Diese Frist halten viele Experten für zu lang – Rückenwind erhalten sie jetzt mit diesen neuen Berechnungen. Till Irmisch vom Umweltinstitut München sagt zu t-online: „Netzbetreiber werden in dem aktuellen Entwurf nicht verpflichtet, frühzeitig Stilllegungspläne einzureichen. Sie haben also keinen Anreiz, jetzt schon den Ausstieg aus Gas vorzubereiten.“ Es sei sehr schwierig, zehn oder 15 Jahre im Voraus das Verhalten der Gaskunden zu prognostizieren. „Deshalb werden es die Netzbetreiber auf die lange Bank schieben, obwohl es ja Klimaziele gibt, die den vollständigen Ausstieg aus Erdgas bis 2045 vorschreiben.“

Die Fraunhofer-Studie zeigt auch, dass nicht nur die volkswirtschaftlichen Kosten durch frühzeitige Planung geringer ausfallen. Auch für Gaskunden wird es günstiger, wenn schon vor 2030 Stilllegungspläne erarbeitet werden. „Dadurch können die Netzbetreiber nämlich schon früher ihre Kosten abschreiben und diese auf mehr Schultern verteilen“, so Irmisch. Die Bundesregierung müsse klar kommunizieren, dass das Heizen mit Gas ein Ende haben wird. „Wenn man jetzt schon klar das Signal setzt, können sich die meisten Haushalte bis 2045 darauf einstellen.“

Als Beispiel, wie man es besser machen könnte, nennt Till Irmisch die Schweiz. Die Stadt Zürich zum Beispiel informiert auf ihrer Website schon heute darüber, dass 2040 das Gasnetz stillgelegt wird und weite Teile der Wärmeversorgung auf Fernwärme umgestellt werden. Sobald die Fernwärme in einem Gebiet erschlossen ist, wird das Gasnetz ein Jahr später stillgelegt, heißt es dort.

Ähnlich handhabt es die Stadt Basel: Dort wird das Gasnetz bis 2037 stillgelegt, drei Jahre im Voraus werden betroffene Gaskunden über die Stilllegung gesondert informiert. Schon jetzt werden Gaskunden ermutigt, auf Wärmepumpen, Fernwärme oder Holzfeuerungsanlagen umzusteigen.

Solche kurzen Fristen wären laut dem aktuellen Gesetzesentwurf aus dem Reiche-Ministerium nicht möglich. Das kritisiert Irmisch. Kürzere Fristen verbunden mit den Informationskampagnen, die genauso wie im Nachbarland jetzt schon starten könnten, würden Gasnetzbetreibern mehr Spielräume geben. „Das halten wir einfach für deutlich schlauer, praktikabler und günstiger.“ Es gehöre aus seiner Sicht zum Verbraucherschutz dazu, die Bürger vor hohen Gasnetzentgelten, wie nun in der Studie berechnet, zu schützen. „Es wäre auch nicht fair, der Gesellschaft solche volkswirtschaftlichen Kosten zuzumuten, nur weil ein paar Menschen noch bis zum Schluss mit Gas heizen wollen.“

Roland Meyer vom Fraunhofer-Institut weist außerdem darauf hin, dass die Netzentgelte nicht überall in Deutschland gleichmäßig ansteigen dürften. Zwar will der Bund bis 2045 klimaneutral werden; einige Bundesländer haben jedoch ambitioniertere Ziele. Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein wollen bis 2040 klimaneutral werden, und Bremen will schon 2035 aus Erdgas aussteigen. „Dadurch steigen die Netzentgelte schon früher deutlich an. Für einige Gaskunden kann das schon bald massive Auswirkungen haben“, so Meyer.

Der Referentenentwurf der Bundesregierung ist noch nicht beschlossen. Die Regierung hat aber angekündigt, das Gesetz bis Sommer 2026 zu beschließen. Bis dahin sind also Änderungen möglich.