Chemnitz war eigentlich für rechten Aufruhr bekannt – jetzt überrascht die Stadt mit kulturellem Aufbruch. Aber was passiert, wenn Geld und Personal nach dem Kulturhauptstadtjahr 2025 wieder verschwinden?
Laut vielen Chemnitzern haben sich die Spannungen in der Stadtgesellschaft entkrampft
Foto: Wolfgang Schmidt/Imago Images
Chemnitz hat es ganz alleine geschafft: Die viel geschmähte Stadt hat die selbst gewählte Aufgabe der Kulturhauptstadt völlig ohne importierte UFOs bewältigt. Alles Gute kommt eben nicht von oben. Gastspiele musste man in dem genau ein Dreiviertelkilo schweren Programmbuch geradezu suchen. Neue elektronische Musik aus Europa beispielsweise oder den Auftritt des Budapester Festivalorchesters. Ansonsten war die gebotene Kultur äußerst chemnitzisch.
Nicht nur die Kulturhauptstadt 2025 gGmbH oder das permanent überlastete Kulturhauptstadtbüro behaupten, es habe sich um ein beispielhaftes Basis- und Beteiligungsprojekt gehandelt. Also genau das, was von einer Stadt der vermeintlich schlecht gelaunten („Ich komm aus Karl-Marx-Stadt, bin ein Verlierer, Baby …“) und gegenüber rechten Verführern und Spaltern anfälligen Bürger am wenigsten erwartet worden war. Zweifellos hatte es dafür Indizien gegeben, die rassistischen Ausschreitungen 2018 hatten das Negativ-Image zementiert.
Spannungen entkrampft
Dem hat ein relevanter Teil der Chemnitzer Bürgerschaft ehrlich und unaffektiert widersprochen. Gemeint sind die Projektideen, die organisatorische Mitarbeit von 1.300 Volunteers oder einfach der aktive Besuch der wie ein kulturmissionarischer Tsunami hereingebrochenen Angebote. Wenn zum Ausklang am vergangenen Wochenende in der Stadthalle gebastelt und vor der Oper Weihnachtslieder mitgesungen wurden, wenn offiziell 22.000 die traditionelle Bergparade verfolgten, so spiegelt das die partizipative und nicht konsumtive Akzentsetzung des gesamten Jahres.
Gefühlt, aber von vielen Chemnitzern auch bestätigt, haben sich die Spannungen in der Stadtgesellschaft entkrampft. Gewachsenes Selbstbewusstsein, ja hörbarer Stolz nicht allein auf Kati Witt und die Müller’sche Eiskunstlaufschule trugen dazu bei. Mental, aber auch durch materielle Investitionen in die sogenannten stadtkulturellen Interventionsflächen ist der beabsichtigte urbane Entwicklungsschub zumindest angestoßen worden.
In der überdurchschnittlich vielfältigen „Szene“ wird allerdings gezweifelt, ob latente faschistische Neigungen nachhaltig eingedämmt oder nur von der Dominanz, vom positiven Verführungspotenzial des Programms überdeckt wurden. Aber auch das hätte seinen Eigenwert und würde den zweiten, auf die äußere Wahrnehmung gerichteten Zweck des Kulturhauptstadtjahres bedienen. Dessen Logo-Wortspiel „C the Unseen“ zog tatsächlich neugierig gewordene Besucher an, darunter viele bisherige Ignoranten.
Was kommt danach?
Die Kunstsammlungen vor allem mit ihrer Munch-Ausstellung, die Auftragsoper Rummelplatz nach Werner Bräunigs Wismut-Roman oder der über 38 Stationen im Erzgebirge führende Kunstweg Purple Path beispielsweise überzeugten als künstlerische Highlights. Was sich als übliches Eventgeklingel erwies wie die originelle Idee zum Kunstort mutierender Altgaragen oder die Pflanzung von 4.000 Apfelbäumchen – als ginge nach dem bekannten Luther-Spruch morgen die Welt unter –, erscheint verkraftbar.
Schwerer wiegt die Frage nach der Tragweite dieser Impulse. 65 befristete Stellen und die Freiwilligen bleiben jedenfalls nicht. Wie Bund und Land steckt auch die Kommune Chemnitz in einer Haushaltskrise. Die freien Szenen wie auch die städtischen Einrichtungen müssen mit weniger Geld auskommen. Wenn Kulturhaupstadt-Erfolge verstetigt werden sollen, wird Idealismus allein nicht ausreichen.
„Ich komm aus Karl-Marx-Stadt, bin ein Verlierer, Baby …“) und gegenüber rechten Verführern und Spaltern anfälligen Bürger am wenigsten erwartet worden war. Zweifellos hatte es dafür Indizien gegeben, die rassistischen Ausschreitungen 2018 hatten das Negativ-Image zementiert.Spannungen entkrampftDem hat ein relevanter Teil der Chemnitzer Bürgerschaft ehrlich und unaffektiert widersprochen. Gemeint sind die Projektideen, die organisatorische Mitarbeit von 1.300 Volunteers oder einfach der aktive Besuch der wie ein kulturmissionarischer Tsunami hereingebrochenen Angebote. Wenn zum Ausklang am vergangenen Wochenende in der Stadthalle gebastelt und vor der Oper Weihnachtslieder mitgesungen wurden, wenn offiziell 22.000 die traditionelle Bergparade verfolgten, so spiegelt das die partizipative und nicht konsumtive Akzentsetzung des gesamten Jahres.Gefühlt, aber von vielen Chemnitzern auch bestätigt, haben sich die Spannungen in der Stadtgesellschaft entkrampft. Gewachsenes Selbstbewusstsein, ja hörbarer Stolz nicht allein auf Kati Witt und die Müller’sche Eiskunstlaufschule trugen dazu bei. Mental, aber auch durch materielle Investitionen in die sogenannten stadtkulturellen Interventionsflächen ist der beabsichtigte urbane Entwicklungsschub zumindest angestoßen worden.In der überdurchschnittlich vielfältigen „Szene“ wird allerdings gezweifelt, ob latente faschistische Neigungen nachhaltig eingedämmt oder nur von der Dominanz, vom positiven Verführungspotenzial des Programms überdeckt wurden. Aber auch das hätte seinen Eigenwert und würde den zweiten, auf die äußere Wahrnehmung gerichteten Zweck des Kulturhauptstadtjahres bedienen. Dessen Logo-Wortspiel „C the Unseen“ zog tatsächlich neugierig gewordene Besucher an, darunter viele bisherige Ignoranten.Was kommt danach?Die Kunstsammlungen vor allem mit ihrer Munch-Ausstellung, die Auftragsoper Rummelplatz nach Werner Bräunigs Wismut-Roman oder der über 38 Stationen im Erzgebirge führende Kunstweg Purple Path beispielsweise überzeugten als künstlerische Highlights. Was sich als übliches Eventgeklingel erwies wie die originelle Idee zum Kunstort mutierender Altgaragen oder die Pflanzung von 4.000 Apfelbäumchen – als ginge nach dem bekannten Luther-Spruch morgen die Welt unter –, erscheint verkraftbar.Schwerer wiegt die Frage nach der Tragweite dieser Impulse. 65 befristete Stellen und die Freiwilligen bleiben jedenfalls nicht. Wie Bund und Land steckt auch die Kommune Chemnitz in einer Haushaltskrise. Die freien Szenen wie auch die städtischen Einrichtungen müssen mit weniger Geld auskommen. Wenn Kulturhaupstadt-Erfolge verstetigt werden sollen, wird Idealismus allein nicht ausreichen.