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In Pokrowsk leidet die Moral russischer Truppen. Gefallene Soldaten werden wohl als Deserteure getarnt. Die Verluste sind offenbar höher als erwartet.

Pokrowsk – Im Kampf um wichtige Transportrouten nahe Pokrowsk und Myrnohrad verliert das russische Militär offenbar nicht nur mehr Soldaten als gedacht – sondern auch das Vertrauen der eigenen Truppen. Laut dem Partisanennetzwerk Atesh werden gefallene russische Soldaten im Ukraine-Krieg zunehmend als Deserteure abgestempelt. Eine Strategie, die „Angst, Aggression und einen schnellen Einbruch der Moral“ auslöst und Verwandte der verstorbenen russischen Soldaten im Dunkeln lässt.

Ein russischer Soldat ist an einer Position im Sektor Krasnoarmeysk (Pokrowsk) der Frontlinie während der russischen Militäroperation in der Ukraine zu sehen.Schwierige Wetterlage bei Pokrowsk: Der Nebel liefert der russischen Armee wohl einen Vorteil – dennoch sind die Verluste offenbar höher als gedacht. © IMAGO/Stanislav Krasilnikov

„Soldaten wissen, dass sie jederzeit als Deserteure ‚abgeschrieben‘ werden können, selbst wenn sie im Kampf gefallen sind“, hieß es laut der Kyiv Post im Atesh-Bericht. Das Partisanennetzwerk ist laut eigenen Angaben in der 30. Seperaten Mechanisierten Schützenbrigade Russlands vertreten. „Die Disziplin bricht zusammen, das Kommando wird nicht mehr respektiert, und die Kampfkraft verschlechtert sich mit jedem neuen Angriff.“

Russische Armee schreibt Verluste als Deserteure ab – Reserven sollen nahe Pokrowsk unterstützen

Die Begründung, die Soldaten in der 30. Brigade laut der Kyiv Post zu hören bekommen, ist folgende: „Unentschuldigt fernbleiben ist einfacher, als Verwandten zu erklären, wo sich die Leiche befindet“. Im letzten Jahr sei die Anzahl solcher Fälle, in denen tote russische Soldaten als Deserteure abgeschrieben würden, laut Atesh stark gestiegen.

Gleichzeitig habe Russland laut dem ukrainischen Offizier Serhii Lefter, den die Nachrichtenseite RBC-Ukraine zitierte, kürzlich Reserven in der Region Pokrowsk-Myrnohrad stationiert. Russland soll entlang der Pokrowsk-Achse mittlerweile mehr als 140.000 Soldaten versammelt haben.

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„Die Russen werden sie weiterhin einsetzen, weil ihre Truppen zermürbt werden. Wäre die Einnahme von Pokrowsk einfach, hätten sie es längst getan“, so Lefter. Die Kämpfe dauern schon Monate an, laut RBC-Ukraine hätten sie sich zum ersten Mal im Mai 2025 intensiviert. Nach Monaten des Kampfes ist es den russischen Truppen laut Medienberichten gelungen, im Süden von Pokrowsk Fuß zu fassen.

Russland will Pokrowsk eingenommen haben – Militäranalysten und Ukraine halten dagegen

Wie das Institute for the Study of War (ISW) im Bericht zum Ukraine-Krieg am 7. Dezember allerdings schrieb, konnte Russland seine vergangenen Erfolge in der Region nicht fortführen. Im Norden der Stadt sei demnach weiterhin die Ukraine in der Kontrolle. Offizielle Frontlinien gebe es allerdings nicht, immer wieder soll die Ukraine auch im Süden der Stadt erfolgreiche Missionen durchführen.

Anfang Dezember hieß es kurzzeitig, die russische Armee habe Pokrowsk eingenommen. Russlands Präsidenten Wladimir Putin sei die Eroberung von Pokrowsk gemeldet worden, sagte der Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Medien. Militäranalysten widersprachen damals. Das ISW schrieb beispielsweise am 2. Dezember, es fehlten Beweise für eine vollständige Besetzung.

Auch die ukrainische Führung dementierte die Behauptung. „Wir halten den nördlichen Teil der Stadt unter unserer Kontrolle“, sagte der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrskyj im Interview mit dem ZDF. Syrskyj berichtete, wie russische Truppen im Süden der Stadt den dichten Nebel ausnutzen würden. Bei solch einem schwierigem Wetter könne man keine Drohnen einsetzen.

Das erlaube Putins Armee, in der Stadt ihre Kräfte aufzubauen. Der Offizier Lefter beschrieb die Taktik der russischen Armee hingegen als „geradezu waghalsig“. Die Soldaten würden auch am helllichten Tag ohne Tarnung oder Deckung herumlaufen, so sein Bericht. (Quellen: Kyiv Post, RBC-Ukraine, ZDF, eigene Recherche) (lismah)