Die Leipziger Kreativszene zeichnet seit Jahrzehnten aus, dass sie Lösungen sucht, wenn ihr der Himmel auf den Kopf zu fallen scheint. Das bringt zwar nicht viel Geld ein, sorgt aber dafür, dass dem Spaß an der kreativen Arbeit kein Abbruch geschieht. Femi Hartman ist solch ein Lösungsorientierter. Und da die Mieten in Leipzig steigen, hat er sich Gedanken gamacht. Ahoi-Redakteur Volly Tanner sprach mit ihm:

Ahoi: Guten Tag, lieber Femi Heartman. Du bist Ideengeber, Mit-Gründer und erster Vorstand im Kreativ-Verein Leipzig. Glückwunsch. Was ist das aber für ein Verein? Welche Inhalte wollt Ihr nach außen in die Leipziger Gesellschaft tragen?

Femi Heartman: Im Grunde sind wir ein Zusammenschluss kreativer Menschen, die sich vernetzt haben, um ihr Equipment, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zusammenzuwerfen – und daraus etwas Gemeinschaftliches zu schaffen. Die Idee dahinter ist ganz einfach: Kreativität braucht Raum, Austausch und Infrastruktur. Und genau das wird in einer Stadt wie Leipzig immer teurer. Unser Verein möchte diesem Trend ein Stück weit entgegentreten. Wir wollen einen Ort schaffen, an dem unsere Mitglieder ihre Projekte umsetzen können, ohne an hohen Kosten zu scheitern, und an dem voneinander lernen ganz selbstverständlich dazugehört. Egal ob jemand 3D druckt, näht, baut, malt oder Workshops geben möchte – bei uns soll jede Form von Kreativität Platz haben.

Nach außen möchten wir vor allem zeigen, dass kreative Arbeit gemeinschaftlich, solidarisch und zugänglich sein kann. Wir wollen Mitgliedern die Möglichkeit geben, eigene Ideen auszuprobieren, sich zu vernetzen und gemeinsam etwas aufzubauen.

Ahoi: Und wie soll das alles konkret umgesetzt werden?

Femi Heartman: Skills und Equipment waren noch recht einfach zu koordinieren. Unsere Kommunikation erfolgt online und darüber konnten wir eine gemeinsame Übersicht erstellen, wer was kann und wer was besitzt und zur Verfügung stellen will. Eigene Werkstatt ist da ein ganz anderes Thema. Im gentrifizierten Leipzig sind Mieten echt fies geworden. Innerhalb von kurzer Zeit ist daher auch die Miete für meine Werkstatt hoch gegangen, was am Ende den Anstoß gab, sich dafür mit anderen zusammen zu tun. Besonders für nicht kommerzielle Nutzung wird Raum immer unerschwinglicher. Jede kleinere Band weiß beispielsweise, wie schwer es teilweise ist, einen Proberaum zu finden.

Aber wir sind guter Dinge, etwas zu finden, zumal uns ja auch nichts drängelt.

Ahoi: Wie offen seid Ihr denn? Können Kreative mit ihren Ideen bei Euch einsteigen? Und falls ja, wie entscheidet Ihr, wer mitmachen darf?

Femi Heartman: Wir sind als Verein grundsätzlich offen für neue Menschen und neue Ideen. Genau dafür haben wir den Kreativ-Verein Leipzig ja gegründet: als Ort, an dem Kreativität ausgelebt werden kann – unabhängig vom persönlichen Hintergrund, vom Können oder davon, ob man schon lange kreativ arbeitet oder einfach nur etwas Neues ausprobieren möchte.

Kreative können bei uns jederzeit einsteigen, eigene Projekte mitbringen oder gemeinsam mit anderen an etwas arbeiten. Unser Konzept lebt davon, dass unterschiedliche Skills zusammenkommen.

Was die Aufnahme betrifft, unterscheiden wir zwischen normalen Mitgliedern und Kreativmitgliedern. Bei normalen Mitgliedern geht es vor allem darum, dass man Lust hat, Teil der Gemeinschaft zu sein. Bei Kreativmitgliedern schauen wir etwas genauer hin – nicht, um auszuschließen, sondern um sicherzustellen, dass die Person und ihr Nutzungsverhalten zu unseren Raum- und Vereinsstrukturen passen, da diese in vollem Umfang die anstehende Vereinswerkstatt nutzen können, aber auch gemeinsam finanzieren. Am Ende entscheidet der Vorstand, ob eine Kreativmitgliedschaft vergeben wird. Das machen wir transparent, fair und immer mit Blick darauf, dass es für alle Mitglieder gut funktioniert.

Kurz gesagt: Ja, wir sind offen – und ja, wir freuen uns über jede kreative Person. Wichtig ist nur, dass es menschlich passt und wir gemeinsam die gleiche Vision teilen: einen Ort, an dem Kreativität zugänglich, bezahlbar und gemeinschaftlich ist und wächst.

Ahoi: Du selbst bist im Hauptberuf Notfallsanitäter, rettest also Menschenleben – in Deiner außerberuflichen Welt bist Du bei Endzeit-Cons unterwegs. Was bedeutet denn Endzeit-Con wirklich? Ich kann mir gar nicht vorstellen, was Ihr da macht …

Femi Heartman: Eine Endzeit-Con ist ein Larp – im Prinzip ein großes, begehbares Theaterstück. Nur ohne Bühne und ohne Zuschauer. Wir alle spielen eine selbst erstellte Rolle in einer fiktiven, zerstörten Welt, in der man improvisiert, miteinander Geschichten erzählt und gemeinsam Abenteuer erlebt.

Optisch erinnert das viel an Mad Max, Fallout oder Last of Us. Wir verhauen uns natürlich nicht wirklich, wir schießen nicht wirklich, und niemand kommt zu Schaden. Es ist ein geschützter Raum, in dem wir kreativ sein können, Kostüme und Charaktere erstellen und ausleben können. Am Ende geht es darum, gemeinsam ein Abenteuer zu schaffen, das sich echt anfühlt, ohne echt zu sein. Jeder der schonmal einen Film geschaut hat und dabei auch nur irgendeine Emotion verspürt hat, sollte das nachempfinden können, denn unser Gehirn kann nicht unterscheiden, ob es ein Film, Larp oder echt ist. Wir erleben die gleichen Gefühle. Das nennt sich Immersion.

Ahoi: Ich las auf Eurer Facebook-Seite, dass Ihr mit dem KVL auch Workshops und Bastelabende anbieten wollt. Wie weit ist denn diese Idee schon gediehen?

Femi Heartman: Die hängt natürlich sehr daran, dass wir eigene Räumlichkeiten finden. Sobald wir diese haben und einrichten konnten, planen wir einmal in der Woche abends zu öffnen, als offenere Treff für jeden und von da an auch Seminare anbieten zu können. Ich dachte da so einmal pro Monat. Themen wie Ledertaschen Selbermachen, 3D-Druck Anfänge oder auch erste Schritte im Larp-Schauspiel schweben mir vor. Das Ganze natürlich möglichst kostengünstig für alle Interessierten.

Wahrscheinlich werden wir da immer wieder auf externe Seminarleiter zurückgreifen, da unsere eigenen Skills irgendwann erschöpft sind. Welch glücklicher Zufall, dass auch wir dann Neues durch solche Seminarleiter lernen.

Ahoi: Wer ist denn derzeit alles schon bei Euch mit im Boot?

Femi Heartman: Also neben mir als 1. Vorstand ist der Daniel noch als 2. Vorstand dabei. Der ein oder andere Mitmensch (und das Ordnungsamt) kennt uns vielleicht noch als die beiden Typen, die den Zombiewalk in Leipzig gemacht haben. Wären wir an einer Schule würden die Lehrer sagen „Der Femi ist ein schlechter Einfluss für den Daniel“, weil ich ihn immer in meine Ideen und Projekte mit reinhole. Als Schatzmeister haben wir Falk im Boot. Den kenn ich gut aus dem Larp-Bereich und wir haben auch schon zusammen Projekte auf die Beine gestellt. Unter den anderen Mitgliedern sind einige meiner Freunde aus dem Larp-Sektor. Thoralf könnte ich hier noch gesondert erwähnen, da er zusammen mit Deiner Frau wohl zu meinen ältesten Freunden gehört und nichts mit Larp zu tun hat.

Aber wir sind offen für jeden, dem unsere Idee und unser Konzept gefällt und der sich da als Teil des Ganzen sehen möchte.

Ahoi: Ihr nennt Euch Kreativ-Verein Leipzig, nun ist ja der Begriff Kreativität ein recht breit gefasster. Wo sind Eure Grenzen der Kreativität? In welchem Rahmen seid Ihr aktiv?

Femi Heartman: Es heißt immer so schön „Kreativität kennt keine Grenzen“ und so ist es bei uns auch.

Uns limitieren nur unsere Fähigkeiten und den Verein limitiert somit nur, was seine Mitglieder können oder nicht können. Im Moment sind viele Bastler dabei, das Zeug für ihre Endzeit-Abenteuer zu bauen und so haben wir wenig mit Muttis Häkel- und Stricknachmittag zu tun. Dennoch wäre das etwas, was genauso im Verein willkommen wäre und somit unser Spektrum erweitern würde.
Unser wichtigstes Argument ist wohl der Kreativraum, also die Werkstatt, die wir irgendwann bieten wollen, somit ist das Konzept am ehesten etwas für jemand, der für sein Hobby etwas Raum braucht.

Ahoi: Und schlussendlich: Gibt es für 2026 schon Planungen, Highlights, Vermeldenswertes? Erzähl doch mal, Femi.

Femi Heartman: Aktuell haben wir gute Aussichten auf einen eigenen Raum mit viel Platz und einer Menge Möglichkeiten. Wir warten noch auf die Rückmeldung aller Mitglieder. Aber wenn das klappt, könnten wir schon im Februar richtig loslegen, aber das bekommt man dann auch rechtzeitig über unsere Homepage oder Social-Media-Kanäle mit.

Ahoi: Danke, dass Du Dir Zeit für uns genommen hast.