und kein Einzelsong spielte mehr ein als „Wackelkontakt“.
Doch in den USA zum Beispiel funktioniert die Chartberechnung ganz anders. So werden die weltbekannten Billboard-200-Charts nach Einheiten erstellt. Ein verkauftes Album auf Schallplatte, CD oder Kassette ist eine Einheit – so weit, so unkompliziert. Um allerdings auch Downloads einzelner Songs (kaum noch relevant) und Streams (umso relevanter) berücksichtigen zu können, müssen diese in „Album-Äquivalente“ umgerechnet werden.
Zehn einzelne Downloads von Songs eines Albums („track equivalent albums“) werden nach den Regeln der US-Chartermittler als eine verkaufte Einheit gewertet. Dasselbe gilt für 1250 Streams eines Abonnenten oder 3750 in einem der verschiedenen werbebasierten Gratis-Angebote („streaming equivalent albums“). Das Ansehen offizieller, also nicht nutzergenerierter Musikvideos zählt ebenfalls als werbefinanzierter Stream.
Ausschüttungen von Spotify und Co machen Großteil der Einnahmen aus
Auch im umsatzbasierten deutschen System werden Streams mit einer gesonderten, aber komplizierteren Formel einbezogen, da ja stets noch ein Wert in Euro pro Stream berücksichtigt werden muss. Dessen Höhe wird nicht veröffentlicht. Werbefinanzierte und Videostreams wiederum finden in Deutschland generell nur für die Single-Charts Berücksichtigung.
Auch auf Mallorca gefragt: Oimara Ende April m BierkönigPicture Alliance
Und die Welt der Charts hat noch andere Spielregeln parat. Zum Beispiel wurden bis zur Änderung Ende Juli 2025 in den ersten zwei Wochen ab einer Album-Veröffentlichung nur vorab veröffentlichte Songs und ein sogenannter „Fokus-Track“ auch für die Single-Charts mitgezählt. Seit August werden laut GfK Entertainment nun in den Single-Charts pauschal maximal die acht erfolgreichsten Titel aus einem Album berücksichtigt.
Die Ausschüttungen von Spotify, Apple, Amazon, Youtube Music & Co. stehen seit Jahren für den Großteil der Einnahmen der Branche. Alle Dienste schütten rund zwei Drittel ihres Umsatzes mit Musik aus. Im Halbjahr stammten so auf dem deutschen Markt für Musikaufnahmen (Ausschüttungen an Songwriter und Verlage also nicht berücksichtigt) 81,2 Prozent der 1,157 Milliarden Euro von den Streamingdiensten.
Warum Tonträger weiter wichtig sind – und für die Albumcharts zentral
Das physische Geschäft steuerte zum Halbjahr nur noch 12,5 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Doch für den einzelnen Künstler sind Tonträger-Verkäufe mitunter von großer Bedeutung. Das liegt daran, dass mit dem Verkauf von Schallplatten für beispielsweise 25 Euro pro Stück auf einen Schlag eine Summe zusammenkommt, die über das Streaming teils erst mit der Zeit anfällt.
Dafür spielen die Songs auf den Streamingdiensten mit jedem neuen Abruf immer weiter Geld ein, obgleich es auf den Einzelabruf heruntergebrochen nur winzige Summen sind.
Durch die deutsche Umsatz-Methode sind physische Verkäufe so auch ein großer Faktor für die Album-Charts. Sind Singles auf Tonträgern ein absolutes Nischengeschäft, gibt es rund um Album-Veröffentlichungen eine ganze Reihe an Angeboten:Pressungen in unterschiedlichen Farben, verschiedene Cover-Optiken oder Tonträger mit unterschiedlichen Beigaben. Sogenannte „Bundles“, wo T-Shirts oder andere Fanartikel dazugelegt werden, erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit.
Um den Effekt dieser Pakete zu begrenzen, wird ein „Bundle“ maximal mit dem Wert von 40 Euro für die Charts gezählt.
Linkin Park und wann der Streaming-Effekt wirkt
Vor diesem Hintergrund ist der Blick auf die Albumcharts umso interessanter. Swifts „Life Of A Showgirl“ erschien zum Beispiel erst Anfang Oktober. Dass es trotzdem auf Platz eins der Jahresliste steht, unterstreicht, wie gefragt Swifts Tonträger waren und sind. Viele andere Alben in den Top-10 kamen dagegen im vergangenen Jahr auf den Markt.
„From Zero“ beispielsweise erschien Mitte November 2024. Damals genügten lediglich drei Verkaufswochen für Platz drei in den Jahrescharts „Hit Me Hard And Soft“ kam sogar schon im Mai 2024 auf den Markt und auch der Vorgänger von „Life Of A Showgirl“ steht in diesem Jahr abermals in den Top-10.
In dieser Langlebigkeit zeigt sich der Streaming-Effekt, der erst mit einer gewissen Zeit seine ganze Wirkung entfaltet, und der den ganzen Katalog eines Künstlers betreffen kann. Auch „Meteora“, das mehr als 20 Jahre alte Hit-Album von Linkin Park, schaffte es so in diesem Jahr in die Top-10. Beflügelt wurde es vom Comeback der Band samt Tour durch Deutschland und natürlich flankiert mit Neupressungen.
Taylor Swift verkauft knapp 3,5 Millionen Exemplare in nur einer Woche
Zahlen zum Umsatz von einzelnen Alben oder Titeln werden nicht veröffentlicht. In dieser Hinsicht hält sich die Branche traditionell bedeckt. Lediglich ein paar ausgewählte (Best-)Werte flankieren die Jahrescharts.
So verkaufte sich „The Life Of A Showgirl“ GfK Entertainment zufolge in Deutschland bislang mehr als 225.000 Mal. Mit fast 950 Millionen Streams war Swift auch der meistgestreamter Artist.
Alleine in der ersten Woche kam ihr Album in den USA auf 3.479.500 verkaufte Exemplare auf Vinyl, CD oder Kassette. Mit Streams und Downloads waren es 4.002.000 Einheiten.
Wer am Ende wie viel am Erfolg eines Werkes verdient, ist noch einmal ganz anderes Thema. Die Chartermittler geben lediglich die Unternehmen an, die den Vertrieb verantworten.
Arbeitet ein Interpret lediglich für diese Basisdienstleistung mit einem Label oder reinen Vertrieb zusammen, dann geht der Großteil der Einnahmen üblicherweise an ihn.
Wie wird das Geld eigentlich verteilt?
Übernimmt ein Label zusätzlich diverse Aufgaben in der Vermarktung, verbleibt zumeist deutlich mehr als die Hälfte der Tantiemen bei eben diesem.
Längst gibt es die unterschiedlichsten Deal-Formen und Aufteilungen. Und auch Vorschüsse müssen bekanntlich abbezahlt werden. Eine Band muss das Geld, das am Ende an sie geht, zudem logischerweise unter den Mitgliedern aufteilen.
Dazu kommen mitunter Management, etwaige externe Musiker oder weitere Unternehmen, mit denen die Kreativen zusammenarbeiten und die ihren Teil erhalten. Alles also reichlich kompliziert in der Musikwelt.