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Merz trifft bei den Ukraine-Verhandlungen in London Selenskyj. Sein Ziel bleibt ein Vorhaben, das Europas Stellung gegenüber Trump festigen soll.

London – Für Europa und auch Friedrich Merz bleiben die Ukraine-Verhandlungen eine Zitterpartie: Gerade erst konnte ein gnadenloser 28-Punkte-Plan aus den Federn der USA und Russlands abgemildert werden. Da platzt Donald Trump am Sonntag mit der Bemerkung heraus, Wolodymyr Selenskyj habe den Friedensplan zu seiner Enttäuschung gar „nicht gelesen“. Und sein Sohn, Donald Trump Junior, ätzt bei einer Konferenz in Doha: Die USA seien es leid, für die Ukraine „nur der Idiot mit dem Scheckbuch“ zu sein. Es sei wohl Zeit, sich aus der Ukraine-Unterstützung zurückzuziehen.

Kanzler Friedrich Merz (r.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einer Pressekonferenz in Berlin. Friedrich Merz (r.) gilt bei den Ukraine-Verhandlungen als Antreiber, was die Freigabe russischen Vermögens für die Ukraine unter Wolodymyr Selenskyj (l.) betrifft. © Florian Gaertner

Der Verdacht drängt sich auf: Den USA geht es bei einem Ukraine-Deal auch ums Geschäft. Das Wall Street Journal veröffentlichte kürzlich Recherchen, wonach es bei dem Friedensplan „einzig und allein“ darum gehe, „Finanzgeschäfte zwischen Insidern in Russland und den USA auszuhandeln“. Auch Merz – sonst vorsichtig mit kritischen Tönen gegenüber Trump – sagte am Freitag: In Washington gebe es einige, die aus dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine einen ökonomischen Nutzen ziehen wollten.

Merz kämpft um Russland-Vermögen der EU: Statt in USA soll Geld an Ukraine gehen

Ins Bild passt, dass die USA auch russisches Staatsvermögen, das die EU nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 eingefroren hatte, zunächst für sich beanspruchte. Man benötige die Gelder, um ein Friedensabkommen zwischen Kiew und Moskau abzusichern, hieß es aus der US-Regierung.

Kanzler Merz legte Einspruch gegen die US-Interessen ein: Das Geld müsse an die Ukraine gehen, nicht in die USA, forderte er vehement. Seitdem kämpft der Kanzler darum, dass die 210 Millionen Euro, um dies es geht, in das kriegsgebeutelte Land fließen. Sie sollen eine Art vorgezogenen Reparationszahlungen sein, in Form eines Darlehens entgegen dem Willen Russlands.

Ukraine-Verhandlungen in Washington: Trump-Gipfel mit Merz und Co. in BildernMerz bei Trump in WashingtonFotostrecke ansehenMerz gilt in Europa als Antreiber bei Freigabe von Russlands Vermögen für Ukraine

Heute geht es in London weiter mit Verhandlungen im Ukraine-Krieg. Diesmal kommen die Europäer wieder zusammen: Bei einem Treffen von Selenskyj, Merz, dem britischen Premier Keir Starmer und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geht es darum, die ukrainische Position zu stärken.

Friedrich Merz geht es in London auch um die Freigabe des eingefrorenen russischen Staatsvermögens für die Ukraine. „Wir müssen jetzt mit der Ukraine über den Winter kommen. Dafür brauchen wir Mittel“, stellte der Kanzler laut Deutschlandfunk klar.

Merz gilt in Europa als der Antreiber in der Frage der russischen Gelder. Er bekam dafür großes Lob aus Litauen: Der deutsche Kanzler zeige „jene Führungsstärke, die Europa so dringend braucht“, sagte der frühere litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis laut Tagesspiegel. Landsbergis sagte außerdem schon früher in einem Interview mit dem Handelsblatt über Merz: „Er hat alle Instrumente. Er ist fähig. Und Europa erwartet von ihm, dass er die Führung übernimmt.“

Merz geht es bei der Freigabe der russischen Gelder durch die EU auch um Unabhängigkeit von den USA: Waffenkäufe für die Ukraine wären mit dem russischen Vermögen auch ohne Hilfe von Trump möglich. Europa brächte sich dadurch auch in eine bessere Verhandlungsposition. Bislang sieht Trump die Europäer wohl nur als Randfiguren in seinen Bemühungen um einen Deal mit Russland, der zum Kriegsende, aber wohl auch zu lukrativen Geschäften mit Wladimir Putin führen soll.

EU will bald über Russland-Vermögen entscheiden – Verhandlungen in London heute

Über das eingefrorenen Vermögen will die EU am 18. Dezember entscheiden, also schon in zehn Tagen. Seit Monaten diskutieren die Mitgliedstaaten darüber, die zum größten Teil in Belgien verwalteten russischen Gelder für die Ukraine zu nutzen. Die belgische Regierung verweigert bisher ihre Zustimmung. Sie befürchtet rechtliche Folgen und russische Vergeltung

Der Darlehens-Plan für die Ukraine muss gelingen

Merz reiste vergangene Woche bereits kurzfristig nach Belgien, um bei Regierungschef de Wever für die Freigabe der Gelder zu werben. Die 210 Milliarden Euro, um die es geht, wären eine Art vorgezogenen Reparationszahlungen für die Ukraine in Form eines Darlehens für die Ukraine. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag unterbreitet, wonach Kiew in den kommenden zwei Jahren 90 Milliarden des Russlands-Vermögens bekäme, den Rest später.

Milliarden aus Russland auch Druckmittel gegenüber Trump bei Ukraine-Verhandlungen

Auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht die Milliarden auch als entscheidendes Druckmittel gegenüber den USA: „Der Darlehens-Plan für die Ukraine muss gelingen. Wir brauchen ihn auch, um von den USA wieder ernst genommen zu werden. Trump respektiert keinesfalls unsere Schwäche“, sagte der Vizechef der Unionsfraktion dem Stern. Und weiter: „Wir sind in einer absolut entscheidenden Situation für Europa. Es ist ein Schicksalsmoment.“ (Quellen: Tagesspiegel, Deutschlandfunk, AFP, Stern, Wall Street Journal) (smu)