Russland trägt seinen Krieg gegen die Ukraine immer näher an die Länder Mittel- und Südosteuropas. Verletzungen des Luftraums durch Drohnen und Raketen sind vor allem in Polen, der Republik Moldau und Rumänien längst Alltag. Im Südosten Rumäniens explodierten mehrfach Drohnen, Einwohner von Dörfern mussten evakuiert werden. Teilweise scheint Russland Drohnen absichtlich auf Nachbarländer der Ukraine zu steuern, wie jüngst Zwischenfälle in der Republik Moldau und Rumänien zeigten.

Nun ist erstmals durch einen massiven russischen Angriff auf Energieanlagen in der Ukraine auch das Energiesystem der Republik Moldau stark beeinträchtigt worden. Am vergangenen Samstag (6.12.2025) griff Russland in den frühen Morgenstunden die Ukraine mit mehr als 700 Drohnen und Raketen an. Beschädigt und zerstört wurden dabei unter anderem, wie schon vielfach in den vergangenen Monaten, Energieanlagen im ganzen Land. Infolgedessen gab es nicht nur in der Ukraine massive Stromausfälle – auch beim südwestlichen Nachbarn Republik Moldau drohte zeitweise ein großflächiger Stromausfall oder sogar ein Zusammenbruch des Stromnetzes.

Um ein solches Szenario zu vermeiden, musste der Energiemonopolist des Landes, Moldelectrica, Rumänien um Notstrom-Hilfe bitten – Stromlieferungen des Nachbarn, um das Netz in der Republik Moldau zu stabilisieren. So sei es gelungen, einen Blackout zu vermeiden, sagte ein Sprecher von Moldelectrica der DW. Gleichzeitig riefen das Energieunternehmen und Regierungsvertreter die Bevölkerung dazu auf, in den kommenden Tagen und Wochen Strom zu sparen und vor allem zu Spitzenzeiten am Morgen und am frühen Abend möglichst wenig zu verbrauchen.

Putin testet Reaktionen

Es ist das erste Mal seit Beginn des vollumfänglichen russischen Kriegs gegen die Ukraine im Februar 2022, dass ein Nachbarland durch einen Angriff mit Drohnen und Raketen auf diese Weise geschädigt wird. Sergiu Tofilat, moldauischer Experte für Energiepolitik und Berater der moldauischen Präsidentin Maia Sandu, sagt der DW, dass Russland solche Schäden in Nachbarländern der Ukraine bewusst einkalkuliere. „Dieser Krieg ist nicht so weit weg von Europa, wie es scheinen mag“, sagt Tofilat. „Putin testet die Reaktionen der EU und der NATO mit solchen Vorfällen konstant.“

Ein Mann (Sergiu Tofilat) hinter einem Mikrofon der Deutschen WelleDer moldauische Experte für Energiepolitik und Präsidentenberater für Energiefragen Sergiu TofilatBild: Simion Ciochina/DW

Tofilat erinnert daran, dass Russland bereits im Herbst 2021 eine Gaskrise in Europa provoziert habe, die zu massiven Preissteigerungen führte. „Heute sind es solche Zwischenfälle wie der vom Wochenende, Drohnen, die den Luftraum europäischer Länder verletzen oder die Störung der Kommunikation in der Luftfahrt, mit der Russland einen hybriden Krieg in Europa führt. All das beeinträchtigt die europäischen Wirtschaften und Gesellschaften massiv.“

Nur geringe Eigenproduktion

Technisch gesehen, konnte die Energie-Notsituation in der Republik Moldau entstehen, weil das Land seit Anfang 2025, abhängig von der Jahreszeit, nur noch rund 30 bis 40 Prozent seines Strombedarfs aus eigener Produktion decken kann. 60 bis 70 Prozent des Bedarfs müssen importiert werden. Einen großen Teil des Stroms bezieht die Republik Moldau aus EU-Ländern, einen Teil auch aus der Ukraine. Zusätzlich dazu erhalten die Ukraine und die Republik Moldau im Rahmen eines europäischen Strom-Notversorgungssystems derzeit ein gemeinsames Kontingent von 2100 Megawatt für Bedarfs- und Notfälle, von dem 15 Prozent für die Republik Moldau vorbehalten sind. Was die Ukraine in einem bestimmten Moment von ihrem 85-prozentigen Anteil nicht verbraucht, kann die Republik Moldau nutzen.

Beim Zwischenfall vom Wochenende kamen zwei Faktoren zusammen: Zum einen nutzte die Ukraine ihr 85-Prozent-Kontingent voll aus, es gab keine Kapazitäten mehr für die Republik Moldau. Zum anderen wurden in der Westukraine mehrere Energieanlagen und Umspannwerke teils beschädigt, teils zum Schutz des Netzes ausgeschaltet, darunter auch solche, die Verbindungen in die Republik Moldau haben. Infolgedessen drohte auch in der Republik Moldau ein großflächiger Stromausfall.

Noch keine langfristige Lösung

Details zu dem Zwischenfall, etwa, welche Energieanlagen und Stromleitungen besonders betroffen seien oder dass und ob es lokale Stromausfälle gegeben habe, wollte ein Sprecher von Moldelectrica gegenüber der DW weder bestätigen noch dementieren. „Das sind sensible Informationen für die nationale Energiesicherheit, die bei kommenden russischen Angriffen eine Rolle spielen können, daher können wir diese nicht öffentlich machen.“ Auch welcher Finanzschaden der Republik Moldau durch den Zwischenfall und die Not-Importe entstanden sei, wollte der Moldelectrica-Sprecher der DW nicht sagen.

Strommasten und Hochspannungsleitungen neben einer StraßeTeile eines Kraftwerks am Stadtrand der moldauischen Hauptstadt ChisinauBild: Aurel Obreja/AP Photo/picture alliance

Bis Ende 2024 kam der größte Teil des Stroms in der Republik Moldau aus dem mit russischem Gas betriebenen Kraftwerk Cuciurgan in der separatistischen Region Transnistrien, die Teil des moldauischen Staates ist. Doch seit Anfang 2025 bezieht die Republik Moldau so gut wie kein Gas mehr aus Russland, was auch zu einem Stopp der Stromversorgung aus dem Kraftwerk Cuciurgan führte. Seitdem muss die Republik Moldau massiv Strom importieren, vor allem aus Rumänien, wo der Marktpreis jedoch bei dem Zwei- bis Dreifachen des Verbrauchertarifs in der Republik Moldau liegt. Eine langfristige und nachhaltige Lösung für eine bessere eigene Versorgung haben die Regierung der Republik Moldau und Moldelectrica bisher nicht gefunden.

Mobile Generatoren

Der Energieexperte Sergiu Tofilat glaubt deshalb, dass Zwischenfälle wie der vom Wochenende sich mindestens in den kommenden Wochen, wahrscheinlich auch Monaten unweigerlich wiederholen werden, da Russland seine Angriffe auf Energieanlagen in der Ukraine nicht stoppe. Als mittelfristige Lösung für sein Land sieht er den Kauf von einem Dutzend sogenannter modularer Generatoren – mobile Stromerzeugungsanlagen, die zwischen 50 und 100 Megawatt erzeugen und mit Diesel oder Gas betrieben werden können. Außerdem müsse die Republik Moldau große Batteriespeicher anlegen.

„Leider, und auch das ist letztlich eine Folge der russischen Angriffe auf die Ukraine, wird der Strompreis bei uns kurzfristig erst einmal steigen“, sagt Tofilat. „Langfristig bleibt uns deshalb nicht anderes übrig, als neue Energieanlagen zu errichten und mehr Stromleitungen zu bauen, die europäische Länder miteinander verbinden.“